Geldpolitik der Fed: Wo geht die Reise hin?
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Am 22. Mai deutete der Chef der US-Notenbank Fed, Ben Bernanke, den Einstieg in den Ausstieg aus der extrem lockeren Geldpolitik an. Zwar bleibt der geldpolitische Kurs der Fed inklusive ihres Anleihekaufprogramms (QE3) bis auf weiteres unverändert. Somit wird die Fed weiterhin monatlich Anleihen in Höhe von 85 Mrd. US-Dollar (45 Mrd. US-Staatsanleihen und 40 Mrd. Mortgage Backed Securities, mit Hypotheken besicherte Anleihen) ankaufen. Auch die Zinsen bleiben bei nahe Null. Viele Marktbeobachter erwarten jedoch, dass die US-Zentralbank bereits ab September die Anleihekäufe sukzessive zurückfahren wird, mit einer Zinserhöhung rechnet der Markt schließlich ab Anfang 2015.
Die Droge des billigen Geldes steht bald also nicht mehr so üppig zur Verfügung wie zurzeit. Für die Finanzmärkte ein Fiasko. Die Folgen von Bernankes Suada: Aktien brachen nach der Fed-Sitzung im Mai wie von der Tarantel gestochen ein, der Deutsche Aktienindex verlor binnen Tagen bis zu zehn Prozent, erst in der letzten Woche fing er sich wieder etwas. Auch Staatsanleihen verkauften die Investoren massenhaft. Nach Fed-Angaben haben ausländische Notenbanken ihre Bestände an US-Staatsanleihen in der vergangenen Woche um 32,4 Milliarden auf 2,9 Billionen US-Dollar reduziert. Das ist ein neuer Wochenrekord.
Der Ausverkauf und damit einhergehende Kursrutsch der Bonds bedeutet einen Zinsanstieg, da beides entgegengesetzt zueinander verläuft. Die Zinsen auf zehnjährige US-Staatsanleihen stiegen nach ihrem Tiefstand im Mai um mehr als einen Prozentpunkt auf in der Spitze 2,6 Prozent. „Die Bemerkungen von Bernanke waren eine Art Weckruf. Die Märkte befinden sich jetzt schon in einer Übergangsphase. Sie passen sich an eine neue Welt an, in der die Notenbanken weniger Anleihen kaufen und die Zinsen steigen. Die Anleihen, die Investoren aktuell im Portfolio haben, werden dann nicht mehr sehr lukrativ sein. Deshalb war der Ausverkauf auch kein Wunder“, sagt Andrew Wilson, Anleihestratege bei Goldman Sachs Asset Management, dem „Handelsblatt“.
Die Notierungen für langlaufende US-Treasurys drehten zu Wochenbeginn wieder ins Plus und drückten damit die Renditen. Zehnjährige US-Staatsanleihen rentierten diesen Montag mit 2,48 Prozent, nach 2,49 Prozent am vergangenen Freitag. Anfang Mai waren es noch 1,63 Prozent gewesen. „Eine Rendite von 1,5 Prozent sehen wir so schnell nicht wieder. Auf Jahressicht ist es möglich, dass die Rendite sogar auf 3,25 Prozent ansteigt“, meint Thilo Heidrich, Rentenanalyst bei der Postbank.
Wann das Quantitative Easing-Programm gedrosselt und die Zinsen wieder erhöht werden, hängt für die Fed maßgeblich von der wirtschaftlichen Entwicklung der USA ab. Nach wie vor sieht der FOMC-Offenmarktausschuss Risiken für das Wachstum und den Arbeitsmarkt, „die sich aber in den letzten Monaten verringert hätten“. Dementsprechend hob die Fed ihren Ausblick für den Arbeitsmarkt an. So wird es nunmehr für möglich gehalten, dass die Schwelle von 6,5 Prozent schon im Jahr 2014 und nicht wie bislang im Jahr 2015 erreicht wird (Quote im Mai bei 7,6 %). Solange die Inflation nicht anzieht, will sie zu diesen Zeitpunkten eine Zinserhöhung erwägen. Innerhalb der Fed ist diese Marschrichtung aber nicht unumstritten. Der Chef der regionalen Zentralbank von Minneapolis, Narayana Kocherlakota, hat jüngst seine Auffassung bekräftigt, den Leitzins erst dann zu erhöhen, wenn die Arbeitslosenquote unter die Marke von 5,5 Prozent gefallen sein wird.
Es gibt für das Stützungsprogramm der Fed keine Blaupause. Daher ist es kaum möglich, vorherzusagen, welche Auswirkungen eine Straffung mit sich bringen wird. Das ruft eine gewisse Unsicherheit im Markt hervor. Dass die Finanzmärkte nun aber auf Monate verrückt spielen und hohe Ausschläge liefern, erwartet nicht jeder Beobachter. US-Analyst Rudolf Besch von der Deka Bank sagte im Gespräch mit godmode-trader.de, die Märkte hätten eine Drosselung der Anleihenkäufe zum jetzigen Zeitpunkt bereits überwiegend eingepreist. Insofern erwarte er keine Übertreibungen mehr. Etwas anderes wäre es aus seiner Sicht freilich, sollte die Fed bereits bei ihrer kommenden Sitzung im Juli anfangen, ihre Stützungskäufe überraschend zurückzufahren. Für Ökonom Besch ist das aber ein denkbar unwahrscheinliches Szenario.
Eine ähnliche Auffassung vertritt Trevor Greetham, Leiter Asset Allocation bei Fidelity Worldwide Investment: „Bernanke hat angekündigt, sachte den Fuß vom Gas nehmen zu wollen und nicht hart auf die Bremse zu treten. Das ist eine vertraute Notenbankmetapher, die verdeutlichen soll, dass zwischen dem Ende der quantitativen Lockerung und dem ersten Zinsanstieg einige Zeit liegen wird. Ich glaube, dass die Fed letztlich sogar noch später beginnen wird, die geldpolitischen Zügel zu straffen, als sie es jetzt avisiert hat“. Greetham zufolge sind deshalb in naher Zukunft auch keine Kursübertreibungen mehr zu erwarten.
Langfristig aber - da ist sich Ökonom Besch von der Deka Bank sicher - führt an steigenden Zinsen und einem generell höheren Zinsniveau kein Weg vorbei. „Auf lange Sicht werden die Notenbanken wieder auf ein normales Niveau zurückkehren“, prognostiziert der Experte. Normalerweise, sagt Besch, liegen die Zinsen auf zehnjährige Staatsanleihen bis zwei Prozent über der Inflationsrate, also derzeit bei etwa drei bis vier Prozent.
Aber was bedeuten höhere Zinsen für die sich gerade erholende US-Konjunktur? Starke Zinsanstiege können die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten schnell abwürgen. Wichtige US-Branchen wie Immobilien oder die Autoindustrie sind stark von Zinssätzen abhängig. Unternehmen im Gesamten müssten für Investitionen wieder tiefer in die Kasse greifen, die Aufnahme von Fremdkapital wird ungleich teurer.
Bernanke wird aber auch aus einem anderen Grund gezwungen sein, sehr behutsam aus seiner lockeren Geldpolitik mit Zinsen nahe Null auszusteigen. Die Fed hält mittlerweile amerikanische Staatsanleihen im Wert von mehr als 1.750 Milliarden US-Dollar. Wenn die Zinsen irgendwann steigen, dann fallen die Kurse dieser Anleihen, das drückt auf die Preise. Zusätzlich muss die Fed höhere Ausgaben für die Zinsen, die sie Banken zahlen muss, die noch Rücklagen bei ihr gebildet haben, in Kauf nehmen. Schlimmstenfalls müsste die Notenbank diese Wertverluste verbuchen. Das hätte zur Folge, dass der US-Staatshaushalt auf lange Sicht kein Geld mehr von der Fed überwiesen bekommt.
Eine gute Botschaft hat Bernankes Ankündigung aber auch: Die Wirtschaft in Amerika wächst insgesamt robuster als gedacht, die Risiken für Konjunktur und Arbeitsmarkt haben abgenommen. Die Unternehmensgewinne in Amerika könnten demnach stärker als erwartet steigen. Und der Dollar wird zum Euro stärker. Das wiederum kommt europäischen Exportfirmen zugute, die so ihre Produkte auf dem Weltmarkt billiger anbieten können.
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