Kommentar
10:01 Uhr, 30.09.2019

Geht den Notenbanken die Munition aus?

Die große Frage der letzten Jahre war: Was können Notenbanken gegen den nächsten Abschwung tun? Jetzt wissen wir es.

Sie können nicht besonders viel tun. Eigentlich sind sie sogar ziemlich machtlos. Das haben die letzten Wochen gezeigt. Die EZB senkte den Einlagensatz um unspektakuläre 10 Basispunkte von -0,4 % auf -0,5 %. Gleichzeitig führte sie ein zweistufiges System für Einlagen ein, um die Banken zu entlasten.

In der gesamten Eurozone fielen vor der Einführung des zweistufigen Systems ca. 9 Mrd. Euro an Negativzinsen pro Jahr an. Fast ein Drittel davon wurde von deutschen Banken bezahlt (Grafik 1). Jetzt, nach der Einführung des Systems, sinkt dieser Betrag vorläufig um ungefähr ein Drittel. Damit müssen aber immer noch mehr als 5 Mrd. pro Jahr an die Notenbank abgeliefert werden.

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Da die EZB wieder Anleihen kauft, dürften die Überschussreserven der Banken weiter ansteigen. Die Belastung wird mit der Zeit wieder steigen. Das Problem ist also noch nicht gelöst und es zeigt, wie verzwickt die Lage ist.

Einerseits wollen Notenbanken die Zinsen weiter senken, um die Wirtschaft anzukurbeln. Andererseits braucht es funktionierende Banken, um das zu bewerkstelligen. In den letzten Jahrzehnten haben Zinssenkungen gut funktioniert. Nun sind die Zinsen aber so tief, dass weitere Senkungen zu negativen Folgen führen.

Je unprofitabler Banken sind, desto weniger Risiko können sie eingehen. Das hemmt die Kreditvergabe, anstatt sie anzukurbeln. Das hat nicht nur die EZB erkannt. Die japanische Notenbank führte von Anfang an ein zweistufiges System ein. Inzwischen hat das auch die Schweizer Nationalbank nachgemacht.

Die Grenzen der Negativzinsen sind erreicht. Damit ist ein geldpolitisches Instrument, für Jahrzehnte das wichtigste überhaupt, erschöpft. Vereinfacht kann man sagen: Zinspolitik gibt es nicht mehr. Sie steht den Notenbanken nicht mehr zur Verfügung, um die Wirtschaft anzukurbeln. Was aber bleibt dann noch?

Es bleiben Käufe von Wertpapieren wie Anleihen und Aktien. Auch das ist nicht so einfach. Das Aufkaufen von Wertpapieren führt zu einer Verknappung und damit zu höheren Preisen. Diese entsprechen nicht mehr dem Marktpreis und bilden daher kein reales Preisgefüge mehr ab. Es kommt zur Überbewertung von Anlageklassen. Eine Korrektur der Überbewertung zu einem späteren Zeitpunkt bringt wieder Probleme mit sich. Unruhe an den Finanzmärkten beeinträchtigt das Wachstum.

Die expansive Geldpolitik schadet inzwischen langfristig mehr als sie nutzt. Gleichzeitig ist sie wirkungslos. Psychologisch mag sie noch etwas wirken, aber das ist nicht genug, um einem Abschwung entgegenzutreten.

Alle Überlegungen führen immer wieder zum gleichen Thema: Helikoptergeld. Da nach der jüngsten geldpolitischen Lockerung alles erschöpft wurde, was es noch gab, bleibt nicht viel anderes übrig. Ob es bereits im aktuellen Abschwung dazu kommt, bleibt offen. Ich vermute, es wird erst beim nächsten soweit sein.


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6 Kommentare

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  • benz49
    benz49

    Antwort des Aktienmarktes auf diese Situation: Aktien steigen - Gold crasht.

    07:26 Uhr, 01.10. 2019
  • Ole3000
    Ole3000

    Hallo Herr Hoose, ich schätze Sie und hatte auch eine Zeit lang den Antizyklischen Börsenbrief. Und sicher werden Sie auch irgendwann Recht bekommen. Allerdings haben Sie durch Ihre Vorsicht auch ein paar fette Jahre Börsen-Hausse verpasst. Die Frage ist, bin ich übervorsichtig und investiere angesichts der fundamentalen Aussichten des Finanzsystems nur noch in Gold, wobei es einige Mienen in der Zwischenzeit auch zerrissen hat (z..B. Colossus Minerals) und fühle mich sicher oder blende ich die Negativität aus und investiere weiter in Aktien. Klar, kommt ein Crash, ist alles wieder futsch. Aber die Zukunft kennt keiner. Insofern ist es vielleicht ratsam davon auszugehen, dass Aktien langfristig immer steigen. Die Kunst wird sein, weit unter dem Median des Dow Jones zu kaufen ;-).

    17:15 Uhr, 30.09. 2019
  • geho
    geho

    Das Dumme ist nur dass niemand weiß wann was passiert in dem Chaos und was dementsprechend wann die richtigen Schritte sind

    16:53 Uhr, 30.09. 2019
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Wer jetzt überrascht ist, dass die Notenbanken vor einem Scherbenhaufen stehen, der hat in den vergangenen Jahren schlicht geschlafen. Das Ereignis war schon lange vorherzusehen.

    Ebenfalls lange vorherszusehen sind die Folgen dieses ganzen als "Rettung" getarnten Theaters.

    Der Volkswirt Professor Max Otte hat das in seinem aktuellen Buch schon im Titel mit einem Wort zusammengefasst:

    Weltsystemcrash.

    https://weltsystemcrash.de/

    Willkommen in der Realität...

    11:13 Uhr, 30.09. 2019
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst
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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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