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10:24 Uhr, 29.08.2022

Gasumlage: Wenn Konzernchefs ins Portemonnaie der Verbraucher greifen

Die Gasumlage ist ein marktwirtschaftlicher Sündenfall: Verbraucher und Mittelständler sollen die Zeche zahlen für milliardenschwere Energiekonzerne, die sich mit ihrer Abhängigkeit von russischem Erdgas verspekuliert haben. Jetzt zeigt sich: Die Konzernchefs haben an der Verordnung zur Gasumlage selbst mitgeschrieben.

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"Gesetze sind wie Würste, man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden", hat Otto von Bismarck angeblich einmal gesagt. Für die Verordnung zur sogenannten Gasumlage scheint dies auf jeden Fall auch zu gelten.

Mit der Gasumlage sollen ab Oktober Gaskunden (und indirekt auch die meisten Stromkunden) die Zeche zahlen für Gasimporteure, die sich mit ihrer Abhängigkeit von russischem Erdgas verspekuliert haben und deshalb zum Teil vor der Pleite stehen. Die Umlage beträgt brutto 2,419 Cent pro Kilowattstunde (kWh) und kann für Familien leicht mehrere hundert Euro an Mehrkosten pro Jahr bedeuten.

Wie ein Medienbericht jetzt zeigt, haben sowohl die Ratingagenturen als auch die Energiekonzerne bei der Verordnung offenbar ein gehöriges Wort mitgeredet. Wie "Business Insider" berichtet, drohten die Ratingagenturen im Juli mit einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Energiekonzerns Unipers, da sie Zweifel am Geschäftsmodell des Konzerns hatten. Uniper war sehr stark abhängig von russischem Erdgas. Als die Lieferungen von russischem Erdgas gedrosselt wurden, musste Uniper das fehlende Gas auf dem Spot-Markt nachkaufen, was offenbar zu Verlusten von rund 50.000 Euro pro Minute führte. In der Bundesregierung befürchtete man in Anlehnung an die Finankrise ein "Lehman-Brothers-Szenario", weil auch vielen Stadtwerken die Pleite gedroht hätte, wenn Uniper nicht gerettet würde.

Die Idee, dass alle Verbraucher über eine Gasumlage dabei helfen sollten, eine Pleite Unipers und anderer Gasimporteure abzuwenden, kam dann offenbar direkt "von den Ratingagenturen und aus dem Uniper-Umfeld", wie "Business Insider" unter Berufung auf Insider aus Regierungskreisen schreibt. "An den rechtlichen Details der Verordnung tüftelten aber nicht nur die Beamten aus Wirtschafts- und Finanzministerium sowie Vertreter Unipers, sondern sogar die Bosse zweier großer Energiekonzerne persönlich", heißt es in dem Bericht. Die Gasumlage sollte sicherstellen, dass nicht nur die Gasimporteure und ihre Kunden, die tatsächlich von russischem Erdgas abhängig waren, die Zeche der Mehrkosten zahlen, sondern alle Verbraucher.

Mit der Gasumlage konnten Energiekonzerne eine staatliche Maßnahme durchsetzen, die ihnen finanziell selbst zugutekam. Denn anders als offenbar zunächst angestrebt, profitieren keineswegs nur Unternehmen von der Umlage, die unter den ausbleibenden russischen Erdgaslieferungen leiden, sondern durchaus auch Krisenprofiteure.

Unabhängig davon, ob die Konzerne an der Verordnung zur Gasumlage selbst mitschrieben, ist die Gasumlage nicht nur ungerecht, weil Verbraucher und Mittelständler die Zeche für milliardenschwere Energiekonzerne zahlen sollen, sondern verstößt auch gegen die Grundlagen der Marktwirtschaft. Zur Marktwirtschaft gehört, dass Unternehmen, die wirtschaftlich nicht mehr überlebensfähig sind, vom Markt verschwinden. Hat sich ein Konzern verspekuliert, dann muss er auch die Zeche zahlen. Dabei ist es egal, ob er sich mit der Abhängigkeit von billigem russischen Erdgas oder Finanzderivaten verspekuliert hat. Ist ein Geschäftsmodell nicht mehr zukunftsfähig ohne staatliche Unterstützung, so wie das bei Uniper aus Sicht von Ratingagenturen der Fall ist, dann muss ein solcher Konzern geregelt abgewickelt werden, statt ihn umlagefinanziert als Zombie-Unternehmen am Leben zu halten.

Genauso wie die Rettung der Banken mit Steuergeldern in der Finanzkrise ist die Rettung der Energiekonzerne mit der Gasumlage in der aktuellen Krise ein marktwirtschaftlicher Sündenfall. Verbraucher und Mittelständler sollen die Zeche zahlen für milliardenschwere Energiekonzerne, die sich mit der Abhängigkeit von russischem Erdgas verspekuliert haben. Die Bundesregierung ist gut beraten, die Gasumlage nicht nur anzupassen, wie das Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck jetzt zugesagt hat, sondern komplett zu streichen.

Natürlich besteht ein öffentliches Interesse daran, dass die Energieversorgung in Deutschland nicht zusammenbricht. Eine Rettung der Energieversorgung ist allerdings möglich, ohne die entsprechenden Konzerne zu retten. So könnte die Energieinfrastruktur im Zweifel vorübergehend verstaatlicht werden oder der Geschäftsbetrieb könnte auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens mit staatlichen Mitteln am Leben gehalten werden, bis die Energieinfrastruktur an andere Unternehmen verkauft wurde.


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  • Bi9_Boss
    Bi9_Boss

    Als wäre eine Öffnung von Nordstream 2 automatisch mit mehr Gas verbunden.
    Von den weltweiten Spannungen die dadurch erzeugt werden, will ich gar nicht anfangen.

    Die Rezession will niemand. Aber die hohen Gas und Ölpreise bieten endlich mal Anreize auf günstigere, alternative Energien zu wechseln.

    Aber ich bin hier auch ganz klar kurzfristig für eine Verstaatlichung der Infrastruktur.
    Bis diese hoffentlich in den nächsten 10 Jahren immer mehr obsolet wird.

    Tja, wir waren ja mal Vorreiter bei den Erneuerbaren (Solar + Wind - vor 20 Jahren)
    Die Abhängigkeit die wir von der Politik auferlegt bekommen haben, dürfen wir jetzt ausbaden.

    12:27 Uhr, 29.08.2022
  • Matt35
    Matt35

    Ich verstehe, dass man wichtige Energieversorger nicht in die Pleite gehen lassen kann, aber ich verstehe nicht, warum der Staat (Steuerzahler) in einem solchen Fall nicht im gleichen Umfang Anteile an der zu rettenden Firma erhält.

    Diese Anteile kann das Unternehmen dann später wieder zurückkaufen.

    11:41 Uhr, 29.08.2022
  • mariahellwig
    mariahellwig

    too big to fail

    10:53 Uhr, 29.08.2022
  • wavemaster
    wavemaster

    Warum öffnen wir nicht Nordstream 2 und Kostenexplosionen und Gaskrise sind gebannt? Alles hängt an einem Strang. Die Preissteigerungen daraus, auf so vielen Ebenen, halten weder der Steuertopf, noch die Konten der Bürger lange aus. Angeblich aus Solidarität für die Ukraine und um den bösen wladi zu betrafen, müssen wir frieren, stinken und bekommen schrittweise den Wohlstandsverlust, jeder wird auf seinem Level abgeholzt. Warum schauen wir einfach dabei zu? Die Welt lacht uns aus ... die verrückten Deutschen begehen wirtschaftlichen Freitod.

    10:48 Uhr, 29.08.2022
  • Bigdogg0806
    Bigdogg0806

    wieder diese Polemik, verantwortlich sind die gewählten Politiker. Wer auch immer diese Nullen an die Macht gewählt hat. Ein Unternehmer schaut immer das es seinem Unternehmen und seiner Belegschaft gut geht. Natürlich schriebt er mit, wenn Beamte zu blöd sind das System zu kapieren. Ganz einfach....

    10:42 Uhr, 29.08.2022

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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