FTD: Europ. Autoindustrie auf Konfrontationskurs mit Staat und Gewerkschaften
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Hamburg (BoerseGo.de) - Die europäische Autoindustrie steckt in einer Krise. Die Hersteller leiden über Überkapazitäten, die Fabriken sind nicht mehr ausgelastet, die Nachfrage ist mau. Die Folge: Die Firmen lösen zunehmend Standorte auf. Laut einem Pressebericht drohen in vielen europäischen Ländern deshalb Auseinandersetzungen mit Regierungen und Gewerkschaften. Dies befürchtet die „Financial Times Deutschland“ in ihrer Freitagsausgabe und begründet dies mit den anstehenden Werksschließungen in Ländern wie Belgien, England, Italien und Frankreich. Am Donnerstag etwa habe der US-Autobauer Ford bekanntgegeben, die britischen Standorte Southampton und Dagenham und das Werk im belgischen Glenk aufzulösen. Auch Volvo habe angekündigt, in Belgien die Produktion zu kürzen.
Eine Ausnahme der zunehmenden Frontenbildung würde Deutschland bilden, schreibt die Zeitung. Während in den Nachbarländern mehrere Zehntausend Arbeitsplätze wegfielen, rechneten Experten für die kommenden Jahre sogar noch mit einem Aufbau neuer Jobs in der deutschen Automobilindustrie. Ein Grund für diese Entwicklung seien die starken Gewerkschaften hierzulande, so die FTD. „Die Belegschaften in Deutschland sind sehr stark, die können viel verhindern und verzögern“, sagt eine Sprecherin der IG Metall der Zeitung. Die Schließung eines Werks würde hier in jedem Fall sehr schwierig und sehr teuer, meint die Gewerkschaftlerin. Einfacher gehe das offenbar in Belgien und in Großbritannien, dort seien die Arbeitnehmerorganisationen deutlich schwächer organisiert.
„Warum schließen GM und Ford ihre Werke in Belgien und nicht in Deutschland?“, fragt Rohnny Champagne, Verhandlungsführer der belgischen Gewerkschaft ABVV Metaal, laut FTD: Die Antwort sei ganz einfach: wegen der Macht der IG Metall. Sein Vorwurf: „Die Deutschen reden immer von europäischer Solidarität, aber in Wahrheit haben sie doch nur ihre eignen nationalen Interessen im Blick: in der Politik und in der IG Metall“.
Gerade US-Konzerne tun sich mit dem deutschen Modell der Mitbestimmung, der langfristigen Standortsicherung, traditionell schwer, heißt es in dem Bericht weiter. Die Autobauer bemühten sich in Deutschland um ein harmonisches Verhältnis mit der mächtigen Metallgewerkschaft und erkauften sich dieses auch mit langfristigen Standortgarantien und dem Verzicht auf Kündigungen. Im Gegenzug gebe sich die IG Metall nun schon über Jahre mit moderaten Lohnsteigerungen zufrieden und verzichte weitgehend auf Streiks. Als Negativbeispiel müsste aber das Gezerre bei Opel genannt werden.
Anders als in den USA, wo starke regionale Gewerkschaften als zentrales Argument gegen Investitionen gelten würden, wirke das deutsche Modell der Mitbestimmung aber offensichtlich nicht abschreckend, schlussfolgert die Zeitung. Deutschland gewinne als Produktionsstandort in der Industrie sogar laut Studien weiter an Attraktivität.
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