Kommentar
08:28 Uhr, 14.04.2017

Frustriert die Börse Sie? Hier könnte das Problem liegen!

Unter meinen Kollegen in der Finanzbranche, egal ob Trader, Analysten oder Fondsmanager, sind mir irgendwie immer zwei verschiedene Typen begegnet.

Die einen waren meistens frustriert und hatten schlechte Performances, die anderen strahlten eine ansteckende Freude an ihrer Tätigkeit aus, die sich auch in ihren Ergebnissen widerspiegelte

Einer dieser "Gewinnertypen" war ein Kollege von mir.

Egal ob die Börse stark oder schwach gestimmt war, er kam morgens mit einer breiten Brust ins Büro, ein Lachen im Gesicht und schlug mit jedem von uns ein. Meist schnaufte er noch tief, weil er bei jedem Wetter das Fahrrad durch die Stadt nahm (was auch wirklich die beste Möglichkeit ist sich in Frankfurt fortzubewegen). Ich habe ihn nie fluchen und selten schlecht gelaunt erlebt. Hatte er eine negative Tradingserie, dann war er nur etwas ruhiger als sonst. Er war konzentriert, wenn er Verluste begrenzen wollte, da er wusste, dass die Gewinne für sich alleine arbeiteten. Klingelte dann sein Telefon, begrüßte er dennoch jeden, der anrief, mit echter Freude und Höflichkeit. Egal ob er gerade mehrere tausend Euro im Plus oder Minus war.

Wenn ich im Minus war, dann wollte ich meist mit niemandem reden und in meinem eigenen Saft schmoren, bis das Ungewitter vorbei gezogen war. Außerdem hatte mein Kollege, den ich um seine Einstellung sehr beneidete, immer einen festen Tagesplan.

Er kontrollierte den Tag, nicht der Tag ihn.

Obwohl er viel vor den Monitoren saß (gefühlt war er trotzdem die ganze Zeit in Bewegung), machte er Termine zum Mittagessen oder Kaffeetrinken, ging mindestens jeden zweiten Tag ins Fitnessstudio, sobald er etwas freie Zeit hatte.

Außerdem genoss er die Vorteile des Händlerlebens. Hatte er einen guten Tag und war schon mittags über seinem durchschnittlichen Tagesverdienst, dann stand er auf, schaltete die Bildschirme aus und wünschte allen noch einen erfolgreichen Handelstag. Einmal erklärte er mir mit einem Schmunzeln seine Philosophie: „Jakob, ich bin doch kein Trader geworden, um dann 12 Stunden am Tag im Büro zu sitzen. Da hätte ich auch was vernünftiges lernen können!“

Ich habe erst viel später selbst erkennen dürfen, dass einem solch eine wundervolle Einstellung nicht geschenkt wird, sondern dass man sie sich hart erarbeiten muss. Das schöne daran ist, dass jeder es kann und tun sollte, um bessere Ergebnisse zu erzielen.

Denn die Masse der Händler und Investoren die ich bisher kennenlernen durfte, gehörten eher zur anderen Sorte. Müde und mit knittrigem Gesicht, oftmals blutleer von der Dauerschockstarre vor den Monitoren, wurden sie von den Widrigkeiten der Börse durch ihren Alltag geschoben. Die meisten kamen erst kurz vor Handelseröffnung ins Büro. Man sah richtig, wie sie sich aus dem Bett quälen mussten.

Was den Unterschied ausmacht

Wenn ich mir so die verschiedenen Typen von Händlern anschaute, dann ist wohl der größte Unterschied zwischen den Erfolgreichen und den Erfolglosen, dass die Gewinner motiviert und die Verlierer deprimiert waren.

Das ist wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Die Motivierten steckten Verluste besser weg und stärkten sich an den Gewinnen.

Die Deprimierten verstärkten ihre negativen Muster mit jedem Verlusttrade und bewerteten Gewinne irgendwann nur noch als Glückslos in der Börsenlotterie.

Jetzt ist es natürlich Quatsch zu sagen: „Los ihr trüben Tassen motiviert euch und alles wird gut.“

Das ist Blödsinn. Es gibt auch keine Tricks oder Techniken dafür.

Warum?

Weil man seinen Verstand nicht austricksen kann. Dazu ist der viel zu clever.

Der Unterschied zwischen den Gewinnern und Verlierern ist einzig und allein, dass es die einen lieben an der Börse zu handeln und die anderen irgendwie dazu gekommen sind, aber eigentlich, wenn es das Schicksal anders gewollt hätte, wo anders gelandet wären.

Sie können das ultimativ sehen.

Die Erfolgreichen sind die, die aus tiefstem Herzen lieben, was sie tun.

Warum sollte es an der Börse anders sein?

Nun heißt das nicht, dass man gleich der Börse den Rücken kehren muss, wenn man keine Freudensprünge beim Gedanken an Charts und Bilanzen macht. Ich habe oft erlebt, dass Menschen, die einfach nur ihren Handelsstil oder Anlagehorizont veränderten, viel entspannter und glücklicher wurden.

Dabei ist es wichtig, eine persönliche Strategie zu finden, die zu den eigenen Fähigkeiten und Zielen passt.

(Deswegen funktioniert es auch nicht einen anderen Trader oder Investor "nachzuhandeln").

Es ist ungemein wichtig herauszufinden, welcher der eigene Weg an der Börse ist.

Sonst beißt man sich die Zähne aus, kann Frustration oder sogar Depressionen erleben.

Am Ende könnte der ein oder andere feststellen, dass er vielleicht für seine Ziele gar nicht so eine offensive Anlagestrategie braucht oder dass er (so wie ich es damals für mich herausgefunden hatte) im Moment noch in der völlig falsche Ecke der Börse herumhängt.

Wer aber eine Nische entdeckt, die Begeisterung und Freude weckt, dann ist das ein Naturgesetz wie die Schwerkraft. Der Erfolg kommt von alleine und muss nicht mehr mühsam erkämpft werden. Man kann sich gar nicht wehren, ihn anzunehmen.

Viele Grüße
Jakob Penndorf

Clemens Schmale

2 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • mark726
    mark726

    Wie war das denn genau mit der falschen Ecke und dem Finden Deiner Nische?

    12:57 Uhr, 15.04.2017

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Jakob Penndorf
Jakob Penndorf

Jakob Penndorf teilt seit 2015 seine Expertise als Finanz- und Tradingexperte auf GodmodeTrader und Guidants, den Finanzportalen der BörseGo AG. Er startete seine Karriere als Börsenhändler und Analyst bei einer Wertpapierhandelsbank, war Berater und Fondsmanager für Asset Manager in Frankfurt am Main und Gründer eines Finanztechnologie-Unternehmens in Berlin. Jakob Penndorf hat zahlreiche Lehrgänge absolviert, u.a. ist er akkreditierter Berater der namhaften Investmentgesellschaft Dimensional Funds Advisors (DFA) aus den USA, deren Vorstand und Verwaltungsrat führende Finanzforscher wie Kenneth French, Roger Ibbotson oder Eugene Fama angehören. Jakob Penndorf veröffentlichte zahlreiche Fachartikel über Börsenstrategien, Anlegerverhalten und technische Handelssysteme. Er trainiert Unternehmer, Börsenhändler und Investoren im Umgang mit Risiken an den Finanzmärkten.

Mehr Experten