Fundamentale Nachricht
16:10 Uhr, 04.01.2023

Fortsetzung der Zwischenrallye unwahrscheinlich

Zum Start des Jahres haben Vincent Mortier, Group CIO Amundi und Matteo Germano, Deputy Group CIO Amundi, die Lage an den Finanzmärkten analysiert und kommentiert.

Eine „Bärenmarktrallye“ kam zwar zustande, aber die starken US-Arbeitsmarktdaten für November schwächten das Markt-Narrativ einer moderateren Notenbankpolitik, so dass sich für die US-Inflation ein gemischtes Bild ergab, da die Dienstleistungskomponenten weiterhin hartnäckig sind. Die US-Notenbank Fed verlangsamte ihrerseits das Tempo der Zinserhöhungen, bekräftigte aber, dass ihre Aufgabe noch lange nicht erledigt ist. Wir sind der Auffassung, dass sich die Zentralbanken, einschließlich der Europäischen Zentralbank EZB, auf einem schmalen Grat bewegen werden, bei dem die Gefahr von Fehlern groß ist.

Auf der anderen Seite sehen wir zunehmende geopolitische Risiken in Europa und den USA. In den Schwellenländern könnte die Beschleunigung der Wiederöffnung in China möglicherweise früher als erwartet zu einem Aufschwung führen, während sich Europa voraussichtlich noch in der Rezession und die USA in einer deutlichen Abschwächung befinden werden. Dies unterstreicht ein wesentliches Merkmal der Aussichten für 2023: die starke regionale Asynchronität der Wirtschaftszyklen, die zu Chancen für Investoren führen könnte.

Für die Märkte bedeutet dieses wirtschaftliche Umfeld, dass im ersten Halbjahr 2023 die Korrekturphase vorherrschend bleiben dürfte, mit einer sich abschwächenden Inflation, die aber immer noch über dem normalen Niveau liegen dürfte. Die Korrekturphase wird durch die Gewinnrezession vorangetrieben, die insbesondere im ersten Halbjahr zum Tragen kommen wird. Investoren sollten nach unserer Auffassung keine zusätzlichen Risiken eingehen, sondern nach der jüngsten Aufwärtsbewegung zu einer vorsichtigeren Haltung bei Aktien zurückkehren und insgesamt umsichtig sein.

  • Übergreifende Perspektive: Wir sind sehr aktiv beim Identifizieren von Investmentmöglichkeiten, die sich durch Marktdiskrepanzen und Asynchronitäten in der Geldpolitik ergeben, die als Reaktion auf das verlangsamte Wachstum und die schwächere Inflation bald zum Tragen kommen dürften. Nachdem der Aufschwung wie erwartet eingetreten ist, sind wir bei den Aktien vorsichtig geworden, mit einer neutralen Haltung in den USA und einer immer noch vorsichtigen Positionierung in Europa. Auch unsere positive Einschätzung von Unternehmensanleihen haben wir nach der Rallye zurückgenommen, bleiben aber leicht konstruktiv. Wir sind außerdem der Meinung, dass Investoren gewisse Absicherungen durch Absicherungsstrategien (Hedging), US-Staatsanleihen und Gold vornehmen sollten.
  • Aktien: US-Aktien wurden in letzter Zeit eher durch Abwärtsbewegungen bei den Kernrenditen als durch eine wesentliche Verbesserung der Fundamentaldaten der Unternehmen angetrieben. Wir sehen Abwärtsrisiken, eine asymmetrische Rendite, und werden auf kurze Sicht vorsichtig agieren, da die aktuellen Bewertungen die Ertragsrisiken im Falle einer Rezession nicht widerspiegeln. Wir begeben uns daher für den US-Markt auf eine neutrale Position. In Europa, das stärker von einem Stagflationsschock bedroht ist, hält die Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg an. Das Fehlen einer gemeinsamen politischen Reaktion und der Inflationsdruck haben uns veranlasst, unsere defensive Haltung gegenüber Europa weiter zu verstärken. Relativ gesehen bevorzugen wir nach wie vor die USA gegenüber Europa.
  • Staatsanleihen: Hier blicken die Märkte weiterhin auf die Inflation und die Reaktion der Fed, aber wir sind der Meinung, dass sich die Aufmerksamkeit bald auf das Wachstum und die Rezessionsängste richten wird. Vorläufig geht die Richtung der Zinsen noch aufwärts. Die Fed hat klargestellt, dass sie nun mit einem höheren Endsatz rechnet als im September erwartet. Die Frage, wie lange die Zentralbank die Zinsen restriktiv hält, gewinnt an Bedeutung. Die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums und die Andeutungen über die Änderung des Umfangs der Zinserhöhungen erfordern ein aktives Vorgehen bei der Duration – einem Maß für die Zinssensitivität von Anleihen.
  • Unternehmensanleihen: Die Märkte wurden durch die Bärenmarktrallye unterstützt, trotz des Übergangs zu einem Umfeld mit höheren Finanzierungskosten, das möglicherweise sehr schmerzhaft sein könnte, insbesondere für Emittenten von Hochzinsanleihen mit niedrigem Rating und sehr hoher Fremdfinanzierung. Die Fundamentaldaten der Unternehmen sind offenbar nach wie vor solide, aber die Barmittelbestände sind zurückgegangen. Die Fähigkeit der Unternehmen, regelmäßige Kapitalflüsse (Cashflows) zu generieren und dem Refinanzierungsdruck standzuhalten, könnte beeinträchtigt werden, wenn sich das wirtschaftliche Umfeld verschlechtert. Dies könnte sich noch verschlimmern, wenn die Geschäftsbanken ihre Kreditvergabestandards verschärfen, sodass die Liquidität für Unternehmen versiegt, wenn sie sich refinanzieren müssen. Insgesamt sehen wir bei Unternehmensanleihen relativ bessere Chancen bei US-Anleihen hoher Bonität (Investment Grade Rating) als in Europa, und bei den Hochzinsanleihen bleiben wir zurückhaltend.
  • US-Dollar: Die US-Währung ist eine Schlüsselvariable, die man besonders beobachten sollte, um Chancen in den Schwellenländern (Emerging Markets) zu erkennen. Wir sind der Auffassung, dass der Gegenwind, der die Emerging Markets-Anleihen 2022 belastet hat, 2023 allmählich nachlassen sollte, wenn länderspezifische Faktoren wieder in den Fokus rücken werden. Wir bleiben positiv für Hartwährungs-Anleihen und sind der Auffassung, dass einige Lokalwährungs-Anleihen selektiv attraktiv werden. Generell dürften die Pläne zur Wiederöffnung der chinesischen Wirtschaft im Jahr 2023 ein weiterer positiver Katalysator für die Schwellenländer sein.

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