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16:39 Uhr, 23.01.2019

Folgen eines harten Brexits: BIP-Einbruch, Arbeitslosigkeit, Inflation

Langfristig könnten die unbeabsichtigten Brexit-Folgen nach Meinung von Sébastien Galy, Senior Makro Stratege bei Nordea Asset Management, erhebliche materielle Auswirkungen haben – größtenteils auf das Vereinigte Königreich.

Helsinki (GodmodeTrader.de) - Nachdem die britische Premierministerin Theresa May ein Misstrauensvotum im Parlament knapp überstanden hat, steht ihr bei der wichtigsten Entscheidung ihres Landes ein Drahtseilakt bevor, wie Sébastien Galy, Senior Makro Stratege bei Nordea Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt. „Um diesen zu bestehen, darf sie keine Kompromisse eingehen, die Brexitbefürworter oder Gegner verärgern würden. Denn ihre Regierung hat eine Verlängerung der Brexit-Frist abgelehnt“, so Galy.

Damit bleibe nur wenig Zeit, um ein Abkommen mit der EU auszuhandeln, wie zum Beispiel eine Zollunion. Hinzu komme die schwierige irische Grenzfrage, bei der sie auf die Unterstützung der Democratic Unionist Party (DUP) angewiesen sei. Angesichts dieser schwierigen Situation werde womöglich ein Münzwurf darüber entscheiden, ob es zu einem harten Brexit komme, heißt es weiter.

Zu den Auswirkungen eines harten Brexits schreibt Galy: „Im Vereinigten Königreich lassen sich Hamsterkäufe beobachten, mit denen sich die Bürger auf den Fall neuer Grenzen vorbereiten. Dieser Trend werde sich mit zunehmender Unentschlossenheit verstärken und den britischen Verbrauch ankurbeln, Importe erhöhen und die Handelsbilanz verschlechtern. So hätten beispielsweise bereits einige Pharmaunternehmen auf beiden Seiten der Grenze im Rahmen ihrer Notfallpläne damit begonnen, vorsichtig Lagerbestände aufzubauen.“

Umfassende Neuaufträge könnten im Vereinigten Königreich schließlich etwas unter Druck geraten, auch wenn sie in der Eurozone eine Spur zunähmen. Die Bank of England (BoE) könnte die Zinsen erhöhen, um das Pfund Sterling zu stützen und damit die importierte Inflation zu begrenzen. Der Pessimismus sei jedoch bereits in die Bewertung des Sterlings eingeflossen. Eine Unterbrechung der Lieferkette dürfte theoretisch Probleme für das Vereinigte Königreich sowie das europäische Festland schaffen. Da es bereits erhebliche Engpässe gebe, dürften die Auswirkungen aber recht überschaubar sein. Wiedereingliederungen liefen bereits, heißt es.

Einige große ausländische Exporteure, wie beispielsweise Produzenten aus Japan, würden voraussichtlich einen Teil ihrer Fabriken aus Großbritannien verlagern, obwohl das schwache britische Pfund diese Tendenzen abschwächen werde. Ein „Tail-End-Szenario“ würde sie der britischen Zentralbank zufolge tatsächlich sogar zum Verbleib ermutigen, da sich demnach das Pfund Sterling stark abschwäche. Im Laufe der Zeit werde die Einwanderungswelle als ein Wachstumstreiber der britischen Wirtschaft etwas abflauen und sich das potenzielle Wachstum ein wenig verringern, heißt es weiter.

Die britische Zentralbank prognostiziert, dass das BIP um acht Prozent sinken könnte. In diesem Fall könnten auch die Wohnungspreise um 30 Prozent fallen. Außerdem könnte die Arbeitslosenquote auf 7,5 Prozent wachsen. „Darüber hinaus rechnet die Bank of England damit, dass die Inflation auf 6,5 Prozent steigt. Tritt dieser Fall ein, sähe sich die britische Zentralbank veranlasst, die Zinsen zu erhöhen um sich vor einer importierten Inflation zu schützen“, so der Stratege Galy.

Auf kurze Sicht ist Galy der Meinung, dass die Brexitverhandlungen keine Auswirkungen auf die Vermögenswerte hätten, denn ihre Preise hätten nicht darauf reagiert, dass Premierministerin May ihre Brexit-Abstimmung im Parlament verloren hat. Langfristig könnten die unbeabsichtigten Brexit-Folgen erhebliche materielle Auswirkungen haben – größtenteils auf das Vereinigte Königreich. „Abgesehen davon sollte das Jahr-2000-Problem eine Warnung gewesen sein, dass sich Menschen vorbereiten und Entwicklungen vorgreifen müssen“, schließt Galy.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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