Kommentar
23:03 Uhr, 27.06.2014

Finanzkrise im Überblick: EU-Stabilitätspakt auf der Kippe?

Die Forderungen nach einer Aufweichung des Europäischen Stabilitätspakts werden immer lauter. Vor allem Frankreich und Italien setzen sich dafür ein.

Wochenende, 21./22. Juni:

Die künftige Wirtschaftsweise Isabel Schnabel verteidigt die EZB gegen Kritik aus Deutschland. "Die deutschen Sparer haben auch Vorteile von der Niedrigzinspolitik der Notenbanker um EZB-Präsident Mario Draghi", so Schnabel zur "Mainzer Allgemeinen Zeitung". "Auch die Sparer profitieren von einer Stabilisierung der Euro-Zone. Insofern ist es falsch, es so darzustellen, als ob die Sparer nur Nachteile durch die geringen Zinsen hätten", sagte die Mainzer Ökonomin. "Wenn man die Krise nicht in den Griff bekommt, wird das noch viel schmerzhafter und teurer."

EZB-Chef Mario Draghi sieht die wirtschaftliche Erholung in der Euro-Zone durch die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit gefährdet. "Eine hohe Zahl von Erwerbslosen führt zu einem Rückgang der Nachfrage beim Konsum", so Draghi zur Zeitung "De Telegraaf". "Schon allein das gefährdet die Erholung."

EZB-Chef Mario Draghi bestätigt, dass die EZB den Zugang zu Liquidität für Banken bis Ende 2016 offenhalten wird.

Nach Ansicht von Ratsmitglied Ewald Nowotny wird die EZB die Zinsen wahrscheinlich bis 2016 auf dem aktuellen Rekordtief belassen. "Sobald es ein deutliches Wachstum, also mehr als zwei Prozent gibt, tritt die Zinswende ein. Das wird aber aus heutiger Sicht kaum vor 2016 sein", so Österreichs Notenbankchef zur "Kronen-Zeitung".

Montag, 23. Juni:

Europas Sozialdemokraten und Sozialisten fordern mehr Flexibilität innerhalb des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts. "Wir wollen der Formel Reformen gegen Zeit beim Defizitabbau folgen", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel.

CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle hat Forderungen nach einer flexibleren Auslegung des europäischen Stabilitätspakts zurückgewiesen. Es wäre "brandgefährlich, vom vereinbarten Stabilisierungskurs abzuweichen", warnte er in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung".

EZB-Vizepräsident Vitor Constancio hat vor einer Überhitzung der Immobilienmärkte in Europa gewarnt. "Unsere Analysen und die es IWF deuten darauf hin, dass es in einigen speziellen Immobilienmärkten Anzeichen für eine Überhitzung geben könnte", sagte er laut Reuters.

Die Bundesregierung hält eine flexible Anwendung des europäischen Stabilitätspakts für möglich. So könnten etwa beim Defizitverfahren negative wirtschaftliche Entwicklungen berücksichtigt werden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert und ergänzte: "Eine Fristverlängerung ist möglich und ist auch schon angewendet worden".

Dienstag, 24. Juni:

Bundesbank-Chef Jens Weidmann hat davor gewarnt, den Euro-Stabilitätspakt aufzuweichen und so die Schuldenlast etwa in Frankreich und Italien zu verschleiern. Dies wäre fatal und könne "massive Erschütterungen der Währungsunion auslösen", schreibt er in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung".

Die Aussagen von BoE-Mitgliedern haben die Erwartungen des Marktes einer baldigen Zinserhöhung in Großbritannien gedämpft. BoE-Chef Carney und Ratsmitglied Miles hatten gesagt, dass in der britischen Wirtschaft mehr unausgelastete Kapazität vorhanden ist als bisher gedacht.

US-Notenbanker William Dudley hat die Zinserwartungen gedämpft. Eine erste Zinsanhebung nach der Finanzkrise Mitte 2015, wie derzeit von vielen Beobachtern erwartet, sei zwar eine realistische Annahme, so Dudley. Allerdings erwiesen sich Prognosen oft als "irreführend", "weswegen ich nicht zu viel Gewicht auf bestimmte Projektionen legen würde".

Nach Einschätzung des Statistikamts Insee wird Frankreich seine Wachstumsziele für 2014 verfehlen. Es sei nur mit einem BIP-Anstieg von 0,7 % zu rechnen und nicht wie von der Regierung angepeilt 1,0 %.

Mittwoch, 25. Juni:

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich laut Reuters dafür ausgesprochen, die "Flexibilität" des Europäischen Stabilitätspaktes zu nutzen, um die Arbeitslosigkeit in Europa zu bekämpfen.

BGA-Präsident Anton Börner hat vor einem Aufweichen des europäischen Stabilitätspakts gewarnt. Damit werde nur der Druck von Staaten mit Defiziten genommen, dringend notwendige Reformen umzusetzen.

Die Bundesbank warnt Immobilienkäufer vor überteuerten Preisen. "Nach unseren Analysen sind Immobilien in einigen Großstadtlagen in der Tat um etwa 20 % bis 25 % überbewertet", sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch der Wochenzeitung "Die Zeit".

Bundesbank-Präsident Weidmann: Die Inflation in der Eurozone wird bis Ende 2016 deutlich unter 2 % liegen. Die Eurozone befindet sich aber nicht in einer Deflationsspirale.

Die US-Wirtschaft ist im ersten Quartal deutlich stärker eingebrochen als erwartet. Das BIP schrumpfte aufs Jahr hochgerechnet um 2,9 Prozent. In der vorherigen Schätzung war das Handelsministerium nur von minus 1,0 Prozent ausgegangen. Volkswirte hatten mit einer Abwärtsrevision gerechnet - allerdings nur auf minus 1,8 Prozent.

Donnerstag, 26. Juni:

Italien: Die Arbeitgeberorganisation Confindustria hat ihre BIP-Prognose für 2014 von +0,7 % auf +0,2 % gesenkt.

Die Bank of England setzt Grenzen für die Hypothekenaufnahme und will damit den Immobilienboom eindämmen.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat vor dem Brüsseler Gipfel seine Forderung untermauert, den EU-Krisenländern mehr Spielraum für Wachstum und Investitionen zu geben.

Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) hat sich für eine strikte Einhaltung der Regeln des Stabilitätspakts ausgesprochen. "Nach der Formulierung strengerer Haushaltsregeln muss nun für Verbindlichkeit gesorgt werden. Ziel muss es sein, den Euroraum zu einer Stabilitätsunion weiterzuentwickeln", so BVR-Vorstand Dr. Andreas Martin. Erste Voraussetzung dazu sei, dass die von allen Ländern beschlossenen Haushaltsregeln nicht immer wieder in Frage gestellt würden.

ZEW-Präsident Clemens Fuest hat vor einer Abkehr von der Sparpolitik gewarnt. "Der Schuldenüberhang (in den Euro-Krisenländern) verhindert Wirtschaftswachstum", sagte Fuest.

Griechenland benötigt nach Einschätzung von Ministerpräsident Antonis Samaras kein drittes Hilfspaket. Allerdings müssten die Gläubiger ihre Zusage einhalten, über weitere Schuldenerleichterungen zu reden. "Vorstellbar wären niedrigere Zinsen, längere Kreditlaufzeiten und zusätzliche tilgungsfreie Jahre", sagte Samaras zum "Handelsblatt".

Freitag, 27. Juni:

Börsen-Zeitung: Ohne eine Insolvenzordnung für angeschlagene Staaten und eine glaubwürdige Schuldenrestrukturierung wird nach Überzeugung von ZEW-Chef Clemens Fuest eine Stabilisierung der Eurozone nicht gelingen.

Finnland und Schweden haben sich gegen mehr Flexibilität beim Europäischen Stabilitätspakt ausgesprochen.

Die Verbraucherpreise in Deutschland sind im Juni wieder etwas stärker gestiegen als im Vormonat. Die Jahresinflationsrate wird auf 1,0 Prozent vorausberechnet, nach 0,9 Prozent im Vormonat.

Bundesfinanzminister Schäuble: Die meisten europäischen Banken werden keine Probleme beim EZB-Stresstest haben.

Bundesfinanzminister Schäuble äußert Missfallen bezüglich der niedrigen Leitzinsen in der Eurozone.

Spanien: Erstmals seit 2011 sollen die Staatsausgaben gekürzt werden. Das Kabinett einigte sich heute darauf, die Ausgaben für 2015 um 3,2 % zu senken.

1 Kommentar

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  • student
    student

    Die Lösung ist von mir aus gesehen relativ einfach:

    Der Endverbraucher ist letztendlich für den Konsum von erarbeiteten Waren und Dienstleistungen ausschlaggebend. Dies kann er nur tun, wenn er die Warenpreise bezahlen kann. Also müssen die Löhne steigen und die Zukunftsaussichten rosig sein, sonst wird gespart. Dazu müssen Arbeitsplätze gesichert und für das Unternehmen eine gewisse Planungssicherheit bestehen.Das wird wiederum durch hohe Produktqualität und einer Absicherung des bestehenden Marktanteils durch Politische und protektionistische Massnahmen erreicht.

    Die Währung spielt dabei eine grosse Rolle:

    Sie muss flexibel der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dienlich sein, um für die landeseigenen Betriebe die bestmöglichen Absatzbedingungen zu schaffen.

    Stattdessen wird propagiert, dass der starre Euro um jeden Preis zu erhalten sei. Es gilt nämlich, die nationalen volkswirtschaften zu erhalten, und nicht deren Gläubigerbanken.

    09:11 Uhr, 29.06.2014

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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