Fundamentale Nachricht
11:33 Uhr, 11.12.2018

Finanzinnovation: US-Banken vor europäischen und asiatischen Konkurrenten

Banken in Europa und Asien sind Jupiter-Fondsmanager Guy de Blonay zufolge langsamer als US-Banken bei der Erhöhung der IT-Ausgaben und der Bewältigung der Herausforderungen des FinTech-Zeitalters.

London (GodmodeTrader.de) - Die Kombination aus technologischen Entwicklungen, Regulierung und dem Aufstieg der digital versierten Generation Y hat in den letzten Jahren im weltweiten Finanzsektor zu einem unumkehrbaren Innovationstrend geführt. Während Banken immer noch am besten aufgestellt sind, um die Branche auch in Zukunft zu dominieren, müssen sie mit der digitalen Revolution mithalten, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. US-Banken weisen den Weg, Banken in Europa und Asien hingegen sind langsamer, wenn es darum geht, ihre IT-Ausgaben zu erhöhen und damit die Herausforderungen des FinTech-Zeitalters zu bewältigen, wie Guy de Blonay, Fondsmanager des Jupiter Global Financials SICAV bei Jupiter Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Im Zentrum der strukturellen Änderungen des Finanzsektors stehe Technologie. Banken hätten die Art und Weise, wie sie Produkte und Dienstleistungen anböten, mittlerweile grundlegend verändert. Schließlich müssten sie den ständig wechselnden Bedürfnissen ihrer Kunden gerecht werden. Niedrigere Eintrittsbarrieren bedeuteten jedoch, dass eine Flut neuer FinTech-Unternehmen auf den Markt dränge. Sie böten eine große Bandbreite innovativer Produkte und Dienstleistungen an, was sie zu einer ernstzunehmenden Gefahr für die Banken mache, heißt es weiter.

„Dank etablierter Kundenstämme, Lizenzen und Marken sollten traditionelle Banken am besten aufgestellt sein, um der Branche auch in Zukunft ihren Stempel aufzudrücken. Allerdings führt ihre komplexe Struktur dazu, dass sie sehr viel Kapital für IT-Systeme und deren Wartung zur Verfügung stellen müssen, was die Mittel für Innovation oftmals begrenzt. Tatsächlich können FinTech-Unternehmen, unter anderem weil sie nicht durch riesige IT-Systeme belastet sind, Dienstleistungen derzeit bis zu 50 Prozent günstiger anbieten als Banken. Angesichts dieser starken Konkurrenz müssen sich Banken daher in der Entwicklung und dem Einsatz neuer Technologien an die Spitze setzen, um eine Chance zu haben, ihren Marktanteil zu verteidigen oder sogar zu vergrößern“, so de Blonay.

Während Banken weltweit mehr und mehr Kapital für Technologie und Innovation bereitstellten, gäben sie durchschnittlich nur zehn Prozent ihrer Einnahmen und 15 Prozent ihrer Gesamtausgaben für IT aus. Darüber hinaus würden lediglich 36 Prozent der gesamten IT-Ausgaben im Front Office und für Initiativen eingesetzt, die Veränderungen in den Banken vorantreiben. Der Rest werde im Back Office für aufsichtsrechtliche und Compliance-Anforderungen ausgeben, heißt es weiter.

„Die IT-Ausgaben und die Bereitschaft der Banken zur Innovation unterscheiden sich erheblich je nach Region. Untersuchungen von Morgan Stanley zufolge ist der US-Bankensektor tendenziell am ehesten bereit, neue Technologien einzusetzen – allen voran US-Large-Caps. JPMorgan hat sein Technologiebudget beispielsweise von 9,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2017 auf 10,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018 aufgestockt. Zusätzlich werden fünf Milliarden US-Dollar des diesjährigen Budgets für neue technologische Entwicklungen ausgegeben. Zum Teil werden die US-Banken von der Gesetzeslage in den USA unterstützt, da die Aufsichtsbehörden FinTech-Unternehmen in der Regel wie etablierte Finanzinstitutionen behandeln. Dadurch herrschen für Banken gleiche Voraussetzungen, was es ihnen erleichtert, mit dem Tempo der digitalen Transformation in der Branche mitzuhalten“, so de Blonay.

Der europäische Bankensektor hingegen scheine am meisten durch den digitalen Fortschritt bedroht zu sein (mit Ausnahme der skandinavischen Länder). Aufgrund der Belastung durch jahrelange Negativzinsen hätten europäische Banken in der Regel nicht ausreichend in Technologie investiert, da die niedrigen Zinsen ihre Gewinnmargen stark beeinträchtigt hätten. Im Gegensatz zu den USA seien die Aufsichtsbehörden in Europa im Allgemeinen aufgeschlossener gegenüber neuen FinTech-Anbietern, was bedeute, dass die europäischen Banken Schwierigkeiten hätten, mit dem Innovationstempo Schritt zu halten. Die EU-Richtlinie PSD2 beispielsweise ermögliche es Bankkunden, Drittanbieter mit der Verwaltung ihrer Finanzen zu beauftragen, wodurch den FinTech-Unternehmen, die Lösungen für Finanzdienstleistungen anböten, die Tür geöffnet werde, heißt es weiter.

„Asiatische Banken weisen im weltweiten Durchschnitt die geringsten IT-Ausgaben auf (als Prozentsatz an Einnahmen und Ausgaben). Jedoch gibt Asien (ausgenommen Japan) inzwischen gemessen an den gesamten IT-Ausgaben am meisten für innovative Technologien aus. Gemeint ist damit wartungsfreie IT. Längerfristig gesehen könnte diese Investition in Innovation erhebliche Auswirkungen haben: Der Währungsbehörde von Singapur zufolge könnten Banken ihre Ausgaben um bis zu 30 Prozent senken, wenn sie FinTech wirksam in Bereichen wie der Automatisierung von Bankfunktionen und künstlicher Intelligenz einsetzen, welche zehn bis 20 Prozent der operativen Erträge asiatischer Banken ausmachen“, so de Blonay.

Auch wenn sie eine gewisse Bedrohung für traditionelle Finanzdienstleister darstellten, könnten FinTech-Unternehmen dem Bankensektor viele Wachstumschancen bieten. Banken seien zunehmend bestrebt, FinTech-Dienstleistungen über Partnerschaften, Investitionen oder Gründerzentren zu nutzen, während lediglich sieben Prozent es vorzögen, sämtliche Technologielösungen intern zu entwickeln. Angesichts der Rekordinvestition von 58 Milliarden US-Dollar in Deals mit 875 FinTech-Unternehmen im ersten Halbjahr 2018 sei den Banken bewusst, dass sie sich den Veränderungen stellen und ihre Geschäfte weiterentwickeln müssten, um im Wettbewerb mit neuen Anbietern nicht ins Hintertreffen zu geraten, heißt es weiter.

„Innovationen im Finanzsektor haben Investoren neue Chancen eröffnet. Dabei haben sich zwei große Lager gebildet: die im Sektor etablierten Banken und Finanzunternehmen, auch ‚adopters‘ genannt, die sich neue Technologie zunutze machen, und FinTech-Unternehmen oder ‚Enablers‘ der finanziellen Innovation, die vielfältige Dienstleistungen und Lösungen über das gesamte Spektrum der Finanztechnologie hinweg anbieten. Das Angebot der FinTech-Branche erstreckt sich über eine sehr breite Palette: von Datenanalytik über Sicherheitslösungen bis hin zu mobilen Zahlungsdiensten. Das bedeutet, dass FinTech-Unternehmen in verschiedensten Bereichen mit Banken kooperieren können, wobei die meisten ein beträchtliches Wachstumspotenzial aufweisen. Wenn die Banken willens sind, mit dem rasanten Tempo der Innovation mitzuhalten, könnten diese FinTech-Unternehmen dem traditionellen Bankensektor enorme Vorteile bieten“, so de Blonay.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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