Kommentar
16:25 Uhr, 04.04.2023

Fed: Wird sie oder wird sie nicht?

Die Zinswende nach unten wird von Anlegern inzwischen eindeutig erwartet. Ob die Fed dieser Erwartung folgt, hängt vor allem von einem Faktor ab.

Die Lage im Bankensektor hat sich wieder beruhigt. Der Aktienmarkt hat die dadurch entstandenen, moderaten Verluste wieder wettgemacht. Aus Sicht des Aktienmarktes ist die Welt wieder genauso wie sie vor der Pleite der Silicon Valley Bank war. Aus Sicht des Anleihemarktes ist sie es nicht. Dort wird eindeutig eine Zinswende nach unten erwartet. Das Zinshoch gilt inzwischen als erreicht. Bis September soll der Leitzins nun unverändert bleiben und danach sukzessive gesenkt werden. Bis Jahresende werden zwei Zinssenkungen von 0,25 Prozentpunkten erwartet. Bis Ende 2024 soll der Zins auf 3,12 % gesenkt werden (Grafik 1).

Notenbanker betonen regelmäßig, dass die Erwartung einer Zinssenkung in diesem Jahr unrealistisch ist. Das deutet nicht nur an, dass die Fed die Zinswende nicht in diesem Jahr beginnen wird, sondern gibt einen klaren Fahrplan vor. Aber wieso schließt die Fed eine Zinswende aus?

Der aktuelle Standpunkt der Notenbank lässt darauf schließen, dass sie sich vor allem über einen Faktor Sorgen macht. Es geht um den Arbeitsmarkt. Dieser kühlt nur im Schneckentempo ab. Das Lohnwachstum verlangsamt sich, doch das Reallohnwachstum steigt. Bisher liegt es im negativen Bereich. Es ist absehbar, dass es bald in den positiven Bereich vordringt (Grafik 2).

Das Reallohnwachstum gibt den Takt für die Inflation vor. Steigen Reallöhne heute, folgt die Inflation 24 Monate später (Grafik 3). Die Inflationsrate dürfte demnach ein weiteres Jahr lang rückläufig sein. Danach ist mit einer zweiten Inflationswelle zu rechnen, wenn sich das Reallohnwachstum weiter beschleunigt.

Das ist genau das, was in den 70er Jahren geschah. Die Inflation ging von 12,5 % auf 5 % zurück. Das Reallohnwachstum drang wieder in den positiven Bereich vor. Eine zweite Inflationswelle folgte prompt.

Damit aus einem ersten Rückgang der Inflation keine zweite Welle wird, dürfen die Reallöhne nicht steigen. Genau das ist zu erwarten. Solange die Fed positives Reallohnwachstum erwartet, kann sie den Zins nicht senken.

Ohne wirtschaftlichen Schock wäre eine Zinssenkung im Sommer ohnehin spektakulär. Die niedrigste Arbeitslosenrate, bei der die Fed den Zins jemals gesenkt hat, lag bei 3,8 %. Die Inflation lag zu diesem Zeitpunkt der Zinssenkung allerdings bei 2,5 %.

Heute liegt die Arbeitslosenrate bei 3,4 % und die Inflation bei 6 % und die Kerninflation bei 4,8 %. Selbst wenn diese bis September auf 4 % zurückgeht, wäre eine Zinssenkung bei so hoher Inflation und so niedriger Arbeitslosenrate ein Präzedenzfall (Grafik 4).

Zinsen werden gesenkt, wenn die Arbeitslosenrate hoch ist. Ist die Arbeitslosenrate tief, war bisher zumindest auch die Inflationsrate niedrig. Darauf zu wetten, dass bei tiefer Arbeitslosenrate und hoher Inflation die Zinsen gesenkt werden, ist mutig.

Clemens Schmale

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  • Alpha-KHS
    Alpha-KHS

    Sehr gute Ausarbeitung! Beim diesjährigen Fondskongress in Mannheim hat GS eine Folie aufgelegt, welche die Markterwartungen der US-Zinsen im Verhältnis zur tatsächlichen Entwicklung aufzeigt. Interessant ist hierbei, dass die Marktteilnehmer entweder viel zu hoch oder viel zu niedrig die Lage eingeschätzt haben. Auch im aktuellen Umfeld liegen sie mal wieder weit von der Realität. ;-)

    10:51 Uhr, 05.04.2023

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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