Kommentar
16:30 Uhr, 16.11.2021

Fällt die letzte Bastion gegen Inflation?

Inflation ist weltweit ein Thema, nur in zwei Ländern nicht. Sie sind die letzte Bastion gegen Inflation.

In den USA stieg die Inflation im Oktober auf über 6 %. In Westeuropa steuert die Rate auf 5 % zu und in Osteuropa liegt sie deutlich darüber. In Südamerika liegt die Inflation in einigen Ländern bereits im zweistelligen Bereich. Ähnlich verhält es sich in Afrika. Zwei Länder in der Welt tanzen jedoch aus der Reihe: Japan und China. Sie sind die gallischen Dörfer in einer Welt voller Inflation.

In Japan liegt die Inflationsrate bei 0,2 % und in China bei 1,5 %. Das ist bemerkenswert, denn beide Länder importieren einen Großteil der Energierohstoffe. Öl, Gas und Kohle sind derzeit teuer. Trotzdem bewegt sich die Inflationsrate kaum oder genauer gesagt, die Verbraucherpreise bewegen sich nicht.

Die Produzentenpreise zeigen deutlich nach oben. In den meisten Ländern ist die Entwicklung der Produzenten- und Verbraucherpreise ähnlich. Produzentenpreise sind volatiler als Verbraucherpreise, doch die Entwicklung ist parallel und erfolgt in ähnlichem Umfang. Das ist etwa in den USA gut zu erkennen (Grafik 1).


Der Unterschied zwischen den beiden Preisindizes lässt sich durch unterschiedliche Gewichtungen der Komponenten erklären. Tendenziell steigen Verbraucherpreise weniger stark, wenn die Produzentenpreise in die Höhe schnellen. Im Gegenzug fallen die Preise auch weniger stark, wenn die Produzentenpreise sinken.

Durch die Lieferkette werden Preisveränderungen in der Produktion und bei den Inputpreisen abgefedert. Dennoch gibt es keinen Grund, weshalb beide Preisindizes nicht einem ähnlichen Verlauf folgen sollten. Daher ist es bemerkenswert, wenn Japan praktisch noch in der Deflation steckt und die Produzentenpreise mehr als 6 % steigen (Grafik 2).


In Japan ist es der größte Preisanstieg der Produzentenpreise seit 1980. In China muss man ebenfalls weit zurückblicken. Zuletzt stiegen die Produzentenpreise vor über 25 Jahren stärker. Die Verbraucherpreise ziehen hingegen nicht mit (Grafik 3). In China bewegten sich beide Preisindizes bis 2013 zumindest parallel. Seither ist das nicht mehr der Fall. Zum Teil kam es sogar zu gegensätzlichen Bewegungen.

Ewig können Produzenten und Händler den Preisanstieg nicht zurückhalten. Früher oder später müssen sie ihn an Verbraucher weitergeben. Andernfalls drohen die Margen zu sinken. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch in Japan und China die Verbraucherpreise zu steigen beginnen. Wieso aber dauert es in diesen Ländern im Gegensatz zu allen anderen so lange, bis es zum Inflationsanstieg für Verbraucher kommt?

In China ist die Regulation dafür verantwortlich. Für wichtige Gütergruppen gibt es Obergrenzen für den erlaubten Preisanstieg für Verbraucher. Die Preise werden künstlich tief gehalten. Das lastet auf den Finanzen der Produzenten, die immer weniger Geld verdienen. China denkt über die Aufhebung einiger dieser Grenzen nach.

In Japan ist der Grund ein anderer. Verbraucher sind steigende Preise nicht mehr gewohnt. Unternehmen haben regelrecht Angst, die Preise anzuheben, da die Kunden wegbleiben könnten. Aber auch hier gilt, dass der Druck auf die Margen irgendwann zu groß wird, um die Preissteigerungen zurückzuhalten. Die zwei letzten Bastionen dürften bald fallen.

Clemens Schmale


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2 Kommentare

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  • Juancor
    Juancor

    Ein ähnliches Szenario war bei uns ja, die Weitergabe von negativen Zinsen an Kontoinhaber.

    Hat ewig gedauert bis sich die ersten Banken getraut haben, diese Negativzinsen weiterzureichen, und dann auch nur an spezielle Kundengruppen.
    Sobald das aber geschehen ist, haben weitere relativ bald nachgezogen.

    Bei der Weitergabe von höheren Produzentenpreise wird es wohl ähnlich sein.

    17:15 Uhr, 16.11.2021
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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