Kommentar
10:10 Uhr, 26.06.2020

EZB startet neues Experiment: Kommen negative Leitzinsen?

Banken interessieren sich wieder für das Geld, das die EZB anbietet. Jahrelang war das nicht mehr der Fall. Dass es nun wieder auf Interesse stößt, hat einen guten Grund.

Seit der Finanzkrise zeigen sich Notenbanken überall auf der Welt erfinderisch. Keine Notenbank ist aber so erfinderisch wie die EZB. Sie hat bisher das größte Arsenal an Instrumenten hervorgebracht. Im Gegensatz zur Fed und Bank of Japan, die vor allem Wertpapiere kaufen, bedient sich die EZB mit großer Freude an einem anderen Instrument. Bis zur Finanzkrise konnten sich Banken über kurzfristige Hauptrefinanzierungsgeschäfte (Dauer bis zu einer Woche) Geld bei der EZB beschaffen. Langfristige Refinanzierungsgeschäfte waren die Ausnahme. Um die Liquidität in Stresszeiten zu garantieren, führte die EZB Langfristrefinanzierungen flächendeckend ein. Zunächst nahmen das Banken an. Der ausstehende Betrag während der Finanzkrise stieg von 200 Mrd. auf 700 Mrd. Während der Eurokrise ging es von 300 Mrd. auf 1,1 Billionen hinauf..

Es folgten weitere LTROs ("Long Term Refinancing Operations") und TLTROs – (gezielte) Langfristrefinanzierungsgeschäfte – doch Banken machten davon immer weniger Gebrauch. Sie hatten nämlich ein Problem. Es gab zu viel Liquidität. Überschüssiges Geld muss wieder bei der EZB geparkt werden und dieses Geld wird mit einem negativen Zinssatz belegt (-0,5 %).

Die Negativzinsen kosteten Banken über 7 Mrd. Euro pro Jahr. Bereits 2019 führte die EZB ein "Tiering" ein. Dabei werden die Einlagen nicht alle pauschal mit -0,5 % verzinst. Es gibt einen Freibetrag und nur Summen, die darüber hinausgehen, werden mit negativen Zinsen versehen. Dieses Tiering reduzierte die Belastung auf ca. 1 Mrd. Euro.

Nun hat die EZB aber ein neues Experiment gewagt. Das jüngste gezielte Langfristrefinanzierungsgeschäft ermöglicht es Banken, sich Geld zu -1 % bei der EZB zu leihen. Banken machten davon mit großer Freude Gebrauch. Der ausstehende Betrag an diesen Geschäften stieg auf knapp 1,6 Billionen Euro.

Banken werden nun subventioniert. Sie zahlen keine Negativzinsen mehr, sondern erhalten Zinsen. Zunächst liegt der annualisierte Gewinn daraus bei ca. 6 Mrd. Euro (Grafik 2). Mit der Zeit nimmt dieser Gewinn ab, da QE zu höheren Einlagen bei der EZB führen und diese Einlagen sind immer noch mit Negativzinsen belegt.


Das Experiment an der Sache ist folgendes: bisher haben Notenbanken den Leitzins nicht in den negativen Bereich gesenkt. Bisher gibt es nur einen negativen Einlagensatz. Banken konnten sich zum Leitzins Geld leihen, doch dieser lag immer bei mindestens 0 %. Die EZB experimentierte mit leicht negativen Zinsen auf früheren Refinanzierungsgeschäften, allerdings lag dieser Zinssatz immer mindestens auf Höhe des Einlagensatzes, nie darunter. Jetzt ist das anders. Erstmals ist der Refinanzierungssatz deutlich tiefer als der Einlagensatz.

Ohne den Leitzins selbst anzutasten, imitiert die EZB durch ihren neuesten Streich einen negativen Leitzins. Ziel der EZB ist es zwar, Banken zu entlasten, doch nebenbei kann sie auch noch den Effekt eines negativen Leitzinses testen. Läuft das Experiment gut, wird ein negativer Leitzins vielleicht zu einem Teil der Instrumente, die zukünftig eingesetzt werden. Dann könnten sich auch irgendwann Konsumenten zu negativen Zinsen Geld leihen.

Clemens Schmale


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  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Unglaublich ... - für die Rekapitalisierung der Banken aber unerlässlich.

    12:02 Uhr, 26.06. 2020

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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