Kommentar
15:53 Uhr, 17.06.2014

EZB-Rat: Deutschland verliert an Einfluss

Der ohnehin schon geringe deutsche Einfluss auf die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte bald noch kleiner werden. Ab Anfang 2015 gilt im EZB-Rat ein Rotationsprinzip beim Stimmrecht. Bundesbank-Chef Jens Weidmann darf dann bei jeder fünften Sitzung nicht mehr mitentscheiden.

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Litauen wird voraussichtlich am 1. Januar 2015 als 19. Land in die Eurozone aufgenommen. Nach den im Jahr 2003 modifizierten Bestimmungen der EZB-Satzung haben bei mehr als 18 Euro-Ländern nicht mehr alle Vertreter der nationalen Notenbanken bei jeder Sitzung ein Stimmrecht. Künftig gilt ein Rotationsprinzip. Während die sechs Mitglieder des EZB-Direktoriums, darunter EZB-Präsident Mario Draghi, weiterhin bei jeder Sitzung mitentscheiden, gilt dies für die Vertreter der nationalen Notenbanken nicht mehr. Die Euro-Länder werden künftig aufgrund ihrer Wirtschaftskraft und der Größe ihres Finanzsektors in zwei Gruppen eingeteilt: Die fünf größten Länder, zu denen Deutschland gehört, haben künftig vier Stimmrechte. Bei jeder fünften Sitzung des EZB-Rates wird Bundesbank-Präsident Jens Weidmann also nicht mehr mitentscheiden, bei den anderen Sitzungen jeweils ein anderes der fünf größten Länder nicht. Die 14 restlichen Euro-Staaten bilden die zweite Gruppe und verfügen über zusammen elf Stimmrechte. Nach dem Rotationsprinzip werden jeweils drei Staaten aus Gruppe zwei nicht mitstimmen. Bei einer Erweiterung auf mehr als 21 Euro-Staaten in der Zukunft werden sogar drei Gruppen gebildet, wobei sich in der ersten Gruppe weiterhin die fünf wichtigsten Länder vier Stimmrechte teilen.

Die bereits vor langer Zeit beschlossene Einführung des Rotationsprinzips hat nun zu einem großen Aufschrei von Unionspolitikern und AfD-Anhängern über den zu geringen deutschen Einfluss auf die EZB geführt. Dabei ist das Rotationsprinzip weniger problematisch als die Tatsache, dass jeder stimmberechtigte Mitgliedsstaat auch künftig nur eine Stimme im EZB-Rat hat. Deutschland hat als größter Nettozahler der Euro-Rettung und mit mehr als 80 Millionen Einwohnern im EZB-Rat nicht mehr zu sagen als das kleine Luxemburg mit ungefähr 500.000 Einwohnern. Dieses Ungleichgewicht bleibt auch nach Einführung des Rotationsprinzips erhalten und kann auch zu einer groben Fehlausrichtung der Geldpolitik führen.

Diskussionen über eine Änderung der EZB-Satzung hat das Bundesfinanzministerium allerdings bereits eine Absage erteilt. „Es ist mit Blick auf den Schutz des Stabilitätsgedankens und des öffentlichen Vertrauens in die EZB nicht im Interesse der Bundesregierung, das Rotationsprinzip zu ändern oder auch nur eine Diskussion über Änderungen am EZB-Statut – und seien diese auch inhaltlich begrenzt – zu eröffnen“, zitiert die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) das Ministerium. Mit anderen Worten: Würde Deutschland jetzt Änderungen am Rotationsprinzip oder ein größeres Mitspracherecht fordern, könnten auch andere Mitgliedsstaaten Änderungen an der EZB-Satzung verlangen. Frankreich will zum Beispiel erreichen, dass die EZB-Geldpolitik sich nicht mehr nur am Maßstab der Preisstabilität orientiert, sondern stärker auf eine Wachstumsförderung ausgerichtet ist. Andere Schuldenländer könnten sich für eine indirekte Finanzierung ihrer Staatsschulden durch die EZB stark machen. Dies will die Bundesregierung aber verhindern. Dafür muss Deutschland aber wohl die Kröte schlucken, im EZB-Rat im Verhältnis zur Bevölkerung und der wirtschaftlichen Bedeutung auch künftig deutlich unterrepräsentiert zu sein.

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Über den Experten

Oliver Baron
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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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