Kommentar
09:29 Uhr, 31.07.2019

EZB plant evtl. neue Anleihekäufe - aber ist das überhaupt möglich?

Die EZB prüft gerade, ob sie wieder Wertpapiere kaufen kann. Das ist schon fast ein Bekenntnis zu einer neuen Runde QE (Quantitative Easing). So einfach ist das aber nicht.

Begonnen hat Quantitative Easing eigentlich ganz harmlos im Jahr 2014. Die EZB kaufte bestimmte Wertpapiere auf, darunter Asset-backed Securities. 2015 ging es dann richtig los. Die monatlichen Wertpapierkäufe erreichten 60 Mrd. Euro. Ein Jahr später waren es schon 80 Mrd. Ende 2018 wurde das Programm beendet. Seither reinvestiert die Notenbank fällig werdende Gelder wieder im Markt. Es wird nun aber geprüft, ob nicht ein neues Programm aufgelegt werden sollte. Zur Begründung heißt es, dass die Inflation zu niedrig sei. Wahrscheinlicher ist eher, dass sich die Notenbank Sorgen um die Staatsfinanzen macht. Eine abkühlende Wirtschaft ruft nach Konjunkturprogrammen und die erhöhen die Schulden. Da die Inflation gleichzeitig niedrig ist, kann sie neue Wertpapierkäufe rechtfertigen. In der Bilanz mangelt es sicherlich nicht an Anleihen, aber ein bisschen mehr geht immer, aber wie viel mehr?


Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Die einzelnen Euroländer halten einen bestimmten Anteil am Kapital der EZB. Nach diesem Kapitalschlüssel richten sich auch die Käufe der Anleihen. Die EZB hielt sich mehr oder minder an diesen Kapitalschlüssel. Vor allem von größeren Ländern wurde aber mehr gekauft als ihnen eigentlich zusteht (Grafik 3).

19 % aller aufgekauften Anleihen kamen aus Italien. Italien hat nach dem Kapitalschlüssel aber nur Anrecht auf 17 %. Diese Abweichung hatte einen ganz einfachen Grund. Um überhaupt die monatlichen Käufe tätigen zu können, musste die EZB bei den größeren Ländern zugreifen.

In den "besten" Zeiten von QE, als monatlich 80 Mrd. an Schulden erworben wurden, hätte die EZB in zwei Monaten sämtliche Schulden von Estland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, der Slowakei, Slowenien und Zypern aufkaufen können und hätte immer noch 20 Mrd. übrig gehabt. Um die Quote zu erfüllen, musste bei den Ländern mit viel Schulden zugegriffen werden.

Das wird sich in Zukunft natürlich nicht ändern und das ist auch in Ordnung, sofern die Abweichung vom Kapitalschlüssel gering bleibt. Hier entstehen nun bei einem neuen QE Programm ernsthafte Probleme.

Estland hat einen Kapitalanteil von 0,3 %. Das ist zwar sehr wenig, reicht aber immer noch für einen Anspruch auf Anleihekäufe von 5,5 Mrd. im zurückliegenden QE Programm. Estland hat aber weniger als 3 Mrd. an Schulden. Die EZB hätte mehr estnische Schulden kaufen müssen als es überhaupt gibt.

Gleichzeitig hat sich die EZB ein Limit auferlegt. Sie will nicht mehr als 33 % der ausstehenden Anleihen eines Landes halten. Das hat verschiedene Gründe. Einerseits schränkt es die Liquidität massiv ein, andererseits könnte die EZB bei Neuverhandlungen der Schulden als Haupteigentümer der Anleihen praktisch die Bedingungen eigenhändig ablehnen bzw. diktieren.

Da die EZB 35 % der estnischen Anleihen hält, kann sie nicht mehr kaufen. Kauft sie von anderen Ländern einfach weiterhin Anleihen, geht die Rechnung mit dem Kapitalschlüssel überhaupt nicht mehr auf, noch weniger als jetzt. Daher könnte die EZB das Limit auf 50 % erhöhen.

Hält sich die EZB dann an den Kapitalschlüssel und das Limit von 50 %, kann sie noch einmal zulangen und maximal das Kaufen, was in Grafik 4 abgebildet ist. Die EZB hat knapp 370 Mrd. italienischer Staatsanleihen aufgekauft. Mit dem höheren Limit könnten noch einmal 200 Mrd. hinzukommen. Die EZB würde dann 24 % aller ausstehenden italienischen Anleihen halten.

2 Billionen an Anleihen wurden bereits erworben. Durch ein höheres Limit könnten noch einmal 1,34 Billionen hinzukommen. So groß wird ein neues QE Programm nicht, wenn die EZB noch Spielraum behalten will. Sie könnte aber durchaus QE wieder starten und begrenzt auf 1-2 Jahre 30 Mrd. pro Monat erwerben. Viel mehr ist kaum denkbar.

Clemens Schmale

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2 Kommentare

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  • bembes
    bembes

    Wir können das gerne ablehnen. Merkel und CO !!! werden daran festhalten. Siehe Flinten-Uschi !!

    08:27 Uhr, 03.08.2019
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Ich habe gestern dazu ein interessantes Interview mit Herrn Gauweiler gehört, der gegen diese QE Programme geklagt hat. Es ist einfach unfassbar, wie eine supranationale Institution am Budgetrecht der Parlamente Fakten in Europa schafft. Ein Grund mehr, dass Europa, so wie es sich heute in Brüssel darstellt abzulehnen.

    10:31 Uhr, 31.07.2019

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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