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08:06 Uhr, 08.07.2019

EZB: Neue Runde quantitativer Lockerung?

Nach der Wahl von Christine Lagarde als EZB-Chefin scheinen nach Einschätzung von Wolfgang Bauer, Fondsmanager im Anleiheteam bei M&G Investments, in der Eurozone wieder alle Optionen auf dem Tisch zu liegen.

London (GodmodeTrader.de) - Nach der Wahl von Christine Lagarde als EZB-Chefin scheinen in der Eurozone wieder alle Optionen auf dem Tisch zu liegen, um die europäische Inflation zu stützen. Dazu würde auch eine neue Runde quantitativer Lockerung zählen. Wie sich Anleiheinvestoren in diesem Umfeld positionieren können, beleuchtet Wolfgang Bauer, Fondsmanager im Anleiheteam bei M&G Investments, in seinem aktuellen Kommentar.

„In seiner Rede im portugiesischen Sintra vor einigen Wochen ließ der scheidende EZB-Präsident Mario Draghi die Tür für eine weitere Lockerung der Geldpolitik in der Eurozone weit offen. Das weckte bei vielen Marktteilnehmern die Hoffnung auf eine Wiederbelebung des Programms zum Ankauf von Wertpapieren“, schreibt Bauer.

Ein solches Programm würde mit ziemlicher Sicherheit eine neue Version des Programms zum Ankauf von Unternehmensanleihen beinhalten, auch bekannt als Corporate Sector Purchase Programme oder CSPP. Die aktuellen Risikoaufschläge in dieser Anlageklasse wiesen darauf hin, dass die Märkte bereits mit der Ankündigung einer solchen Maßnahme bei der EZB-Sitzung im September rechneten – nennen wir sie CSPP2. Sollte die EZB die Markterwartungen nicht erfüllen, könnten die Bewertungen europäischer Unternehmensanleihen unter Druck geraten. Wenn die EZB aber tatsächlich wieder in einem beträchtlichen Umfang Unternehmensanleihen kaufe, sollten europäische Unternehmensanleihen mit Investment Grade (IG) im Großen und Ganzen davon profitieren, heißt es weiter.

„Je nachdem, welche Schwerpunkte die EZB wählt, würden bestimmte Segmente des europäischen IG-Marktes stärker profitieren als andere. Nimmt man das Verhalten in der Vergangenheit als Indikator für die Zukunft, dann sollten französische Unternehmen und der Versorgungssektor am meisten von einem CSPP2-Programm unterstützt werden. Allerdings ist der Versuch, die Aktivitäten von Zentralbanken vorherzusagen, immer schwierig. Sollte es überhaupt ein CSPP2 geben, können wir zum heutigen Zeitpunkt über eventuelle Details nur Vermutungen anstellen“, so Bauer.

Die EZB könnte die Märkte überraschen. Genau das habe sie auch im März 2016 getan, als sie das ursprüngliche Ankaufprogramm für Unternehmensanleihen skizziert habe und die meisten Marktteilnehmer nicht erwartet hätten, dass bonitätsschwache Unternehmensanleihen mit BBB-Rating und sogar Crossover-Titel für das Anleihekaufprogramm in Frage kämen. Eine solche Überraschung könnte diesmal beispielsweise die Einbeziehung von vorrangigen Bankanleihen sein. Banktitel machten fast 30 Prozent des Gesamtvolumens von in Euro ausgegebenen IG-Anleihen aus. Eine solche Aktion würde das Anlageuniversum der EZB stark erweitern, heißt es weiter.

„Für europäische Banken würden damit die Risikoaufschläge und damit auch die Finanzierungskosten sinken: Eventuelle neue Zinssenkungen würden sich so weniger negativ auf die Rentabilität der Banken auswirken. Die Einbeziehung von Bankanleihen würde aber auch Probleme mit sich bringen. Für die EZB könnte das ein Interessenskonflikt sein, denn am Ende würde sie damit genau die Institute finanzieren, die sie regulieren und überwachen soll“, so Bauer.

12 Kommentare

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  • wizardmw
    wizardmw

    Verschwinden die Notenbanken und der Wachstumswahn, verbunden mit dem zwanghaften Konsumwahn, passiert auch das Klimawunder

    15:44 Uhr, 08.07. 2019
    1 Antwort anzeigen
  • wizardmw
    wizardmw

    Kann ich mein Darlehen an meinen Kumpel, der leider Privatinsolvenz anmelden musste, auch bei der EZB abladen???? Leute, die Welt ist kaputt. Wahnsinn eigentlich, wie die Leute das hinnehmen und das Spiel einfach mitspielen.

    08:49 Uhr, 08.07. 2019
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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