Fundamentale Nachricht
14:14 Uhr, 04.02.2022

EZB nervös / Bank of England kämpferisch

Andreas Billmeier, Europäischer Volkswirt bei Western Asset Management, Teil von Franklin Templeton und David Zahn, Head of European Fixed Income bei Franklin Templeton kommentieren die geldpolitischen Entscheidungen von EZB und Bank of England.

Andreas Billmeier, Europäischer Volkswirt bei Western Asset Management, Teil von Franklin Templeton, zur EZB-Sitzung:

"Auf der heutigen Pressekonferenz zeigte sich EZB-Präsidentin Lagarde sichtlich nervös darüber, wie sich die überraschenden Inflationszahlen im Dezember und Januar auf den mittelfristigen Konjunkturausblick auswirken könnten. Sie betonte die kurzfristigen Risiken für die Aufwärtsentwicklung der EZB-Inflationsprognose, verwies aber auf die detailliertere Beurteilung im März, um einen Ausblick auf die mittelfristige Entwicklung geben zu können.

Wir glauben, dass die EZB langsam ihre Einstellung ändert: Sie muss nicht mehr signifikante Lohnerhöhungen "sehen", um Zinserhöhungen zu rechtfertigen, sondern sie kann diese Lohnerhöhungen auf der Grundlage des allgemeinen Konjunkturumfelds, einschließlich eines angespannten Arbeitsmarktumfelds und der Inflationserwartungen, ‘vorhersehen‘. In diesem Zusammenhang sind wir der Ansicht, dass die morgen veröffentlichten umfragebasierten Inflationsmesswerte sich nach oben verschoben haben und nun mit dem Inflationsziel von 2 Prozent übereinstimmen werden, so dass nur noch der Anstieg der Lohninflation fehlt - der aber immer wahrscheinlicher wird.

Unserer Ansicht nach könnte diese Einschätzung auf der Juni-Sitzung erfolgen und eine Zinserhöhung im vierten Quartal rechtfertigen. Wir gehen jedoch davon aus, dass die EZB an der Reihenfolge festhalten wird, erst die Nettokäufe von Vermögenswerten zu beenden, bevor sie die Zinsen anhebt, und halten daher eine Zinserhöhung im Juni dieses Jahres für nicht wahrscheinlich."

David Zahn, Head of European Fixed Income bei Franklin Templeton zur EZB-Sitzung sowie zur Sitzung des geldpolitischen Ausschusses der Bank of England:

"Sowohl der geldpolitische Ausschuss der Bank of England als auch die EZB hielten heute hawkish orientierte Pressekonferenzen ab. Die Bank of England hat die kämpferische Stimmung mit einer Zinserhöhung eingeleitet, die wir als Signal für eine anhaltende Straffung der Politik in Großbritannien sehen. Darüber hinaus zeigen der Stopp der Wiederanlage von britischen Staatsanleihen und der aktive Verkauf von Unternehmensanleihen aus der Bilanz der Bank of England, dass der geldpolitische Ausschuss entschlossen handeln will, um die Inflation zu senken. Wir gehen davon aus, dass der britische Anleihenmarkt höhere Renditen verzeichnen wird, bis klarer absehbar ist, wann der Zinserhöhungszyklus enden wird.

"Im Gegensatz dazu hat die EZB heute ihre offizielle Erklärung vom Dezember unverändert gelassen und die quantitative Lockerung fortgesetzt, aber die Pressekonferenz war deutlich hawkish-orientierter, ohne dass die Zinserhöhungen, die jetzt am kurzen Ende der Zinskurve eingepreist sind, zurückgenommen wurden. Damit werden die offiziellen Entscheidungen auf die EZB-Sitzung im März verschoben, auf der die Wirtschaftsdaten neu prognostiziert werden. Wir gehen jedoch davon aus, dass der Anleihemarkt in Erwartung eines Kurswechsels der EZB im März weiter ansteigen wird, angeführt von italienischen Anleihen."

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