Kommentar
07:30 Uhr, 20.04.2015

EZB-Kaufprogramm: Die Magie des Mario Draghi

Chefmagier Draghi begeisterte die Märkte vergangene Woche durch einen neuen verbalen Zauber, obwohl er eigentlich nichts Neues sagte.

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Die EZB tagte vergangene Woche. Eigentlich war das alles unspektakulär, wären da nicht zwei Vorkommnisse gewesen. Während der Pressekonferenz wurde Draghi mit Konfetti attackiert. Draghi machte nach der Unterbrechung wieder einen souveränen Eindruck und scherzte darüber. Betrachtet man das Video dazu, dann war Draghi im Moment des Angriffs wohl nicht ganz so souverän. Man könnte sogar von blankem Entsetzen sprechen.

Gerechnet hatte wirklich niemand damit, dass so etwas möglich ist. Das zeigt schon, wie lange es brauchte, um die Angreiferin von Draghi wegzubekommen. Anscheinend gibt es kein besonders gutes Protokoll für Angriffe auf den EZB Präsidenten während einer Pressekonferenz. Bisher war das auch nicht notwendig. So können sich die Zeiten ändern.

Schon Mitte März, als die neue EZB Zentrale in Frankfurt eröffnet wurde, kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Wäre die Zentrale vor wenigen Jahren eröffnet worden, dann hätte das wahrscheinlich niemanden auch nur irgendwie berührt. Es wäre eine Kurzmeldung in den Nachrichten gewesen. Dauer ca. 10 Sekunden. 2015 ist aber nicht mehr 2006, 2009 oder 2014. 2015 ist eine neue Zeit. Die EZB hat ihre Bazooka ausgepackt und schießt munter vor sich hin. Ob sie damit mehr Schaden anrichtet oder Schlimmeres verhindert wissen wir noch nicht. Eines kann man jedoch sagen: die EZB fesselt und knebelt den Markt mit ihrer Politik stärker als es die US Notenbank in den vergangenen Jahren getan hat.

Damit komme ich zum zweiten Ereignis der Pressekonferenz. Anleger und Analysten waren skeptisch, ob die EZB ihr Anleihenkaufprogramm überhaupt durchhalten kann. Die EZB hat Kriterien aufgestellt, die sie in ihren Käufen einschränkt. Anleihen mit einer Rendite von weniger als 0,2% sollen nicht mehr gekauft werden. Gleichzeitig will die EZB nicht mehr als 25% einer bestimmten Anleihe halten. Mit diesen zwei Einschränkungen dürfte es vor allem schwer werden, ausreichend deutsche Anleihen zu finden.

Man muss sich nur das ausstehende Anleihevolumen und die Renditen der Bundesanleihen ansehen, um festzustellen, dass es sehr schwierig wird, bis September nächsten Jahres durchzuhalten. Mit den korrekten Daten kann das jedes Kindergartenkind in einer Minute selbst nachrechnen. Die wenigsten haben es getan und werden es wohl auch nie, denn Draghi hat einen neuen Zauber vorgeführt, indem er sagte: es wird keine Probleme geben, das Programm umzusetzen. Wenn er es sagt, dann muss es wohl stimmen...

Natürlich ist es Unsinn. Notenbanken behaupten seit Jahren das, was sie glauben behaupten zu müssen. Ob das wirklich gerechtfertigt ist, interessiert keinen. Wenn es hart auf hart kommt, dann kann man immer noch zu einer neuen Schlussfolgerung kommen. Der Markt hat es jedenfalls erst einmal geschluckt, ob mit Begeisterung oder Erschrecken, das sei dahingestellt.

Sichere Bundesanleihen wurden jedenfalls nach der Pressekonferenz heftigst gekauft. Dafür war sicherlich nicht allein Draghi verantwortlich. Die Nervosität im Markt steigt schon eine ganze Weile. Die Anleiherenditen in den Peripherieländern steigen seit einem Monat bereits wieder an. Damit liegen die Renditen allerdings noch immer unter vergleichbaren Renditen in den USA. Vor allem im Vergleich zu Deutschland sind die Renditen in den USA fast astronomisch hoch. Die 10-jährigen Bundesanleihen notieren nur noch sehr knapp im positiven Bereich. Das bisherige Tief wurde bei 0,053% erreicht.

Die Grafik zeigt den Verlauf von 10 jährigen Bundes- und US Anleihen. Sie bewegen sich grundsätzlich parallel. Die Renditedifferenz, der Spread, wird seit 2012 immer größer. Bedenkt man, dass US Anleihen bei 1,9% Rendite stehen, ist der aktuelle Spread von gut 1,8 Prozentpunkten schon ziemlich außergewöhnlich. Noch deutlicher wird der Ausnahmezustand, wenn man sich den relativen Spread ansieht. Der relative Spread ist der Spread dividiert durch die US Rendite. Er zeigt also an wie hoch der Spread ium Verhältnis zur US Rendite ist. Momentan liegt der Spread bei ca. 1,8%. Die US Rendite liegt bei 1,9%. Der relative Spread beträgt daher 95%. Da die Rendite deutscher Titel deutlich niedriger ist hat der relative Spread einen negativen Wert. Mit fast -100% ist der relative Spread so außergewöhnlich niedrig, dass man schon gar nicht mehr weiß, was man sagen soll.

Es sieht schon fast wie eine Blase aus, die sich da bildet. Unter normalen Umständen wäre es so, aber 2015 ist nicht gerade ein Jahr normaler Umstände. Der Spread kann sich durchaus noch ausweiten. Das könnte auch noch einmal Konsequenzen für den Euro Wechselkurs haben, obwohl ich das nicht glaube. Die Renditedifferenz zwischen Deutschland und den USA liegt bei 1,8%. Rechnet man das großzügig auf 10 Jahre hoch, dann kann man mit US Anleihen über 10 Jahre 20% mehr verdienen als mit Bundesanleihen. Im Vergleich zur gesamten Eurozone beträgt die Überrendite für 10 Jahre lediglich 10%. Der Euro hat gegenüber dem USD in der Spitze ein Viertel an Wert verloren. Das ist fundamental eine Überreaktion und lässt sich durch die Zinsdifferenz nicht mehr rechtfertigen. Würde man die Inflation in die Rechnung noch miteinbeziehen, dann wäre die Übertreibung noch deutlich offensichtlicher.

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6 Kommentare

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    Magier Mario wurde mit Konfetti angegriffen. Er kam mit dem Schrecken davon, Lafontaine, Schäuble, Herrhausen hatten dieses Glück nicht. Die EZB wird den Vorfall zum Anlass nehmen, ihre Sicherheitsvorkehrungen zu optimieren. Wieso kam es zu diesem Übergriff auf Mario Draghi? Weil es Zeitgenossen gibt, die das perfide Spiel der Notenbanken durchschauen und stinksauer sind. Marios Rettungstango klingt in ihren Ohren eher wie Spiel mir das Lied vom Tod

    23:07 Uhr, 20.04. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • bembes
    bembes

    Unser Rechenkünstler Draghi weiss alles besser !! Hoffentlich findet er bald in Deutschland keine Anleiher mehr !! Wäre ihm zu wünschen, dem Super-Spekulanten !!

    07:43 Uhr, 20.04. 2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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