EZB ist an mehreren Fronten gefordert
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Zürich (BoerseGo.de) – In seiner aktuellen Marktkolumne schaut Alessandro Bee, Ökonom bei der Bank Sarasin & Cie auf die vielfältigen Probleme der Europäischen Zentralbank (EZB) im Kampf gegen eine Zuspitzung der Euro-Schuldenkrise.
Die EZB ist Bee zufolge dabei gleich an drei Fronten gefordert: Der Euro-Geldmarkt ist ausgetrocknet, die vorlaufenden Indikatoren weisen auf eine mögliche Rezession in Eurozone hin und Italien droht in einen Schuldenstrudel abzugleiten.
Die größte Gefahr geht nach Einschätzung des Experten vom Euro-Geldmarkt aus. Der Beinahe-Zusammenbruch des Geldmarktes nach der Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers gelte als einer der Hauptgründe für die außerordentlich tiefe Rezession im Jahr 2009. Auch heute sei das Vertrauen der Banken untereinander schwer angeschlagen. „Jedoch verfügt die EZB nach dem Lehman-Zusammenbruch über die nötige Erfahrung, um eine weitere Eskalation am Geldmarkt zu vermeiden“, ist Bee überzeugt. „Damals versorgte die EZB das europäische Bankensystem mit der nötigen Liquidität, welche die Banken nicht mehr bereit waren, sich gegenseitig zu gewähren. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet dürfte daher am Donnerstag bekanntgeben, dass das Angebot an Geldmarkt-Krediten in den nächsten Monaten massiv erhöht wird“.
Das zweite Problem stellt Bee zufolge die Konjunktur dar. Die Eurozone leide nicht nur unter der Schuldenkrise – mittlerweile befindet sich die Währungsunion auch in einem scharfen Wirtschaftsabschwung. Dies rechtfertige eine Lockerung der Geldpolitik, insbesondere da Trichet erst im Sommer eine Erhöhung der Leitzinsen von einem auf 1,5 Prozent vorgenommen hat. „Mit einer raschen Zinssenkung an der Sitzung vom Donnerstag und im November zurück auf das alte Niveau von einem Prozent kann die EZB ihren Willen unterstreichen, der konjunkturellen Abkühlung nicht kampflos zuzuschauen, so Bee.
Für den Sarasin-Ökonom ist das dritte Problem, mit dem sich die EZB herumschlagen darf, Italien. Damit das Land langfristig seine Schulden stabilisieren kann, dürfen die Zinsen nicht über fünf bis 5,5 Prozent ansteigen, ansonsten gerate es in einen Teufelskreis von steigenden Zinsen und steigender Verschuldung. Die EZB sei die einzige Institution, die in der kurzen Frist mit dem Ankauf von italienischen Anleihen die Zinsen unter diesem kritischen Wert halten kann. Kaufe sie jedoch italienische Anleihen, nehme sie den Druck von der italienischen Regierung, die dringend notwendigen Ersparnisse und Strukturreformen vorzunehmen: Für Bee ein wahres Dilemma. „Der EZB wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als weiterhin italienische Anleihen zu kaufen, aber informell Druck auf Italien auszuüben, um die nötigen Reformen voranzutreiben“, schließt der Experte.
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