EZB hat geldpolitische Spielweise in Europa verändert
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Nach Ansicht der Experten von J.P. Morgan Asset Management haben sich durch die Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) die Spielregeln der Eurozonen-Märkte verändert: „Die großangelegten Anleihekäufe der EZB sorgen für eine veränderte Dynamik der Märkte“, erklärt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt. Dass sich die EZB verpflichtet hat, ab März 2015 über 18 Monate hinweg monatlich Anleihen im Wert von 60 Milliarden Euro zu erwerben, wird laut dem Experten vielschichtige Auswirkungen auf die Märkte haben. „Das quantitative Lockerungsprogramm geht mit einer Abwertung des Euro einher, zudem fördert es eine expansivere Haushaltspolitik. Nicht zuletzt werden Anleger damit förmlich in risikoreichere Investments gedrängt“, so Galler weiter. Davon sollten beispielsweise Aktien profitieren: „Die Liquidität der Anleger, die ihre Anleihen an die EZB verkauft haben, kommt anderen Anlageklassen zugute – so wird für viele Investoren der Aktienmarkt zunehmend interessanter“.
Insgesamt sieht er die Maßnahmen der EZB lediglich als einen von mehreren Faktoren für bessere Aussichten für Anleger in diesem Jahr an: „Gemeinsam mit signifikant gesunkenen Energiekosten, gelockerten Kreditbedingungen, stärkerer Kreditnachfrage und einer geringeren Haushaltszurückhaltung schafft die schwache Währung ein förderliches Umfeld für europäische risikobehaftete Anlagen.“ Die Attraktivität der europäischen Länder sei jedoch nicht nur auf Aktien beschränkt, sondern gelte momentan auch für Rentenwerte. Auch lohne ein Blick auf die Länder außerhalb der Eurozone „Mit höheren Renditen und einer größeren Anzahl von Kreditratings mit AAA- als die Anleihenmärkte der Eurozone könnten die europäischen Länder mit eigener Währung bedeutende Kapitalzuflüsse anziehen“, erläutert Tilmann Galler.
Deflationsrisiko für Schwellenmärkte
Im internationalen Kontext spielt der US-Dollar weiterhin eine erhebliche Rolle, da dessen Aufwertung, in Verbindung mit niedrigen Rohstoff- und insbesondere Ölpreisen, die Inflation weltweit drückt. „Gerade für Schwellenländer mit einer bislang erhöhten Inflation wie etwa Türkei, Südafrika, Indien und Indonesien bedeutet die Entwicklung eine Erleichterung, verringert sie doch die Notwendigkeit einer starken geldpolitischen Straffung. Für andere Emerging Markets, in denen sich die Inflation bereits auf niedrigem Niveau befindet, verstärkt der Verfall der Ölpreise hingegen die Sorgen um deflationäre Tendenzen. So verläuft die Inflation in vielen dieser Länder bereits unter den anvisierten Zielgrößen der jeweiligen Zentralbanken“, erklärt Tilmann Galler.
Das Risiko einer Deflation lässt sich insbesondere am Erzeugerpreisindex (PPI) festmachen, der sich in einem Großteil der Schwellenländer seit Längerem in deflationärem Rahmen bewegt, ohne dass dafür ausschließlich schwache Rohstoffpreise verantwortlich gemacht werden könnten – schließlich fällt auch der wesentliche PPI (ohne Nahrungsmittel und Energie) für die Schwellenländer seit etwa Mitte 2014 ebenfalls. Bemerkenswert ist zudem, dass der Verbraucherpreisindex (VPI) in den Schwellenländern aufgrund der schwächeren Gesamtnachfrage ebenfalls rückläufig ist.
„Unser Basisszenario für 2015 sieht dennoch weiterhin ein disinflationäres Umfeld in den Schwellenländern vor“, erläutert Tilmann Galler. „Das Risiko einer deflationären Spirale halten wir im Fall der meisten Schwellenländer immer noch für gering, da einige wesentliche Faktoren entgegenwirken. So sollten die direkten Auswirkungen der schwächeren Ölpreise – vorausgesetzt, diese fallen nicht noch weiter – auf die Inflation nur vorübergehender Natur sein; auf einen Verfall nach Erreichen der Talsohle folgt schließlich fast ausnahmslos eine Erholung. Je attraktiver sich die Ölpreise gestalten, desto stärker dürfte die künftige Nachfrage nach Öl sein, was wiederum die Preise wieder steigen ließe. Das legt nahe, dass sich im späteren Verlauf dieses Jahres eine Belebung der Inflationszahlen des Verbraucherpreisindex ergeben dürfte.“
Einen Motor für eine höhere Inflation in den Schwellenländern sieht Galler zudem im Zusammenwirken der weiterhin starken US-Wirtschaft auf der einen Seite und einer quantitativen Lockerung der EZB zur Ankurbelung der Wirtschaft auf der anderen Seite: „Beides sollte allmählich zur Steigerung der globalen Nachfrage nach Exporten aus den Emerging Markets beitragen und damit für Inflation sorgen.“ Als wesentlichen Aspekt sieht Galler auch den Umstand, dass die Zentralbanken der Schwellenländer anders als ihre Pendants in den Industrienationen im Allgemeinen über ausreichend Spielraum für Zinssenkungen verfügen, die sie als Reaktion auf Deflationsrisiken einsetzen können. „Korea, China, Indien, Polen und Chile haben die Zinssätze bereits in den letzten Monaten angesichts des niedrigeren Inflationsdrucks gesenkt – wir rechnen in der nächsten Zeit auch mit Zinssenkungen in Thailand, Ungarn und der Türkei“, erklärt Tilmann Galler. Er sieht diesen Umstand zudem als potenziellen Treiber an der Börse: „Erwartungen hinsichtlich einer geldpolitischen Lockerung in bestimmten Schwellenländern verheißen kurzfristig Gutes für die lokalen Aktienmärkte.“
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