Kommentar
13:44 Uhr, 06.08.2014

EZB hält sich die Tür für weitere Maßnahmen offen

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Juni ein solides Paket geldpolitischer Maßnahmen beschlossen und bei Bedarf weitere Schritte zugesagt, um Deflation abzuwenden und den nach wie vor brüchigen Konjunkturaufschwung in der Eurozone zu stützen. Zu den angekündigten Maßnahmen zählen auch Zinssenkungen, einschließlich eines Negativzinses auf Bankguthaben bei der EZB, sowie neue Mechanismen zur Förderung der Kreditvergabe an kleinere Unternehmen. Die EZB signalisierte ferner das Ende der kompensierenden – oder „sterilisierenden“ – Ankäufe von Anleihen im Rahmen ihres Securities Markets-Programms.

Nach unserem Eindruck klang EZB-Präsident Mario Draghi defensiver als zuvor. Dabei war der eindeutig entgegenkommende Tenor der vorgestellten EZB-Maßnahmen unserer Ansicht nach ungleich bedeutsamer als inhaltliche Details. Manche Analysten hatten ein quantitatives Lockerungsprogramm (QE) durch die gezielte Ausgabe von Euros zum Kauf finanzieller Vermögenswerte prognostiziert, das wir jedoch seinerzeit als unwahrscheinlich erachteten. Insgesamt schienen die Marktteilnehmer überrascht von der Aggressivität der EZB.

Von den im Juni angekündigten Schritten konnte die EZB die Zinssenkung recht gut kommunizieren, doch der Negativzins auf EZB-Einlagen erschien weitgehend symbolisch, da er nur die überschüssigen Reserven von Banken aus der Eurozone betrifft und daher nur begrenzte Marktwirkung zeigen dürfte. Die angedachten gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs), die Banken der Eurozone Ausleihungen bei der EZB zu extrem niedrigen Zinsen ermöglichen, waren ein wichtiger Schritt. Die Kredite bieten Banken für ganze vier Jahre billige Finanzierungsmöglichkeiten – diesmal mit angemessener Laufzeit. Zuvor hatte die EZB den Fehler gemacht, zu kurzfristige Kredite anzubieten, was neue Probleme nach sich zog.

Die Einführung der TLTROs hebt einen Schwerpunkt der EZB hervor, nämlich die Kreditvergabe der Banken, die in unseren Augen wesentlich ist für die Steigerung des derzeit in der Eurozone festzustellenden schwachen Wachstums. Doch der Fokus der EZB liegt bei Weitem nicht nur auf Anreizen zur verstärkten Kreditvergabe. Das Spektrum an eingeführten Maßnahmen bestätigt tatsächlich, dass Draghi nicht versucht, den Erfolg der EZB auf einer einzigen Strategie aufzubauen. Stattdessen bemüht er sich, auf unterschiedlichem Wege die Liquidität zu steigern und die Inflation anzuheizen. Die EZB will wohl sehen, welche Strategie am besten funktioniert, und diese dann verstärkt einsetzen – oder etwas anderes ausprobieren, wenn kein Ansatz den erhofften Erfolg bringt.

Bezüglich des Ausblicks sollten die Anleger unseres Erachtens nicht vergessen, dass die EZB zugesagt hat, bei Bedarf weitere quantitative Maßnahmen zu prüfen. Uns ist aufgefallen, dass Draghi zuvor geäußert hatte, die Zinsen könnten noch sinken, diesmal jedoch lediglich von weiterhin niedrigen Sätzen sprach. Das lässt vermuten, dass künftig andere Maßnahmen im Vordergrund stehen. Er hat klargestellt, die EZB werde weitere unkonventionelle Maßnahmen ergreifen, falls weiterhin schwache Wirtschaftsdaten das erfordern – insbesondere, falls die Inflations- und Wachstumsprognosen nach unten korrigiert werden.

Als wahrscheinlichstes Szenario erachten wir noch weitere EZB-Maßnahmen, die letztlich in diesem oder Anfang des nächsten Jahres in einem direkten QE-Programm münden dürften. Unseres Erachtens geht Draghi angesichts des bereits erfolgten spürbaren Renditerückgangs äußerst geschickt vor und lässt vielfach den Markt für sich arbeiten. Mit seinem letzten Maßnahmenpaket bleibt er vermutlich im Trend. Dessen ungeachtet hat Draghi klargestellt, das ein QE-Programm durchaus vom EZB-Mandat gedeckt sei und längerfristig ins Auge gefasst werden könnte.

Aus breiterer Perspektive zeigen die Maßnahmen der EZB, dass sich die Notenbanken in verschiedenen Teilen der Welt in ganz unterschiedlichen Phasen des Konjunkturzyklus befinden. In Europa lockert die EZB ihre Geldpolitik eindeutig weiter und wird dies unserer Meinung nach noch jahrelang tun. Japan begann Anfang 2013 mit direkter QE-Politik und druckt immer noch Geld, obwohl die USA ihr QE- Programm bereits zurückfahren. Global erhöht sich die Liquidität noch, die den Kapitalmärkten zugeführt wird, was die Vermögenspreise unserer Überzeugung nach hinlänglich stützen dürfte.

Insgesamt sind die Rahmenbedingungen für die europäischen Rentenmärkte nach unserem Eindruck günstig. Wir erkennen dort Wertpotenzial, aber in anderen Regionen ebenfalls. Angesichts der lockeren EZB-Politik könnten als „riskant“ einzustufende Papiere wie hochverzinsliche Unternehmensanleihen oder Aktien profitieren. Wir interessieren uns unter solchen Umständen für Wertpapiere, die höhere Renditen erzielen. Wir suchen daher weiterhin nach relativem Wert unter den Anleihen stärker verschuldeter und weniger wohlhabender Euroländer – der sogenannten Peripherie der Eurozone, deren größte Länder Spanien und Italien sind.

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