Kommentar
15:42 Uhr, 08.07.2014

EZB-Geldspritzen können beliebig verwendet werden

Die EZB versucht mit neuen Geldspritzen die Kreditvergabe in der Eurozone anzukurbeln. Die Bedingungen der sogenannten TLTROs werden es aber nicht verhindern können, dass die Gelder doch wieder in die Kapitalmärkte fließen.

Die EZB hat Anfang Juni neue zweckgebundene Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) mit einer Laufzeit von vier Jahren angekündigt. Notenbankchef Mario Draghi hat bei der Pressekonferenz in der vergangenen Woche nun weitere Details bekannt gegeben:

Im Rahmen der ersten beiden Tranchen im September und Dezember können die Banken aus der Eurozone bis zu 400 Mrd Euro aufnehmen. Diese Summe entspricht 7 Prozent der zum 30. April 2014 ausstehenden Kredite an Unternehmen und Haushalte (ohne Wohnimmobilienkredite). Ziel der Geldspritzen ist es, die Kreditvergabe anzukurbeln. Die Banken werden daher dazu verpflichtet, die Gelder vorzeitig im September 2016 zurückzuzahlen, wenn sie ihre Kreditvergabe nicht ausweiten. Maßgeblich hierfür ist die Nettokreditvergabe während der Referenzperiode vom 1. Mai 2013 bis 30. April 2014.

Zwischen März 2015 und Juni 2016 soll es sechs weitere Tender geben, bei denen eine weitere Mittelaufnahme möglich ist. In den Genuss dieser Geldspritzen sollen aber nur Banken kommen, die ihre Kreditvergabe im Vergleich zur Referenzperiode bereits ausgeweitet haben. Dabei muss allerdings zwischen zwei Gruppen von Banken unterschieden werden. Institute mit einer positiven Nettokreditvergabe im Referenzzeitraum können bei diesen Tendern Mittel in einer Höhe bis zum 3-fachen Volumen ihrer ab April 2014 durchgeführten Nettokreditvergabe aufnehmen. Das mögliche Volumen ist damit etwas höher als zuletzt erwartet, da die absolute Nettokreditvergabe maßgeblich ist und nicht nur die Ausweitung im Vergleich zur Referenzperiode. EZB-Chef Mario Draghi hat die potenzielle Mittelaufnahme auf bis zu 1.000 Mrd Euro beziffert. Bei Banken mit einer rückläufigen Nettokreditaufnahme während der Referenzperiode, reicht ein weniger starker Rückgang aus, um Mittel in Anspruch nehmen zu können. Damit soll ein zu starker Anreiz zur Beendigung des notwendigen Deleveraging-Prozesses vermieden werden.

Fazit

  • Bei den ersten beiden Tendern können ALLE Banken aus der Eurozone Mittel aufnehmen und die Gelder nach Belieben verwenden. Sofern die Nettokreditvergabe nicht ausgeweitet wird, müssen die Gelder im September 2016 zurückgezahlt werden.
  • Bei den weiteren sechs Tendern kommen nur Banken zum Zug, die ihre Nettokreditvergabe von April 2014 bis zum jeweiligen Tender ausgeweitet haben oder den Abwärtstrend zumindest gebremst haben. Die Mittel können aber erneut beliebig verwenden werden.

Wie bereits erwartet können die Bedingungen der TLTRO nicht garantieren, dass die Mittel tatsächlich für eine zusätzliche Kreditvergabe verwendet werden. Es gibt keinerlei Zwang oder Auflagen abgesehen von einer vorzeitigen Rückzahlung der Gelder. Dem Einsatz der Mittel am Kapitalmarkt steht daher nichts entgegen.

Kritik vom ifo-Präsidenten

ifo-Chef Hans-Werner Sinn hat kritisiert, dass die EZB mit dem TLTRO-Programm ihr Mandat überschreitet. Die Deflationsdebatte werde genutzt, um eine Politik der quantitativen Lockerung vorzubereiten, die jedoch nicht dazu diene, Deflation zu bekämpfen, sondern um Banken zu retten, sagte er der Zeitung die "Welt". "Wenn die EZB toxische Kreditforderungen von den Banken abkauft, werden die Bilanzen der Banken gerettet." Damit würden die Banken für den EZB-Stresstest fit gemacht - was ein Nebeneffekt der Aktion sei, wenn nicht gar "implizit das Ziel". Aber es stelle sich die Frage, ob die EZB das überhaupt darf oder tun sollte, meint Sinn. In einer kapitalistischen Marktwirtschaft müsse es auch Konkurse geben.

2 Kommentare

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  • student
    student

    die Mittel von 1000 Mrd. Euro können nach Belieben verwendet werden. . .

    Wenn man Interesse daran hätte, die reale Wirtschaft mit ihrer Bevölkerung zu unterstützen, würde man die Kreditvergabe an die Bedingung knüpfen, das Geld in produktive Bereiche der Industrie und der Infrastruktur zu investieren. Das ist nicht der Fall. Ich erinnere daran, dass im EZB-Vertrag der Passus steht, dass die Nationalstaaten innerhalb von 7 Tagen bis zu 1000 Mrd an die EZB überweisen müssen, sofern die EZB das will.

    Wenn ich sehe, wie 1000 Mrd Euro einfach so für PleiteBanken sinnlos zum Fenster herausgeschmissen werden, überschreitet die EZB nicht nur ihr Mandat, sie hat keine sinnvolle Funktion mehr für die reale Wirtschaft, außer ihr sinnlose und damit staatsschädigende Schulden aufzubürden. Ein GoldmanSachs-Bänker tut eben alles, um das parasitäre Bankensystem bis zum letzten zu unterstützen.

    Von Gemeinwohl und Realwirtschaft ist da lange schon nicht mehr die Rede.

    Anscheinend ist das der eigentliche Zweck der EZB . . .

    13:34 Uhr, 09.07. 2014
  • reinerle
    reinerle

    es spielt keine Rolle mehr was die EZB so alles an retterei daherbringen wird. der Gau ist da!

    20:55 Uhr, 08.07. 2014

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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