Kommentar
08:51 Uhr, 01.12.2021

EZB: Doch die geschickteste Notenbank von allen?

Selbst die US-Notenbank ließ sich zuletzt dazu hinreißen, eine schnellere Straffung der Geldpolitik vorzusehen. Nur die EZB hält noch die Stellung.

Noch vor wenigen Tagen wirkte die Position der EZB wie ein Experiment, das mehr auf Hoffen als auf Vernunft beruhte. Die Inflation ist hoch und wird auch überdurchschnittlich hoch bleiben. Mit jedem weiteren Tag verschieben sich auch die Inflationserwartungen der Marktteilnehmer und Bürger nach oben.

Lösen sich erst die Inflationserwartungen von der Zielmarke der Notenbank, ist es sehr schwierig, sie wieder dorthin zurückzubewegen. Ebenso wie es für längere Zeit höhere Inflation braucht, um die Erwartungen nach oben zu bewegen, benötigt man tiefe Inflation, um die Erwartungen wieder nach unten zu drücken.

Tiefe Inflation können Notenbanken nur erzwingen, indem sie die Zinsen kräftig anheben. Das bremst die Wirtschaft und führt zu höherer Arbeitslosigkeit. Das kann niemand wollen, doch es ist die einzige Möglichkeit, die bleibt. Der Kampf gegen zu hohe Inflation schadet dem Durchschnittsbürger.

Genau ein solches Szenario schien die EZB geradezu zu provozieren, indem sie sich beharrlich jeglicher Diskussion über eine Straffung der Geldpolitik widersetzte. Selbst die Fed, die sich geduldig zeigte, schwenkte um. Innerhalb weniger Tage äußerten sich vier Notenbanker dahingehend, dass man QE auch schneller abwickeln könnte.

Das ließ die Zinserwartung ansteigen, nachdem sie noch nach dem Zinsentscheid Anfang November (es wurde Geduld versprochen), gefallen waren. Das alles war vor wenigen Tagen. Nun kommt ein neuer Coronaschreck. Die große Angst kehrt zurück. Schon sinken die Zinserwartungen wieder (Grafik 1). Was, wenn es wieder flächendeckende Lockdowns gibt?


Das Wirtschaftswachstum kann unter diesen Umständen nur negativ ausfallen. Eine Rezession spricht gegen die Straffung der Geldpolitik. Gegen staatlich verordnete Lockdowns hilft jedoch Geldpolitik wenig. Die Notenbank ist machtlos. Sie muss und kann sich unter diesen Umständen nur auf ein geldpolitisches Ziel fokussieren: Inflation.

Lockdowns scheinen auf den ersten Blick für eine lockere Geldpolitik zu sprechen. Das macht nur bedingt Sinn. Dennoch erscheint die Haltung der EZB jetzt plötzlich gar nicht mehr so unplausibel. Während alle anderen auf eine straffere Geldpolitik einschwenken, just in dem Moment, da Ängste wieder aufflammen, hielt die EZB still.

Das wirkt geschickt. Abwarten und die Lage zu beobachten erscheint nun sinnvoll. Andere Notenbanken sind vorausgeeilt. Die globale Zinswende läuft bereits auf Hochtouren (Grafik 2). Angesichts der neuen Lage bzw. der neuen Ängste, erscheint das nun problematisch. Ist die EZB am Ende mit ihrer abwartenden Haltung die geschickteste Notenbank?


Wohl kaum. Eine Fortsetzung der Pandemie und neuerliche Lockdowns dämpfen die Inflation nicht, sondern heizt sie weiter an. Das Inflationsproblem wird dadurch nicht kleiner, es wird größer. Dazu, wieso das so ist, an anderer Stelle mehr.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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