Kommentar
14:14 Uhr, 12.04.2022

EZB-Dilemma am Donnerstag: Wird sie oder wird sie nicht?

Die EZB wird die Zinsen definitiv nicht anheben, dafür aber könnte der Zinsentscheid auf andere Art ein Beben auslösen.

Die EZB hat bisher immer beteuert, dass sie die Zinsen erst anhebt, wenn das Anleihekaufprogramm beendet ist. Derzeit sieht der Fahrplan Anleihekäufe bis zumindest ins dritte Quartal vor. Eine Zinsanhebung am Donnerstag ist daher unwahrscheinlich. Sie ist nur vorstellbar, wenn die EZB den Zinsschritt mit dem abrupten Ende von QE verkündet. Bei allem Inflationsdruck ist dies kaum denkbar. Es wäre ein großer Schock für den Markt und wenn die EZB eines vermeiden will, dann ist es ein Schock.

Trotzdem ist der Zinsentscheid von großer Bedeutung. Die Eurozone sieht sich mit einer ungünstigen Mischung an Umständen konfrontiert. Am besten lässt sich die Situation anhand der jüngsten Befragung von Unternehmen darstellen. Bereits vor Beginn des Ukrainekriegs blickten Unternehmen skeptischer in die Zukunft. Der Ukrainekrieg hat den Trend beschleunigt.

Die Erwartungen, dass die Produktion oder die Beschäftigung steigen, sind deutlich gefallen. Das Auftragsbuch ist (noch) gefüllt. Alle Indikatoren gehen mehr oder weniger stark zurück, nur die Preiserwartung nicht. Diese erreicht in der Umfrage ein neues Allzeithoch (Grafik 1). Die Aussage ist einfach wie beunruhigend: Das Wachstum wird sich verlangsamen, die Preise weiter und deutlich steigen.

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Die Arbeitslosenraten sind zwar niedrig, doch ob das so bleibt, wenn Unternehmen weniger Einstellungen planen, bleibt abzuwarten. Auch ohne hohe Arbeitslosigkeit zeigen die Daten an, dass die Wirtschaft in eine Stagnation rutschen dürfte, während Inflation weiter um sich greift. Im besten Fall bleibt die Arbeitslosenrate niedrig, die Wirtschaft wächst minimal und die Inflation bleibt hoch.

Im schlechten Fall kommt es zur Rezession, die Arbeitslosenraten steigen und ebenso die Preise. Das wäre eine Wiederholung der Stagflation der 70er Jahre. Bisher fehlt „nur“ die hohe Arbeitslosigkeit, um die Bedingungen für eine Wiederholung zu erfüllen. Eine Wirtschaft, die stagniert und hohe Inflationsraten ausweist, ist allerdings auch ohne hohe Arbeitslosigkeit alles andere als schön.

Die Frage ist, wie die EZB nun reagiert. Das Wachstum wird bereits gebremst. Dafür ist auch die US-Notenbank verantwortlich. Die Renditen in der Eurozone steigen, seitdem die Fed eine Straffung angekündigt hat. Die Straffung schwappte auf die Eurozone über. Die Unternehmensstimmung und Zinsen sind negativ korreliert. Auch ohne Krieg würde sich ab jetzt ein Abschwung einstellen (Grafik 2).

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Das Dilemma liegt auf der Hand. Die Wirtschaft anschieben und die Inflation gleichzeitig senken, das geht nicht. Der Krieg, Preisschock und die Unsicherheit könnten jedoch ausreichen, um die Wirtschaft von allein zu bremsen. Zinsschritte werden nicht benötigt. Die Erwartungshaltung des Finanzmarktes ist jedoch klar. Eine Zinswende ist fest eingepreist und der Druck aus Ländern wie Deutschland wird größer. Bei einer Inflationsrate von 7 % und mehr einfach abzuwarten, diesem Druck hält auf Dauer keine Notenbank stand.

Am Donnerstag wird die EZB daher aller Voraussicht nach die Weichen für die geldpolitische Straffung stellen. Bisher hat sie QE zwar reduziert, aber am eigentlichen Zeitplan noch nichts geändert. Sie hat lediglich die Tür für einen früheren Zinsschritt geöffnet. Am Donnerstag wird sich zeigen, ob die EZB auch durch die offene Tür geht. Es wird spannend.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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