EZB-Ausblick: Lagarde dürfte heute stillhalten
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Nach zehn Zinserhöhungen in Folge dürfte der Hauptrefinanzierungszins (der eigentliche Leitzins) heute bei 4,5 % und der Einlagensatz bei 4,0 % belassen werden. So jedenfalls die überwiegenden Erwartungen der Ökonomen im Vorfeld des Zinsentscheids um 14.15 Uhr und der Pressekonferenz ab 14.45 Uhr. Allerdings war auch bereits für den letzten Zinsentscheid keine weitere Anhebung erwartet worden, obwohl die EZB dann doch noch einmal an der Zinsschraube drehte.
Ob das aktuelle Zinsniveau ausreichen wird, um die Inflation nachhaltig wieder auf das 2%-Ziel zu senken, ist nicht ganz sicher. Aktuell befinden sich die Zinsen ungefähr auf der Höhe der Inflationsrate. Diese lag im September in der Eurozone bei 4,3 % und die Kerninflation bei 4,5 %. Für Oktober und die Folgemonate wird allerdings mit einem deutlichen Rückgang gerechnet.
Möglicherweise könnte die EZB aber am Donnerstag einen etwas schnelleren Abbau ihrer Bilanzsumme in Aussicht stellen. So könnte die EZB ein früheres Ende der Reinvestitionen ihres Pandemie-Anleihenkaufprogramms PEPP verkünden. Aktuell werden Erlöse aus fälligen Anleihen (anders als beim Anleihenkauprogramm APP, wo die Reinvestitionen bereits beendet wurden) weiter reinvestiert. Bisherigen Angaben zufolge wollte die EZB dies auch bis mindestens Ende 2024 fortsetzen. Nun könnte aber bereits ein Stopp der Reinvestitionen zum Ende 2023 oder für das Frühjahr 2024 verkündet werden, meinen einige Ökonomen. Grund dafür ist, dass ein Ende der PEPP-Reinvestitionen Ende 2024 als eine Straffung der Geldpolitik interpretiert werden könnte, was dann nicht mehr zu dann möglicherweise anstehenden Zinssenkungen passen könnte. Andererseits eröffnen die PEPP-Reinvestitionen der EZB aktuell Flexibilität, um einer Ausweitung der Renditespreads zwischen unterschiedlichen Euro-Ländern entgegenzuwirken. Es ist ungewiss, ob die EZB tatsächlich auf diese Flexibilität verzichten will.
Was Ökonomen und Fondsmanager zum bevorstehenden EZB-Zinsentscheid sagen
Es folgen einige Zitate von bekannten Volkswirten und Fondsmanagern zum bevorstehenden Zinsentscheid:
Ulrike Kastens, Volkswirtin Europa bei der DWS:
„Erstmals seit Juli 2022 dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) auf ihrer Sitzung am 26. Oktober 2023 keine Erhöhung der Leitzinsen beschließen. Mit einem Einlagensatz von vier Prozent ist nach Ansicht vieler EZB-Vertreter ein ausreichend hohes Zinsniveau erreicht, um die Auswirkungen der restriktiven Geldpolitik auf Inflation und Wachstum zu beobachten. Dass die EZB bereit ist, dieses hohe Zinsniveau über einen längeren Zeitraum beizubehalten, dürfte erneut die zentrale Botschaft von Präsidentin Lagarde sein. (...) Ein weiteres Thema sind die Reinvestitionen des Pandemic Emergency Purchase Program (PEPP), die eigentlich noch bis mindestens Ende 2024 erfolgen sollen (...) Im Oktober erscheint eine Entscheidung über die Reinvestitionen noch fraglich, wir gehen aber davon aus, dass im Dezember eine Ankündigung erfolgen dürfte, bereits im Frühjahr 2024 die Reinvestitionen zu reduzieren.“
Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege Privat- und Firmenkunden, Postbank:
„Ich erwarte (...), dass die EZB am Donnerstag erstmals seit Beginn des aktuellen Zinszyklus eine Zinspause einlegt und ihren Einlagensatz bei vier Prozent belässt. Die EZB dürfte auf die Gefahr einer anhaltend zu hohen Inflation – beispielsweise als Folge steigender Ölpreise – hinweisen und zusätzliche Zinsanhebungen nicht ausschließen. Ergänzende Instrumente der Geldpolitik könnten stärker in den Vordergrund rücken, wie eine mögliche Straffung der Mindestreservepolitik oder eine beschleunigte Rückführung des pandemischen Anleihekaufprogramms. Mit einer ersten Leitzinssenkung rechne ich derzeit nicht vor Mitte 2024.“
Ulrich Kater, Chefvolkswirt Deka:
„Bei dieser Ratssitzung ist mit keiner Änderung der Leitzinsen zu rechnen, aber die Mitglieder werden kontrovers über die Formulierungen diskutieren, mit denen sie den Ausblick auf die zukünftige Geldpolitik beschreiben. Die hohe Unsicherheit über den mittelfristigen Inflationsausblick dürfte zu einer Patt-Situation im EZB-Rat führen, die eine längere Phase unveränderter Leitzinsen wahrscheinlich macht.“
Konstantin Veit, Portfolio-Manager und Leiter der European Rates- und Short-Term Desks beim Vermögensverwalter PIMCO:
„Der geldpolitische Zyklus hat nun ein Stadium erreicht, wo sich die Risiken einer zu starken und einer zu schwachen Straffung die Waage halten. Daher glauben wir, dass die Europäische Zentralbank auf ihrer Oktobersitzung die Leitzinsen unverändert belassen wird. Wir gehen nicht davon aus, dass der EZB-Rat seine derzeitige Richtlinie zur Wiederanlage im Anleiheportfolio ändern wird. Vielmehr erwarten wir, dass eine vorgezogene Kürzung der Reinvestitionen im Rahmen des Pandemie-Notfallprogramms (PEPP) zur Diskussion steht. Vorerst sprechen jedoch Unsicherheiten um die Reform des fiskalischen Regelwerks für den Euroraum, die jüngst steiler werdenden Zinsstrukturkurven sowie die Spread-Ausweitungen von Euro-Staatsanleihen gegen eine gravierende Entscheidung auf der kommenden Sitzung.“
Hugo Le Damany, Economist und François Cabau, Senior Eurozone Economist, bei AXA Investment Managers:
„Der EZB-Rat wird auf seiner Oktober-Sitzung den Einlagezinssatz bei 4,0 Prozent belassen und damit keine Änderung vornehmen. Die betonte Notwendigkeit einer längeren Phase mit hohen Zinssätzen wird voraussichtlich bestehen bleiben. (...) Wir sind weiterhin der Ansicht, dass es für einen schnellen Bilanzabbau noch zu früh ist. Eine Entscheidung über das Einstellen der Reinvestitionen im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramm (PEPP) wird daher auch frühstens im Dezember fallen.“
Shaan Raithatha, Senior Economist, Vanguard Europe:
„Wir gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bei der kommenden Sitzung am Donnerstag eine Pause einlegt und den Zinssatz für die Einlagefazilität bei vier Prozent belassen wird, und rechnen mit einer vergleichsweise ereignisarmen Sitzung. (...) Wir halten weiterhin an unserer Einschätzung fest, dass die EZB die Zinssätze mindestens bis zur zweiten Hälfte des Jahres 2024 unverändert lassen wird.“
Guillermo Felices, Global Investment Strategist bei PGIM Fixed Income:
„Die EZB sollte die Zinserhöhungen vorerst abgeschlossen haben und auf absehbare Zeit beim aktuellen Zinssatz bleiben. Obwohl sich die Wirtschaft der Eurozone verlangsamt, besteht weiterhin ein Inflationsproblem. Als inflationsorientierte Zentralbank hat die EZB allerdings nicht viel Spielraum, die Zinssätze in nächster Zeit zu senken (...). Das Wichtigste, worauf Anleger am Donnerstag achten sollten, ist, ob die EZB Ankündigungen zur Bilanzpolitik macht. Es besteht das Risiko, dass sie ihren Bilanzabbau beschleunigt, indem sie ein früheres Ende der Reinvestitionen ihres PEPP-Programms ankündigt als bisher geplant (bis mindestens Ende 2024).“
Jill Hirzel, Senior Investment Specialist bei Insight Investment:
„Aus geldpolitischer Sicht ist die EZB-Sitzung am Donnerstag mehr oder weniger beschlossene Sache, denn eine Änderung der Zinspolitik ist höchst unwahrscheinlich. Daher werden alle Augen auf Präsidentin Lagarde gerichtet sein und darauf, ob ihr Ton sich angesichts der Abschwächung der Wirtschaftsdaten in den letzten Wochen ändert. Die Fragestunde nach der Sitzung wird ebenfalls im Mittelpunkt stehen. Es wird erwartet, dass die EZB das Ende der Reinvestitionen aus ihrem pandemischen Notkaufprogramm für Anleihen, das derzeit bis Ende 2024 läuft, bekannt geben wird.“
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