EZB-Anleihenkäufe: Rüge ohne Wirkung
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Die Europäische Zentralbank (EZB) hat beim Staatsanleihekaufprogramm kompetenzwidrig gehandelt und der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Billigung dieses Verhaltens nicht nachvollziehbar argumentiert. Das prangern wir an, doch wenn es künftig besser erklärt wird, kann damit fortgefahren werden.
So lässt sich überspitzt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in der Causa Anleihekäufe in der Eurozone zusammenfassen. In erstaunlich direkten Worten wirft das deutsche Gericht der EZB vor, nicht im Rahmen ihrer primärrechtlich eingeräumten Kompetenzen gehandelt zu haben und die Verhältnismäßigkeit ihrer Geldpolitik in den Jahren 2015 bis 2018 nicht ausreichend geprüft zu haben. Dem EuGH wirft es ebenfalls Kompetenüberschreitung vor, sowie in seiner Urteilsfindung wesentliche Sachverhalte ("völliges Ausblenden aller wirtschaftspolitischen Auswirkungen") außen vor gelassen zu haben. Der Bundesregierung wirft sie wiederum vor, nicht gegen das Kaufprogramm vorgegangen zu sein.
Die Wortwahl der Verfassungsrichter ist sicherlich überraschend und dürfte weitere Wellen im innereuropäischen Zusammensspiel von nationalen und europäischen Gerichten schlagen. Für die Anleihekäufe der EZB sehen wir jedoch unmitelbar keine Auswirkungen.
Das liegt zum einen daran, dass das Urteil sich auf das im März 2015 aufgelegte Public Sector Purchase Programme (PSPP) und nicht das aktuelle Kaufprogramm (Pandemic Emergency Purchase Programme, PEPP) bezieht. Doch die Brücke vom PSPP zum PEPP wäre von neuen Klägern und Gerichten schnell zu schlagen. Immerhin finden der Kapitalschlüssel und das Emittentenlimit von 33 Prozent im PEPP keine zwingende Anwendung. Daher ist der zweite Grund der wichtigere: Das BVerfG kommt zum Schluss, dass sich das Problem im Wesentlichen lösen ließe, wenn die EZB eingehender die Verhältnismäßigkeit ihres Handelns darlegen würde.
Angesichts des Zugriffs der EZB auf eine große volkswirtschaftliche Analyseabteilung und wortgewaltigen Experten zweifeln wir nicht daran, dass ihr dieser Nachweis in Zukunft gelingen sollte. Überhaupt stellte das BVerfG fest, dass kein Verstoß gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung vorläge, da das Anleihekaufprogramm an zahlreiche Auflagen gebunden sei, was direkter Staatsfinanzierung entgegenstünde.
Was ändert sich für die Zukunft? Das BVerfG sieht den Bundestag und die Bundesregierung in der Pflicht, auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die EZB zu drängen, besonders für die Reinvestitionsphase vom 1. Januar 2019 bis zum November 2019. Darüber hinaus soll die EZB binnen drei Monaten in einem Beschluss nachvollziehbar darlegen, dass die Mittel, zu denen sie zur Erreichung ihrer währungspolitischen Ziele greift, nicht unverhältnismäßig sind, und alle damit verbundenen wirtschafts- und finanzpolitischen Auswirkungen hinreichend berücksichtigt seien. Ansonsten dürfte die Bundesbank nicht mehr am Anleihekaufprogramm teilnehmen. Trotz der bekannten Vorbehalte der Bundesbank gegenüber dem Programm gehen wir nicht davon aus, dass sie hier dem Votum der EZB widersprechen würde.
Das BVerfG fordert zudem, dass die Staatsanleihebestände langfristig zurückgeführt werden sollen, gab hierfür allerdings keinen konkreten Zeitrahmen vor. In keinem der Punkte sehen wir ein Hindernis für die EZB, an ihrem bisherigen Kurs festzuhalten, womit sich an der bestehenden Geldpolitik kurzfristig nichts ändern sollte.
Die Nebenwirkungen ihrer Politik genauer zu durchleuchten und zu kommunizieren war hingegen ohnehin schon das erklärte Ziel der neuen EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Ihr dürfte bewußt sein, dass sie ansonten mit wachsendem Widerstand der nördlichen Eurozonenländer rechnen müsste, denen die bedingungslose "weiter so"-Politik ihres Amtsvorgängers zunehmend missfiel. Insofern sollte die EZB mit diesem Urteil gut leben können, zumal das BVerG wohl nicht ohne Absicht in vielen Punkten vage genug geblieben ist, um der EZB keinen Gesichtsverlust zuzufügen und genügend Handlgungsspielraum zu gewähren.
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