Kommentar
13:55 Uhr, 08.07.2021

EZB erhöht Inflationsziel und berücksichtigt Klimawandel

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihr Inflationsziel angepasst und will künftig den Klimawandel bei ihren geldpolitischen Entscheidungen explizit berücksichtigen. Das sind die wichtigsten Ergebnisse der längerfristigen Strategieüberprüfung der EZB.

Bisher hatte die EZB die Preisstabilität als eine Inflationsrate von "unter, aber nahe zwei Prozent" definiert. Im Rahmen der EZB-Strategieüberprüfung hat sich die EZB nun ein neues Inflationsziel verordnet. Künftig wird eine jährliche Teuerungsrate von zwei Prozent angestrebt, und zwar im mittelfristigen Zeitfenster. Im Laufe der Jahre hat sich der Begriff der Preisstabilität nach EZB-Definition stark gewandelt, von "unter zwei Prozent" über "unter, aber nahe zwei Prozent" auf nun "zwei Prozent".

Die EZB betont, dass das neue Inflationsziel symmetrisch ist. "Dieses Ziel ist symmetrisch, d. h. negative Abweichungen von diesem Zielwert sind ebenso unerwünscht wie positive." Zugleich weist die EZB explizit darauf hin, dass vorübergehend auch eine moderat höhere Inflation akzeptiert werden könnte. "Wenn die nominalen Zinssätze in einer Volkswirtschaft in der Nähe ihrer effektiven Untergrenze liegen, sind besonders kraftvolle oder lang anhaltende geldpolitische Maßnahmen nötig, um zu verhindern, dass sich negative Abweichungen vom Inflationsziel verfestigen. Dies geht unter Umständen damit einher, dass die Inflation vorübergehend leicht über dem Zielwert liegt."

Die EZB will außerdem an ihren Leitzinsen als dem primären geldpolitischen Instrument festhalten. Andere Instrumente wie Forward Guidance (längerfristige Kommunikation zur Entwicklung der Geldpolitik), Ankauf von Vermögenswerten (Anleihenkäufe) und längerfristige Refinanzierungsgeschäfte sollen aber "fester Bestandteil des Instrumentariums der EZB" und je nach Bedarf eingesetzt werden.

Das Inflationsziel der EZB bezieht sich weiterhin auf den Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI). Dies sei weiterhin der angemessene Maßstab, um Preisstabilität zu beurteilen, schreibt die EZB. Die Kosten selbst genutzten Wohneigentums, die bisher im HVPI nicht berücksichtigt werden, will die EZB mittelfristig in den HVPI aufnehmen. Dies sei aber ein Unterfangen von mehreren Jahren, so die EZB. In der Zwischenzeit sollen Inflationsmaßstäbe wie Preisveränderungen beim selbst genutzten Wohneigentum zusätzlich zum HVPI berücksichtigt werden.

Auch den Klimaschutz will die EZB künftig explizit berücksichtigen. Der Klimawandel habe "tiefgreifende Auswirkungen auf die Preisstabilität". Die EZB hat sich dementsprechend zu einem ehrgeizigen klimabezogenen Aktionsplan verpflichtet. Der Plan sieht vor, dass Klimaschutz stärker bei geldpolitischen Entscheidungen berücksichtigt wird, dass die Datenbasis und die Modellbildung in Bezug auf den Klimaschutz verbessert werden soll und dass Erwägungen zum Klimaschutz auch beim Aufkauf von Unternehmensanleihen durch die EZB berücksichtigt werden. So sollen künftig zumindest Unternehmen vom Anleihenaufkauf ausgeschlossen werden, die die EU-Regeln zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens verletzten.

Fazit: Mit ihrer neuen geldpolitischen Strategie verschafft sich die EZB mehr Flexibilität als bisher, besonders bei einem temporären Anstieg der Inflation. So ist künftig explizit vorgesehen, ähnlich wie bei der US-Notenbank Fed seit dem vergangenen Jahr, dass die Inflationsrate mittelfristig das Ziel von zwei Prozent auch überschreiten kann. Die EZB stellt sich so gewissermaßen einen Blankoscheck aus, ihre ultralockere Geldpolitik trotz eines Anstiegs der Inflation, wie zuletzt bereits zu beobachten war, zumindest vorübergehend fortsetzen zu können. Ähnlich führt auch die Einbeziehung des Klimawandels zu mehr Spielraum für die EZB. So können unpopuläre Entscheidungen in Zukunft womöglich auch mit dem Klimawandel begründet werden, was Kritik an den EZB-Entscheidungen erschwert und die EZB weniger angreifbar macht.

Ab 14.30 Uhr stellt EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Ergebnisse der Strategieüberprüfung in einer Pressekonferenz vor, die live bei Youtube übertragen wird (Link).


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2 Kommentare

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  • Korelewp
    Korelewp

    ja genau,

    EZB mit einer Soziologin an der Spitze hat sehr viel Gemeinsamkeiten mit dem Kommunismus

    20:55 Uhr, 08.07. 2021
  • mkgeld
    mkgeld

    ja der Euro wird zur Schlachtbank geführt. Für mich heißt das nichts anderes wie raus aus dem Fiatgeld The next Big Short

    14:54 Uhr, 08.07. 2021

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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