Eurozone zwischen Siechtum und EZB-Nebelschleier
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Berlin (BoerseGo.de) - An den Kapitalmärkten macht die Eurokrise derzeit eine kleine Pause. Doch auch wenn der DAX unbeirrt Kurs auf die Marke von 10.000 Punkten nimmt, ist dies kein Indiz dafür, dass die Krise vorbei oder gar gelöst ist. Der Aktienmarkt zeigt lediglich an, dass enorm viel billiges Geld im System ist, welches nach Anlagemöglichkeiten sucht. Die Börsenhausse kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Perspektiven der Währungsunion nach wie vor alles andere als rosig sind, wie Andreas Leckelt, Geschäftsführer der LARANSA Private Wealth Management GmbH, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.
Von den ursprünglichen Stabilitätsvereinbarungen für die Eurozone sei inzwischen nicht mehr viel übriggeblieben: Eigenverantwortung für die nationalen Schulden, Maastrichter Schuldengrenzen, Verbot der monetären Staatsfinanzierung – all das stehe bestenfalls noch auf dem Papier. Aus der „unabhängigen“ Notenbank EZB ist eine fiskalische Institution geworden, die Staatsanleihen der schwächsten Mitgliedsländer ohne Rücksicht auf die Bonität aufkaufe. Auf diese Weise sollen Länder wie Griechenland und Italien in der Währungsunion gehalten werden. Dies sei nichts anderes als Schöpfung von Geld ohne echten Gegenwert. Allerdings könnten die betreffenden Länder mit diesem Geld derzeit im Euroraum reale Güter erwerben. Spätestens wenn es zu offiziellen Abschreibungen der von der EZB und dem europäischen Rettungsfonds ESM gehaltenen Problempapieren komme, würden die enormen Kosten der Eurorettung für den deutschen Steuerzahler sichtbar. Dass es zu diesen Abschreibungen kommen werde, sei mehr als wahrscheinlich, denn das Siechtum der Eurozone setze sich hinter dem Nebelschleier der EZB-Garantien weiter fort, heißt es.
„Ein Blick hinter die Kulissen zeigt deutlich, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Peripheriestaaten keineswegs wieder hergestellt ist. Die Arbeitslosigkeit in Südeuropa nähert sich dem Niveau der Weimarer Republik. In Spanien und in Griechenland liegt die Arbeitslosenquote der Jugendlichen unter 25 Jahren bei 56 Prozent bzw. 61,7 Prozent. Auch an der Schuldenfront ist keine Entspannung zu verzeichnen. In Italien, Spanien, Irland, Portugal und Frankreich ist die Verschuldung im Jahr 2013 weiter deutlich angestiegen. Dabei betrug das Haushaltsdefizit der beiden vermeintlichen Musterknaben Spanien und Irland Ende des Jahres 7,4 Prozent bzw. 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts! Auf Basis des jetzt erreichten Schuldenniveaus werden viele Staaten der Eurozone zweifellos einen Schuldenschnitt benötigen“, so Leckelt weiter.
Vor diesem Hintergrund stünden die Zeichen in Griechenland bereits auf Neuwahlen. Im Februar müsse der Nachfolger des Präsidenten Papoulias bestimmt werden. Dazu benötige die Regierung eine Drei-Fünftel-Mehrheit im Parlament. Diese könne die Regierung ohne die linke Syriza-Partei allerdings nicht erreichen. Das Problem: Die Linke liege in allen Meinungsumfragen deutlich vorn und ihr Chef Alexis Tsipras habe bereits angekündigt, im Falle eines Wahlsieges aus allen Programmen mit der EU auszusteigen und sämtliche Zahlungen an die EZB einzustellen. Auch bei den Wahlen zum Europaparlament droht das Szenario, dass eine erstarkte, breite Verhinderungskoalition der Euro-Gegner (vom französischen Front National bis zur Alternative für Deutschland), die EU lahmlege. Last but not least dürfte der europaweite Stresstest der EZB, sollte er ernst gemeint sein, einige große europäische Banken als zu kapitalschwach identifizieren. Ein tragfähiges europäisches Auffangnetz gebe es aktuell jedoch nicht. Wie unter solchen Panikbedingungen, Unternehmen in Spanien, Portugal und Italien Investitionen finanzieren sollen, bleibe bis dato ein ungelöstes Rätsel. Mit der Ruhe in der Eurozone könne es also nach wie vor sehr schnell wieder vorbei sein, heißt es weiter.
„Ein rationaler Investor sollte sich darauf vorbereiten, dass das Jahr 2014 nicht so ruhig verlaufen wird wie das vergangene Jahr. Investoren, die noch in europäischen Anleihen investiert sind, sollten sich spätestens auf dem aktuellen Niveau fragen, ob sie für das Risiko noch angemessen entschädigt werden. Das Versprechen von EZB-Chef Mario Draghi, alles tun zu wollen, um den Euro zu retten, hin oder her. Wer garantiert den Investoren, dass in Anbetracht der teilweise hoffnungslosen wirtschaftlichen Situation nicht auch andere Regierungen in der Eurozone auf den Gedanken kommen, sich eines Teils ihrer Schulden durch einen ‚freiwilligen‘ Verzicht zu entledigen. Da die föderalen Strukturen in der Eurozone weiterhin fehlen und die Politik auf ihrem Weg dorthin nicht vorankommt, wird der Euro früher oder später erneut an den Rand des Abgrundes torkeln“, so Leckelt.
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