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08:32 Uhr, 02.10.2015

Europäische Hochzinsanleihen sind solide, bergen aber auch Risiken

Gewinnsituation und Makrodaten sind nach Meinung von Tim Dowling, Head of Credit Investments & Lead Portfolio Manager Global High Yield bei NN Investment Partners, für europäische HY-Titel nach wie vor günstig.

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  • EURO STOXX 50
    ISIN: EU0009658145Kopiert
    Kursstand: 3.102,00 Punkte (Deutsche Bank Indikation) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Den Haag (GodmodeTrader.de) - Im dritten Quartal war das Marktumfeld für High Yield (HY) als Assetklasse weltweit schwierig. Grund war in erster Linie die steigende Risikoaversion unter den Anlegern. Risikoreiche Anlageformen wie Hochzinsanleihen reagierten empfindlich auf die erkennbare Abkühlung der Weltkonjunktur, ausgelöst durch die Krise in China, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, wie Tim Dowling, Head of Credit Investments & Lead Portfolio Manager Global High Yield bei NN Investment Partners, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Bei den HY-Renditen habe sich eine ungewöhnlich starke Divergenz zwischen den Regionen abgezeichnet. So hätten die Renditen in Europa die US-Renditen deutlich übertroffen. Das habe vor allem an der positiven Marktreaktion auf den Ausgang des bislang letzten Akts des griechischen Dramas sowie Anzeichen für eine nachhaltige Erholung gelegen. Die US-Renditen seien insbesondere im unteren Bereich der Ratingskala schwach ausgefallen. Die Underperformance amerikanischer HY-Anleihen sei hauptsächlich durch die starke Benchmark-Gewichtung von Emittenten aus den Energie- und Baustoffmärkten bedingt. Ganz allgemein habe die Assetklasse „Credits“ bei Exponierung gegenüber dem Rohstoff- und Energiesektor sowie globalen Wachstumsthemen unterdurchschnittlich abgeschnitten. Grund seien die wachsenden Sorgen um die chinesische Wirtschaft, Emerging Markets, Weltkonjunktur und fallende Rohstoffpreise gewesen. Aus Bonitätssicht sei der Trend eindeutig in Richtung „Risk-Off“ gegangen: Höher geratete Credits hätten besser abgeschnitten als Titel mit geringer Kreditqualität, heißt es.

„In den letzten Monaten kam es im amerikanischen Energiesektor infolge niedriger Preise für Öl, Erdgas und Kohle zu Ausfällen in den Bereichen Energie, Bergbau & Metall; weitere Ausfälle sind wahrscheinlich. Außerhalb dieser Sektoren sind die Ausfallraten indes weiterhin niedrig. Dennoch wird sich die Stimmung gegenüber US High Yield-Anleihen angesichts der Bedeutung dieser Sektoren auf kurze Sicht kaum verbessern. Sobald die Rohstoffpreise – vor allem der Ölpreis – die Talsohle durchschritten haben, könnte dies eine Trendwende anstoßen“, so Dowling.

Vor diesem Hintergrund sei es kaum vorstellbar, dass der europäische HY-Markt völlig immun sei gegen all die widrigen Faktoren, die dem US-Hochzinsanleihemarkt zusetzten. Zweifelsohne werde der sinkende Ölpreis zu weiteren Ausfällen im Energiesektor führen. Das gelte jedoch insbesondere für die USA. Der Energiesektor mache rund 15 Prozent des US-Hochzinsmarktes aus, während dieser Anteil in Europa nur bei höchstens zwei Prozent liege, heißt es weiter.

„Eine größere Gefahr für den europäischen HY-Markt stellen wahrscheinlich Investitionsströme dar, die für den europäischen Markt wohl noch wichtiger sind als für das amerikanische Pendant. Während wir bei US-HY-Anleihen sowohl in diesem als auch im vergangenen Jahr Abflüsse erlebt haben, verzeichneten europäische Hochzinsanleihen seit Jahresbeginn einen 16%igen Zustrom beim verwalteten Vermögen (nach plus zehn Prozent 2014). Stimmungsumschwünge und anschließende Kapitalabflüsse stellen natürlich potenzielle Negativfaktoren für Hochzinsanleihen in den USA als auch in Europa dar. Doch aufgrund der Marktkapitalisierung und der Zuflüsse in der Vergangenheit ist das Risiko für europäische High Yields vermutlich größer. In Zeiten geringer Liquidität an den Märkten für Spread-Produkte wirken sich Anlagekapitalströme tendenziell besonders stark aus. Zwar haben europäische High Yield-Titel besser als ihre US-Pendants abgeschnitten, doch die Ausstrahlungseffekte haben in jüngster Zeit zugenommen“, meint der HY-Experte.

Das Liquiditätsrisiko sei größtenteils eingepreist. Die Ausweitung der Spreads spiegele zum Teil den Bedarf an zusätzlichem Ausgleich für die gestiegenen Kosten wider, die mit Ein- in bzw. Ausstieg aus den Credit-Märkten verbunden seien. Das sei wiederum durch den Rückgang an von Händlern bereitgestellter Liquidität bedingt. Wenn auch die rückläufige Liquidität nicht zu systemischem Stress führen sollte, so werde die Volatilität der Fixed-Income-Erträge voraussichtlich höher sein als in der Vergangenheit. Die Faktoren, die derzeit die Liquiditätsversorgung an den Fixed-Income-Märkten belasten, würden sich kurzfristig kaum bessern. Das mache Anleihen mit höherer Marktkapitalisierung und damit auch höherer Liquidität attraktiver als kleinere, weniger liquide Emissionen. Entsprechend seien die Risikoaufschläge auf kleinere Emissionen gestiegen; viele dieser Papiere seien bei den aktuell niedrigeren Kursen sehr attraktiv, heißt es weiter.

„Man darf gespannt sein, ob europäische Hochzinsanleihen auch weiterhin ihre US-Pendants übertreffen können. Gewinnsituation und Makrodaten sind für europäische HY-Titel nach wie vor günstig. Das gilt auch für die niedrigen Staatsanleiherenditen in der Region. Für HY-Investoren stellt sich die Herausforderung, die Folgen des Abschwungs in China für die Industrieländer richtig einzuschätzen. Während die Gefahr für US-Exporte begrenzt ist, da auf sie nur ein geringer Anteil am BIP entfällt, besteht für die stärker exportorientierte europäische Wirtschaft ein größeres Risiko. Billigere Waren und niedrigere Rohstoffpreise in den Industrieländern nutzen den Verbrauchern, drücken allerdings auch die ohnehin schon niedrigen Inflationsraten“, so Dowling.

Auch das Verhalten der wirtschaftspolitisch Verantwortlichen in China trage zur Verunsicherung bei. Falls China beschließe, den Yuan gegenüber dem Dollar stabil zu halten, werde das Land wohl einen Teil seiner Treasury-Bestände abstoßen müssen, was einen Anstieg der Renditen auf US-Staatsanleihen zur Folge hätte. Ferner bereite die geldpolitische Divergenz Sorgen: Während in den USA möglicherweise eine Straffung anstehe, setze der Rest der Welt weiterhin auf Lockerung. Diese Divergenz könnte sich negativ auf US-Dollar und US-Konjunktur auswirken. Durch die von der EZB verfolgte quantitative Lockerung könnten sich Anleger gezwungen sehen, eine geringe Kreditqualität im Gegenzug für höhere Renditen in Kauf zu nehmen. Das führe im Ergebnis zu markttechnisch günstigeren Bedingungen in Europa als im auf die Fed fokussierten Amerika, so der NN-Investment-Partners-Experte abschließend.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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