Fundamentale Nachricht
20:21 Uhr, 03.07.2019

Europäische Aktien: Anzeichen für Erholung rechtfertigen ausgewogene Positionierung

Der europäische Aktienmarkt hat sich im ersten Halbjahr sehr gut entwickelt, obwohl er durch eskalierende Handelsstreitigkeiten, ein nachlassendes Wirtschaftswachstum, sinkende Gewinnerwartungen und politische Herausforderungen Gegenwind erfuhr. Was können wir für die zweite Jahreshälfte erwarten?

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Amsterdam (Godmode-Trader.de) - Aus Sicht von NN Investment Partners (NN IP) haben die europäischen Unternehmensgewinne ihren Tiefstand erreicht. „Das Momentum hat sich stark verbessert, und unsere Gewinnwachstumsprognose für das Gesamtjahr ist von 4,4 Prozent Anfang Juni auf aktuell 4,7 Prozent gestiegen“, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Marktkommentar. Die Aussichten für die Unternehmensmargen seien nach wie vor unsicher: Sie hätten sich zwar gut erholt, zeigten aber Ermüdungserscheinungen. „Das Umsatzwachstum ist der wichtigste Treiber dieser Margen, da es steigende Rohstoffpreise und Löhne ausgleicht. In dieser Hinsicht sind ein besserer Makroausblick und eine größere Preismacht der Unternehmen erforderlich. Erfreulicherweise sind die jüngsten Daten des Einkaufsmanagerindex (EMI) für Europa ermutigend und die Binnenwirtschaft bleibt robust. Europa ist jedoch aufgrund seiner Exportabhängigkeit anfällig gegenüber der Entwicklung des Welthandels“, so die Experten.

NN IP behält die Geldpolitik genau im Auge. Im Juni deuteten sowohl die EZB als auch die US-Notenbank auf mögliche Zinssenkungen ab Juli hin. Für europäische Aktien sei dies ein zweischneidiges Schwert, da ein länger anhaltendes Niedrigzinsumfeld dem Finanzsektor , Gegenwind beschere. Als „Value“-Markt schneide Europa am besten ab, wenn sich die globalen Wachstumsaussichten verbesserten und die Renditen zulegten. „Dennoch sind Zinssenkungen notwendig, um die langfristigen Stagnationsängste zu bekämpfen, die Japan seit vielen Jahren beherrschen und die die Risikoprämien von Aktien in die Höhe getrieben haben“.

Die Stabilisierung der Gewinne und eine lockere Geldpolitik sind für NN IP entscheidende Bewertungstreiber. Absolut gesehen notiere der europäische Markt mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 15 mit einem Abschlag von 12 Prozent gegenüber dem langjährigen Durchschnitt. Im Vergleich zu globalen Aktien liege dieser Abschlag bei knapp 15 Prozent. "In den vergangenen 20 Jahren ist ein so hoher Abschlag nur in Rezessionszeiten aufgetreten. Schwache Daten scheinen also bereits eingepreist zu sein. Die Kombination aus einem besseren Gewinnausblick und gemäßigteren Zentralbanken könnte die Bewertungen nach unten begrenzen oder sogar nach oben treiben“.

Zu guter Letzt seien die Anleger nicht sonderlich stark in Europa gewichtet, was den Markt im zweiten Halbjahr unterstützen könne, so NN IP. Die durch den Handel und die Innenpolitik hervorgerufene Unsicherheit habe die Stimmung und Risikobereitschaft belastet, wobei sich die Anleger vor allem auf defensive Sektoren konzentrierten und nicht auf wachstumsorientierte zyklische Sektoren. Dies bedeutee, dass in diesen Segmenten Aufwärtspotenzial besteht, wenn die Konjunktur Fahrt aufnehme.

Maarten Geerdink, Head of European Equities bei NN Investment Partners: „In unseren europäischen Dividendenstrategien behalten wir derzeit eine ausgewogene Positionierung in Bezug auf zyklische und defensive Titel bei, da wir erst eine Bestätigung für verbesserte wirtschaftlichen Rahmenbedingungen benötigen, bevor wir unsere Ausrichtung auf zyklische Titel erhöhen. Im defensiven Bereich meiden wir die sehr teuren Luxuswerte und langlebigen Konsumgüteraktien sowie anleiheähnliche Papiere (Lebensmittelproduzenten und regulierte Versorger). Statt dessen konzentrieren wir uns auf die preislich attraktiveren defensiven Segmente, wie z.B. gewisse Grundbedarfsgütertitel und Pharmaunternehmen. Im zyklischen Bereich sehen wir Chancen in höherwertigen Unternehmen mit Turnaround-Potenzial. Qualitativ hochwertige Unternehmen wie Siemens und CRH sollten unserer Meinung nach von besseren Makrobedingungen profitieren. Sie werden aber auch von verbesserten unternehmensspezifischen Faktoren vorangetrieben, die Wertpotenzial freisetzen können."

Fazit von Geerdink: „Die allgemeine Anlegerstimmung ist nicht überschwänglich, es bedarf einer größeren Klarheit in Bezug auf die politischen Risiken (Italien und der Brexit könnten noch einige Monate ein Thema sein) und Makrodaten, um die jüngsten zarten Anzeichen für eine Konjunkturerholung zu bestätigen. Sollten diese Anzeichen in den kommenden Monaten deutlicher zutage treten, sehen wir vielversprechende Aussichten in wachstumsorientierten zyklischen Branchen wie Industrie oder Werkstoffe. Weitere fiskalische Impulse in Europa würden als zusätzlicher Katalysator zur Stärkung der Märkte fungieren“.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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