Europa schwach - Amerika stark
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Wangen im Allgäu (BoerseGo.de) - Europa ist schwach, Amerika ist stark. Das signalisieren uns sowohl die Märkte als auch die Medien, und auch die Windrichtung der wichtigsten geopolitischen Impulse kommt eindeutig aus den USA. Aus der ganzen Welt fließt Geld in den US-Dollar-Raum. Gute Konjunkturdaten, eine möglicherweise anstehende Zinserhöhung und der Aspekt des „sicheren Hafens“ machen Amerika scheinbar attraktiv. Das Resultat ist eine Währungsaufwertung um zehn Prozent gegenüber dem Euro und den meisten anderen Währungen. Dieser Umstand veranlasst viele Prognostiker, darunter die größte deutsche Bank, diesen Trend in ihren Währungsprognosen fortzuschreiben und die Parität und sogar Kurse darunter für die nächsten Jahre auszurufen. Nahezu alle Analysten gehen von einem weiter erstarkenden Dollar aus. „The Dollar rules“ – der Dollar regiert – kursiert es sogar in manchen US-Medien. Für antizyklisch denkende Anleger schrillen bei solch eindeutigen Prognosen alle Warnglocken, wie Daniel Zindstein, verantwortlich für das Portfoliomanagement des unabhängigen Vermögensverwalters GECAM AG, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.
Allzu leicht vergesse man in dem vermeintlich so klaren Bild gegenläufige Aspekte. So habe die amerikanische Zentralbank in ihrem Protokoll angemahnt, dass der starke Dollar die deflationären Tendenzen verstärke, indem er Exporte verteuere (weniger Geschäft bzw. Gewinn) und Importe verbillige. Darüber hinaus schlage sich eine starke US-Währung meist in fallenden Rohstoffpreisen nieder, da diese nahezu vollständig in Dollar gehandelt würden. Auch das drücke auf die Inflation. Plötzlich sei man von den schon ausgemachten Zinserhöhungen im ersten Halbjahr 2015 wieder einen Schritt entfernt, heißt es.
Auch auf unserer Seite des Atlantiks sei nicht alles nur auf Euro-Schwäche konfiguriert. Zwar habe Mario Draghi im Frühjahr verbal in die damals zu starken Euro-Speichen gegriffen und darüber hinaus durch Zinssenkungen und angekündigte Liquiditätsmaßnahmen auch sein Ziel eines zehn Prozent schwächeren Euros erreicht. Die Dynamik und die daraus resultierenden Effekte dürften ihm jedoch nicht gefallen. Eine schwächere Währung verteuere zwar Importe, was die in Euroland so heiß herbeigesehnte Inflation anziehen lassen würde (importierte Inflation). Der Währungseffekt werde jedoch nahezu vollständig durch fallende Rohstoffpreise kompensiert, die durch steigende Dollarpreise meist unter Druck gerieten, so Zindstein weiter.
„Mario Draghi hat sich mit der zu forschen Ankündigung quantitativer Maßnahmen (die Zinspolitik ist ja bereits bei null angelangt) in eine Sackgasse manövriert. Einerseits darf er keine Staatsanleihen kaufen, andererseits existiert bei Kreditverbriefungen kein so großer Markt, dass eine Billion Euro (1.000 Milliarden) über einen Zeitraum von zwei Jahren ohne weiteres gekauft werden könnten, ohne den Markt auszutrocknen. Aber das Versprechen steht und wir gehen davon aus, dass früher oder später Geld fließen wird, auch wenn die Instrumente noch nicht ganz klar sind. Eines ist jedoch klar: Durch viel Geld und Null-Zinsen wird den Staaten Zeit erkauft. Wirtschaftswachstum findet jedoch nur in wirtschaftsfreundlichen Strukturen bei positiven Zukunftsaussichten statt und nicht bei überbordenden Staatsschulden, verkrusteten Arbeitsmärkten und in von Überregulierung und Bürokratie gelähmten Ländern“, so Zindstein.
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