Eurokrise: Trend zu höheren Zinsen muss gestoppt werden
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Frankfurt (BoerseGo.de) – Zwei Vontobel-Experten beschäftigen sich in ihrem aktuellen Marktkommentar mit den jüngsten Geschehnissen in der Eurozone. Für die beiden Spezialisten Thomas Steinemann und Ralf Wiedenmann ist die Eurokrise mit dem Überschwappen auf Spanien und insbesondere Italien in die entscheidende Phase eingetreten sein. Kurzfristig sei es nun unabdingbar, dass der Trend zu höheren Zinsen in Italien und Spanien eingedämmt wird, damit die Refinanzierung dieser Länder zu vertretbaren Kosten gewährleistet bleibt. Soll der Euro nicht in seiner Existenz gefährdet werden, muss endlich eine Quasi-Fiskalunion eingeführt werden.
Die Zinsen Italiens und Spaniens stiegen am vergangenen Montag stark an – Gründe hierfür waren neben einer negativen kurzfristigen Einschätzung des Ratings durch Moody's auch das politische Hickhack in Italien um den geplanten Sparkurs sowie gewisse Fragen hinsichtlich der Solidität der italienischen Wirtschaft.
Italien hat nach Griechenland die höchste Staatsverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Euromitglieder. Seit der Euro-Einführung gelang es Italien, die Staatsschuldenquote zwischen 100 und 120 Prozent zu halten, da es einen Primärüberschuss (Budgetüberschuss unter Ausklammerung der Zinszahlungen) erzielte. Aufgrund der hohen Schuldenquote und des geringen Wirtschaftswachstums ist Italien bei einem Zinsanstieg aber dennoch sehr verletzlich. Zwischen 1999 und 2010 gab es keine Probleme, denn der durchschnittliche Zinssatz auf die Staatsschuld war niedrig und ging sogar zurück. Allerdings bedeutet bei einer so hohen Staatsverschuldungsquote ein Anstieg des durchschnittlichen Zinssatzes auf die Staatsschuld um einen Prozentpunkt bereits einen Anstieg des Budgetdefizits um 1,2 Prozentpunkte. Die Schuldenquote gerät dann außer Kontrolle. Es ist deshalb unabdingbar, dass die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen von Italien nicht stark ansteigen und die Sparanstrengungen der italienischen Regierung glaubwürdig bleiben.
Die Vontobel-Gruppe hat ihre Euro-Szenarien inhaltlich kaum verändert, hat aber die Wahrscheinlichkeiten sowie den möglichen Verlauf neu aufgeführt. Die beiden Szenarien "Muddling Through" und "Eskalation" sind nur Übergangsszenarien, in denen wir uns in der kommenden Zeit abwechselnd bewegen dürften – dauerhafte Zustände sind nur der "Euro-Kollaps". Vontobel geht unverändert davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit eines Auseinanderbrechens der Eurozone gering ist. Soll der Euro aber erhalten bleiben, müssen die Verantwortlichen der ökonomischen Realität ins Auge sehen: Für eine überlebensfähige Währungsunion sind ein teilweiser Verzicht der nationalen Fiskalsouveränität sowie gewisse Transferzahlungen nicht zu vermeiden. Glaubwürdige Schritte zu einer Fiskalunion wären für die Experten insbesondere: Verbindliche Budgetregeln, Schuldenbremsen und die Einführung gemeinschaftlicher Eurobonds.
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