Eurokrise: Rückkehr nur eine Frage der Zeit
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Hamburg (BoerseGo.de) - Zwar befindet sich der Euro seit einigen Wochen auf Talfahrt gegenüber dem US-Dollar, aber von einer Rückkehr der Eurokrise ist weit und breit nichts zu hören. Seit der „What ever it takes“ Rede von Mario Draghi im Sommer 2012 setzen die Finanzmärkte auf den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) als Retter in der Not. Gab es jahrelang den „Greenspan-Put“, so bezeichnet, weil der langjährige Chef der US-Notenbank Alan Greenspan stets mit billigem Geld zur Hilfe eilte, wenn es an den Finanzmärkten bebte, so gibt es nun zumindest für die Eurozone den „Draghi-Put“. Im Vertrauen darauf sind die Zinsdifferenzen zwischen den ehemaligen Hartwährungsländern mit Deutschland im Kern und der Peripherie wieder extrem zusammengelaufen, wie Stefan Riße, Fondsmanager des "Riße Inflation Opportunities UI" und Gesellschafter der HPM Hanseatische Portfoliomanagement, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.
Doch es seien nicht nur die Zinsdifferenzen innerhalb der Eurozone, die sich auf einen Bruchteil reduziert hätten. Das Zinsniveau insgesamt sei auf neue Tiefstände gefallen – von kurzen bis zu den ganz langen Laufzeiten. In der Folge würfen zehnjährige spanische und italienische Anleihen jetzt weniger Zinsen ab als die von US-Staatsanleihen gleicher Laufzeit. Eine krassere Fehlbewertung gebe es wohl derzeit nirgendwo anders. Mögen die extremen Zinsdifferenzen mit Zinssätzen von rund sieben Prozent für italienische Staatsanleihen auf dem Höhepunkt der Eurokrise übertrieben hoch gewesen sein, so werde nun nach unten übertrieben, heißt es weiter.
„Auch ich glaube, dass die EZB am Ende für alles gerade stehen wird, doch der Weg dahin wird steinig. Noch gibt es keine Vergemeinschaftung der Schulden und einige Länder - allen voran Deutschland - stemmen sich extrem dagegen. Die EZB hat damit nicht das Mandat, mir nichts, dir nichts alle Peripherieanleihen aufzukaufen. Auch rechtlich ist dies höchst umstritten und würde das Bundesverfassungsgericht wohl erneut auf den Plan rufen. Derzeit jedenfalls ist ein Ausfall italienischer oder spanischer Staatsanleihen immer noch ein mögliches Szenario, weshalb es geradezu absurd ist, dass Anleger sich hier mit weniger Zinsen als für US-Anleihen begnügen“, so Riße.
Die Makrodaten in der Eurozone seien immer noch nicht gut. Sie wachse derzeit nicht. Einer leichten Verbesserung folge nun schon wieder Ermüdung, auch weil Deutschland als Zugpferd wegen der Russland-Sanktionen an Dynamik verliere. Italien komme trotz eines umtriebigen neuen Ministerpräsidenten nicht aus der Rezession, was ein Begrenzen der ohnehin hohen Staatsverschuldung unmöglich mache. In Frankreich sei die politische Elite komplett zerstritten, es fehle daher an der Mehrheit für die dringend notwendige Reform der Sozialsysteme und der gesamten Wirtschaft. Das Spardiktat Deutschlands werde in den genannten Ländern als immer stärkeres Hemmnis und als falsche Politik bezeichnet. Auch aus Griechenland sei zu hören, dass die letzten Ziele des Reformprogramms nur mit mehr Wachstum und nicht durch noch mehr Sparen zu erreichen seien. Es stoße zudem auf völliges Unverständnis, dass ausgerechnet in dieser Phase Deutschland unbedingt einen ausgeglichen Haushalt vorlegen wolle, anstatt seinen Nachbarn als Konjunkturlokomotive zu dienen, heißt es weiter.
„Noch finden die Auseinandersetzungen hinter vorgehaltener Hand statt, doch es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis der Konflikt offen ausgetragen wird. Dann dürfte den Marktteilnehmern klar werden, dass die Risiken der Peripherieländer doch deutlich höher sind, als der Markt sie aktuell preist. Die Zinsdifferenzen werden sich dann wieder deutlich ausweiten. Erst unter dem extremen Druck der Finanzmärkte mit der akuten Gefahr des Auseinanderbrechens der Eurozone dürften dann wohl auch die Gegner einer generellen Rettungspolitik zähneknirschend zustimmen und der EZB freie Hand lassen. Druck auf die Finanzmärkte bedeutet jedoch vorherige Verwerfungen und die dürften wir dann auch in Form von fallenden Aktienkursen sehen, bevor dann doch der Draghi-Put noch greift“, so Riße.
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