Kommentar
08:22 Uhr, 11.09.2015

Eurokrise: Es gilt das Rotationsprinzip

Spanien ist derzeit die Konjunkturlokomotive der Eurozone. Noch vor einem Jahr galt Spanien als Krisenland und Länder wie Finnland und Österreich als Stabilitätsanker. Jetzt geht es genau in die andere Richtung.

Spaniens Wachstum hat viele überrascht, dabei ist Spanien nur die Spitze des Eisberges. Portugal wächst derzeit mit 1,5% und damit deutlich langsamer als Spanien mit 3%, aber immer noch deutlich schneller als Frankreich, Finnland oder Österreich. Irland schlägt sie jedoch alle. Hier liegt das Wachstum über 5%.

Von Griechenland und Italien abgesehen steuern alle Krisenländer auf ein Wachstum von 2% zu oder befinden sich schon deutlich darüber. Namentlich sind das Zypern, Portugal, Spanien, Irland und Slowenien. Slowenien wurde nicht so deutlich als Krisenland wahrgenommen, doch man darf nicht vergessen, dass 2012 kurzzeitig ein Eurorettungspaket diskutiert werden musste.
Die Kernländer der Eurozone, die bisher als Stabilitätsanker galten, werden immer mehr zum Problem. In Frankreich schleppt sich das Wachstum über der Nulllinie dahin. Finnland wächst seit 2012 de facto gar nicht mehr. Österreich steuert auf eine Rezession zu, wenn nicht schnell etwas passiert.

Deutschlands Wachstum ist im Bereich von 1 bis 1,5% relativ stabil. Eine Wachstumsbeschleunigung ist jedoch nicht zu erwarten. Die Europartner nehmen teilweise wieder mehr deutsche Produkte ab, dafür stehen die Exporte in Schwellenländer gehörig unter Druck.

Momentan sieht es so aus als würde sich eine Art „Krisenrotation“ einstellen. Viele Länder, die unter den Rettungsschirm mussten, stehen wieder auf eigenen Beinen und zeigen ein sich beschleunigendes Wachstum. Das Wachstum der gesamten Eurozone wird das jedoch nicht unbedingt beschleunigen, da die Wirtschaftsleistung in den früheren Kernländern und Stabilitätsankern immer langsamer wächst oder sogar schrumpft.

Wir sehen derzeit eine Wachstumsrotation von den Kernländern hin zu den ehemaligen Krisenländern. Das ist aller Wahrscheinlichkeit nach auch keine Eintagsfliege, sondern wird sich über die kommenden Quartale weiterhin so darstellen. Hinweise darauf gegen die Zahlen zu den Bruttoanlageinvestitionen in den Ländern der Eurozone.

Grafik 1 zeigt die Bruttoanlageinvestitionen für die Krisenländer. Um sie besser vergleichbar zu machen sind sie als Index dargestellt. Der Index beginnt im zweiten Quartal 1997 für alle Länder bei einem Wert von 100. Die Überhitzung vor dem Zusammenbruch ist in Irland und Spanien sehr gut zu erkennen. Die Investitionen hatten sich im Fall von Spanien fast verdoppelt und in Irland um den Faktor 2,4 gesteigert. Die Wachstumsrate der Anlageinvestitionen war damit drei Mal so hoch wie das Wirtschaftswachstum.

Die Anlageinvestitionen zeigen in allen Ländern nach oben. Ein Aufwärtstrend ist immer gut, aber wieso ist gerade dieser Trend so wichtig? Die Höhe der Anlageinvestitionen macht vor allem zwei Aussagen möglich. Einerseits wird investiert, was das Wachstum generell unterstützt und andererseits zeigen die Anlageinvestitionen relativ zuverlässig an, wann das wirtschaftliche Tief durchschritten ist.

Die Anlageinvestitionen beginnen für gewöhnlich zwei Quartale vor einer allgemein wahrnehmbaren wirtschaftlichen Erholung zu steigen. Vor allem Unternehmen beginnen wieder Produktionsmittel zu investieren. Die Bruttoanlageinvestitionen sind nichts anderes als die Gesamtinvestitionen in Güter, die für die Produktion gebraucht werden. Zu diesen Investitionen gehören Gebäude und Maschinen ebenso wie Autos. Sie zählen jedoch nur dazu, wenn sie auch für Geschäftszwecke verwendet werden.

Die Anlageinvestitionen sind bis zu einem gewissen Grad ein Stimmungsindikator. Unternehmen investieren nur in neue Anlagen und den Ersatz von alten, wenn sie der Meinung sind mit diesen Investitionen auch einen Gewinn erwirtschaften zu können. Ein Anstieg der Investitionen ist daher ein sehr positives Signal, zumal Investitionszyklen eine Dauer von mehreren Jahren haben. Beginnen Unternehmen erst einmal wieder zu investieren, dann hält der Trend jahrelang an und nicht nur einige Quartale.

Die Anlageinvestitionen beinhalten nicht nur Positionen der Privatwirtschaft. Es gehören auch Ausgaben des Staates dazu. Viele Beobachter gehen daher davon aus, dass der Anstieg durch Staatsausgaben zu erklären ist. Dem ist nicht so. Wer sich die Höhe der Bruttoanlageinvestitionen des Staates in Ländern wie Spanien ansieht, der stellt fest, dass diese dramatisch gefallen sind und sich vermutlich erst bis Ende 2015 wieder stabilisieren werden.

Während sich in den Krisenländern ein Boom zeigt, deuten die Daten für einige Kernländer weiterhin Trübsal an. In Frankreich geht überhaupt nichts vorwärts, obwohl sich die Regierung weigert die Ausgaben unter Kontrolle zu bringen. Finnland befindet sich mitten im Abschwung. Vor Mitte bis Ende 2016 ist kaum mit einer Trendwende zu rechnen.

In Österreich stagnieren die Investitionen, in Deutschland zeigen sie ganz leicht nach oben. Als große Ausnahme steht Belgien da. In Belgien geht gerade die Post ab. Ansonsten sind die Kernländer in einer Phase der Stagnation oder des Abschwungs. Die ehemaligen Krisenländer haben die Nase vorn. Das wird sich auf absehbare Zeit auch nicht ändern. Investitionen in Portugal, Spanien, Irland, Zypern und Slowenien sind noch immer interessant und bieten mittelfristig die besseren Perspektiven.
Ob aus der Stagnation in den Kernländern noch eine handfeste Krise wird kann man derzeit noch nicht sagen. Vor allem Frankreich und Finnland zeigen jedoch Ansätze eines „italienischen“ Syndroms. Dieses steht für jahre- bis jahrzehntelange Stagnation.

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2 Kommentare

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  • okont
    okont

    Die Anlageinvestitionen könnten sich auch schnell als verbranntes Geld erweisen, wären ja nicht diersten Überkapazitäten, die errichtet würden. Eine Aktie, die von 34 € auf 4,5 € abschmiert und dann wider auf 6,8 € ansteigt, beeindruckt auch mit ihrer Performance, oder?

    22:04 Uhr, 12.09. 2015
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    genau: und Deutschland ist als nächstes dran. Mit der Flüchtlingsproblematik werden wir uns eindeutig überheben und unsere Ressourcen verbrauchen.

    Nur wird uns in Europa dann keiner helfen ...

    09:49 Uhr, 11.09. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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