Euro-Krise: Panikstimmung ist unangebracht
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Frankfurt (BoerseGo.de) - Wer glaubt, dass die Europäische Union auseinander bricht und Chinas Wachstum zum Stehen kommt, baut jetzt vermutlich Bunker und betreibt Überlebenstraining. Michael Hasenstab, Senior VP und Co-Director des International Bond Department der Franklin Templeton Fixed Income Group, ist nicht in Panikstimmung. Er ist sogar zuversichtlich, dass die Eurozone fortbesteht und China nicht in Feudalismus zurückfällt. Dennoch glaubt er, dass auf den Finanzmärkten und in China derzeit bahnbrechende Ereignisse stattfinden, die in Zukunft Folgen für Anleger haben – grundsätzlich einige positive, aber auch andere, weniger günstige. Als langfristiger Investor stellt er sich auf diese möglichen künftigen Konsequenzen ein und positioniert sich entsprechend.
Hasenstab geht nach wie vor davon aus, dass die Brandmauern für einen eventuellen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone gezogen sind – dass das europäische Finanzsystem auf einen „Grexit“ vorbereitet ist. Langfristig hält er diese Option unter Umständen für positiv, wenn die Alternative in der unbegrenzten Bezuschussung Griechenlands durch den Rest der EU besteht. In Spanien und Italien erkennt er Anzeichen für allmähliche Fortschritte und sieht Gründe für Optimismus in Bezug auf Europas Zukunft. „Die Lage ist heikel, doch Weltuntergangsstimmung ist meines Erachtens nicht angebracht. Griechenland liegt finanziell offenbar in den letzten Zügen, Italien und Spanien, wie ich es sehe, aber keinesfalls.“
Sobald die Panik im Zuge der Krise in der Eurozone nachlässt, hält Hasenstab zwei andere Themen aus langfristiger Investmentperspektive für erwägenswert: die lockere Geldpolitik, die viele Zentralbanken seit Jahren verfolgen, und eine wirtschaftliche Neuausrichtung in China. „Wenn die großen Volkswirtschaften Geld drucken und ihre Währungen dadurch abwerten, sucht sich das Publikum in der Regel Wertspeicher. Das Verpacken von Rohstoffen in Finanzinstrumente halte ich für eine direkte Folge dieser anhaltenden quantitativen Lockerungspolitik. Anziehende Rohstoffpreise machen sich gewöhnlich zuerst auf Schwellenmärkten bemerkbar, die stärker vom Rohstoffverbrauch abhängen und höhere Preise nicht so gut absorbieren können. Auf manchen dieser Märkte haben wir vorübergehend rückläufige Inflation festgestellt, doch sie ist immer noch ein Grundthema, das sich kaum verflüchtigen dürfte. In Anbetracht dieses außergewöhnlichen Experiments mit geldpolitischen Lockerungen müssen wir damit ausgesprochen defensiv umgehen.“
Mit Blick auf China sagt der Experte: Eine Übersteuerung in China, die das Land in die Rezession treiben würde, hält Hasenstab unwahrscheinlich. „China befindet sich meiner Ansicht nach definitiv im Abschwung eines Minizyklus, steht aber keineswegs vor einem drastischen Einbruch. Ein weiterer Auslöser für eine harte Landung wäre eine Krise im Bankensystem, für die ein Land wie China mit künstlich niedrig gehaltenen Zinsen besonders anfällig sein kann. Mit 3 Bio. US-Dollar an Devisenreserven ist China meines Erachtens gegen eine solche Krise aber sehr gut gewappnet.“
Was bedeutet das alles heute für einen Anleger? Hasenstabs Auffassung: „Es gibt keinen Free Lunch mehrt.” Als Investor glaubt er nach wie an Anlagechancen in Ländern, die Wachstum verzeichnen, allem Anschein nach verantwortungsvolle Fiskalpolitik betreiben und kein Fremdkapital abbauen. Und die findet er auch. Von der Vorstellung von einer „risikolosen“ Anlage hat er sich schon vor einiger Zeit verabschiedet. „Nach meiner Überzeugung ist keine Anlage mehr risikolos. Die Frage ist, ob man für eingegangene Risiken entschädigt wird. Die Lage ist zwar ernst, doch die Welt wird meines Erachtens nicht untergehen. Chancen gibt es immer, und mit langfristiger Perspektive können sie sich meiner Ansicht nach auszahlen.“
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