Fundamentale Nachricht
15:04 Uhr, 13.06.2024

EU-Wahlen und französische Politik

Was bedeutet der Rechtsruck im EU-Parlament? Welches Kalkül steckt hinter den vorgezogenen Wahlen in Frankreich und welcher Ausgang ist wahrscheinlich? Die Amundi-Experten Vincent Mortier, Anna Rosenberg und Didier Borowski analysieren die Lage.

Nach den Wahlen zum Europäischen Parlament 2024 zwischen dem 6. und 9. Juni 2024 deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Parteien der Mitte in der Lage sein dürften, eine funktionierende Koalition zu bilden.

Wahlergebnis

Die Parteien der Mitte, etwa die Europäische Volkspartei (EVP), konnten einen Vorsprung verzeichnen. Allerdings haben auch einige rechtsextreme Fraktionen wie „Identität und Demokratie“ und „Europäische Konservative und Reformer“ ihre Präsenz im Europäischen Parlament erhöht. Sie könnten versuchen, neue umweltpolitische Maßnahmen zu bremsen, aber es ist unwahrscheinlich, dass sie bestehende, bereits in Kraft getretene Klimavorschriften kippen werden.

Prioritäten für das nächste Europäische Parlament

Die neue Kommission wird sich wahrscheinlich auf Prioritäten wie die Effizienz von Klimaregelungen konzentrieren. Sicherheit und Verteidigung sowie die geopolitische Positionierung der EU werden zu den Schwerpunkten der neuen Kommission gehören.

Herausforderungen und Chancen für Europa

Europa hat Stärken, die es mobilisieren kann. Um das Tempo zu halten und die mittelfristigen Herausforderungen der EU-Wirtschaft wie eine schwache Demografie und schwache Forschungsinvestitionen zu bewältigen, muss die Region die wirtschaftliche und finanzielle Integration verstärken, die fiskalische Steuerung verbessern und die Kapitalmarktunion stärken.

Die vorgezogenen Neuwahlen in Frankreich

Die Entscheidung von Präsident Macron für Neuwahlen könnte sich vorteilhaft auf eine stabilere Innenpolitik und eine bessere Zusammenarbeit mit den nicht rechtsextremen Oppositionsparteien auswirken. Selbst wenn die extreme Rechte eine Regierungsmehrheit und den Posten des Premierministers erlangen sollte, verbleiben Außen-, Europa- und Verteidigungspolitik Frankreichs in der Zuständigkeit des Präsidenten. Außenpolitische und militärische Fragen sind sogenannte „Domaine Réservé“ des Präsidenten, der unabhängig vom Ausgang der Wahlen Stabilität garantieren sollte. Der französische Präsident ernennt zudem viele Spitzenpositionen im öffentlichen Sektor. Das Verfassungsgericht und die Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie der von der rechten Mitte dominierte Senat werden die Entscheidungen der Regierung kontrollieren, um sicherzustellen, dass sie im Einklang mit der Verfassung, internationalen Konventionen, europäischen und anderen rechtlichen Verpflichtungen stehen, zu denen sich Frankreich verpflichtet hat.

Wahlausgang in Frankreich

Macron baut anscheinend darauf, dass sich die nicht rechtsextremen Oppositionsparteien mobilisieren, um die Machtübernahme der Rechtsextremen zu verhindern. Aus heutiger Sicht dürfte keine Partei in der Lage sein, eine absolute Mehrheit zu gewinnen und ihre eigene Agenda durchzusetzen. Das Verfassungsgericht wird wahrscheinlich auch alle extremen Maßnahmen in dieser Hinsicht blockieren – die Institutionen der Fünften Republik bieten hinreichenden Schutz. Wenn aber keine Partei eine absolute Mehrheit auf sich vereinigen kann, wird Macron stärker auf Unterstützung durch die Oppositionsparteien angewiesen sein, um zu regieren.

Ausblick für Europa und Frankreich

Die EU-Wahlen fanden in einem Umfeld wirtschaftlicher Erholung statt, aber es gibt Unterschiede zwischen den Ländern und Sektoren. In Frankreich dürfte sich das BIP-Wachstum nach einer drastischen Abschwächung in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres allmählich erholen, weil der private Konsum wieder angezogen hat. Das öffentliche Defizit ist zwar in Prozent des BIP immer noch hoch, dürfte aber gegenüber 2023 leicht zurückgehen.

Auswirkungen auf Investitionen

Der plötzliche Aufruf von Präsident Emmanuel Macron zu vorgezogenen Neuwahlen hat sowohl an den Aktien- als auch an den Rentenmärkten in Frankreich zu einer gewissen Volatilität geführt. Die Haushaltslage Frankreichs wird weiterhin im Fokus bleiben. Die französischen Staatsanleihemärkte sind sehr liquide, und außerdem ist das Umfeld günstig, da die Anleger sich höhere Zinssätze sichern möchten, bevor die EZB die Zinsen weiter senkt. Was den Euro betrifft, so sind wir kurzfristig vorsichtig, sehen aber keine strukturelle Schwäche.

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