Kommentar
08:47 Uhr, 17.09.2015

ETFs: Eine Gefahr für die Börse?

Die Turbulenzen an den Börsen haben viele Gründe. Das Ausmaß der Turbulenzen hat jedoch vor allem einen Grund: ETFs.

Der Aufstieg von ETFs ist absolut bemerkenswert. Kaum eine Anlageklasse wuchs jemals so schnell. ETFs gibt es schon eine ganze Weile, doch ihr Siegeszug begann erst vor 10 Jahren. Seit Einführung der ersten ETFs Anfang der 90er Jahre bis 2005 war die Größe dieser Anlageklasse überschaubar.

In den Anfängen wurden über ETFs wenige Milliarden Dollar angelegt. 2003 wurde die Marke von 100 Mrd. Dollar geknackt. 2005 waren es bereits 300 Mrd. 2012 überstieg das Anlagevolumen die Billionengrenze. In diesem Jahr könnten 2 Billionen Dollar erreicht werden.

2 Billionen USD entsprechen knapp 10% der Gesamtmarktkapitalisierung. Damit sind ETFs eine nennenswerte Größe. Sie sind damit nicht so dominant wie Fonds, die ein gutes Drittel der Marktkapitalisierung abdecken. Im Gegensatz zu herkömmlichen Fonds haben ETFs trotz eines geringeren Gesamtvolumens eine sehr viel größere Wirkung auf das Kursgeschehen an der Börse.

ETFs wird zugeschrieben, für die erhöhte Volatilität verantwortlich zu sein. Eine solche Behauptung zu beweisen fällt schwer. Die Hinweise und Argumente für diese Behauptung sind jedoch ziemlich überzeugend. Grafik 1 zeigt in diesem Zusammenhang die von ETFs gehaltenen Assets und extreme Handelstage an der New Yorker Börse.

Die ETF Assets steigen seit Jahren rasant an. Lediglich die Crashs 2008 und 2011 konnten die Entwicklung kurzzeitig aufhalten, weil die Assets weniger wert wurden und nicht etwa, weil systematisch Geld aus ETFs abgeflossen wäre. Mit dem Anstieg der Assets steigt auch die Zahl extremer Handelstage an.

Extreme Handelstage sind als Tage definiert, in denen mehr als 80% aller Aktien in dieselbe Richtung tendieren. An der New Yorker Börse sind ungefähr 3.250 Aktien gelistet. Damit man einen Handelstag als extrem definieren kann, müssen mindestens 2.600 Aktien in die gleiche Richtung tendieren.

Wie Grafik 1 zeigt sind solche extremen Handelstage relativ selten. Von 1965 bis 2006 gab es pro Jahr (ca. 250 Handelstage) maximal 6 solcher Tage. Im Jahr 1987, im Jahr des großen Crashs, kam es zu dem Rekordwert von 6 extremen Handelstagen. Im Jahr 2004 gab es 5 davon. Die Häufigkeit war wirklich minimal. Im Durchschnitt gab es von 1965 bis 2006 lediglich 1,2 solcher Handelstage pro Jahr. Seit 2007 ist das anders.

Seit 2007 hat sich der Durchschnitt auf 25 Handelstage pro Jahr erhöht. 2011 wurde der bisherige Rekord mit 48 Tagen erreicht. Ist das alles nur Zufall? Kann man diese Entwicklung den ETFs überhaupt zuschreiben?

Die Meinungen gehen auseinander, wenn es um die Rolle der ETFs in Bezug auf die Häufung von Extremen geht. Persönlich finde ich die Argumente, die dafür sprechen, stichhaltig.
An einem extremen Handelstag bewegen sich fast alle Aktien in dieselbe Richtung. Grundsätzlich ist das ungewöhnlich. Selbst wenn der Markt in Panik ist gibt es Anleger, die auf Schnäppchenjagd gehen. Ebenso findet in Zeiten erhöhter Unsicherheit eine Umschichtung statt. Anleger verkaufen High Tech Werte und kaufen dafür stabile Dividendentitel aus dem Pharmasektor. Diese Vorgehensweise hat immer noch Bestand. Sie wird durch ETFs allerdings stark unterwandert.

Viele Anleger kaufen keine Einzelwerte mehr, sondern einfach einen S&P 500 ETF. Wenn Anleger nun Aktien verkaufen wollen, dann verkaufen sie nicht mehr die Aktien eines bestimmten Unternehmens, sondern sie verkaufen den ETF. Der ETF beinhaltet nun allerdings alle S&P 500 Unternehmen. Somit werden alle Werte – egal, ob defensiv oder hochspekulativ – gleichermaßen verkauft.

Vereinfacht kann man sagen: vor 10 Jahren wurden in unsicheren Zeiten spekulative Einzeltitel verkauft und defensive Sektoren gekauft. Heute wird zwangsweise über ETFs der ganze Markt verkauft, wenn Anleger ihr Exposure in Aktien reduzieren wollen. Das ist ein großer und ganz erheblicher Unterschied. Es erhöht die Korrelation von Aktien untereinander.
Im Crash gab es früher viel mehr Einzelwerte, die gegen den Markttrend steigen konnten, weil Anleger umschichteten oder auf Schnäppchenjagd gingen. Heute ist das weniger stark ausgeprägt. Das führt zu einer Gleichschaltung der meisten Aktien zueinander. Das wiederum erhöht die Volatilität maßgeblich.

Grafik 2 zeigt wie das praktisch aussieht. Abgebildet ist das Handelsvolumen von ETFs und allen anderen Anlagevehikeln (Fonds, Einzelwerte usw.). Der Anteil am Handelsvolumen von ETFs liegt für gewöhnlich im Bereich von 20 bis 30%. In unsicheren Zeiten wie September 2008 bis Anfang 2009 und Sommer 2011 schnellt das Handelsvolumen von ETFs massiv nach oben. Der Anteil steigt auf über 40%. Mit dem massiven Anstieg des ETF Handelsvolumens steigt auch die Volatilität überdurchschnittlich stark an.

Besonders schön ist die Systematik im Jahr 2008 zu sehen. Bereits vor September 2008 (Lehman Pleite) war das Handelsvolumen hoch und die Kurse fielen. Die Volatilität war erhöht, aber nicht extrem. Erst als das Handelsvolumen der ETFs massiv anstieg, stieg auch die Volatilität ins Extrem.

Im Sommer 2011 stieg nur das ETF Volumen an. Alle anderen Halter von Aktien handelten genauso viel wie in den Monaten zuvor. Der rasante Anstieg des ETF-Handelsvolumens ging wieder mit einem starken Anstieg der Volatilität einher. Umgekehrt wurde im Sommer 2012 außerhalb von ETFs überdurchschnittlich viel gehandelt. Die Volatilität reagierte darauf kaum, obwohl die Kurse klar nach unten tendierten.

Kurz gesagt: je höher das Handelsvolumen von ETFs ist, desto mehr Aktien sind gleichgeschaltet und desto höher ist die Marktvolatilität. Setzt sich der Siegeszug der ETFs weiter fort, dann muss man befürchten, dass es zu einer weiteren Häufung von extremen Kursschwankungen kommt.

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  • moneymaker22
    moneymaker22

    Theoretisch ist das ja alles einleuchtend, würde aber praktisch vorraussetzten das alle ETFs den zu Grunde liegenden Index immer zu 100% in Aktien nachbilden und dem ist aber nicht so

    09:20 Uhr, 17.09.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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