„Es wird weitere extrem teure Rettungsaktionen geben“
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Die Entscheidungsträger innerhalb der EU haben beschlossen, die Haushalte der Mitgliedstaaten künftig genauer unter die Lupe zu nehmen und in die nationalen Haushalte hinein regieren zu wollen. Was halten Sie von der Maßnahme?
Die Maßnahmen gehen unserer Meinung nicht weit genug, wir brauchen endlich auch die Haftung von politischen Entscheidungsträgern. Außerdem sind die vorliegenden Beschlüsse hoch problematisch. Hier werden in Teilbereichen demokratische Spielregeln verletzt und die Akzeptanz der EU bei den Bürgern gefährdet. Wir müssen uns mal klar machen, was derzeit geschieht: Vertreter der Zahlerstaaten fordern gemeinsam mit EU-Technokraten von Schuldenstaaten, dass diese finanzpolitisch die Hosen herunter lassen. Das muss den Bürgern in den Problemländern wie eine Fremdregierung vorkommen. Damit werden sie sich langfristig nicht abfinden.
Gleichzeitig zeigt uns die Entwicklung der vergangenen Jahre aber doch, dass eine effizientere Haushaltskontrolle dringend nötig ist...
Das ist richtig. Man darf aber den zweiten Schritt nicht vor dem ersten machen. Wir glauben, dass man zunächst einmal entscheiden müsste, welche Volkswirtschaften für eine langfristig stabile Währungsunion überhaupt infrage kommen. Maßgeblich ist dafür eine weitgehende Homogenität innerhalb des Währungsraumes. Ich beziehe diesen Begriff ausdrücklich nicht ausschließlich auf die Ökonomie sondern auch auf die Kultur der Staatsführung und die Akzeptanz bestimmter Werte und Mechanismen in der Bevölkerung. Diese Voraussetzungen sehen wir bei einigen der Eurostaaten derzeit nicht erfüllt und sehen auch wenig Chancen, dass sich daran längerfristig etwas ändern wird.
Die Grundfrage ist daher: Wie muss die künftige Eurozone beschaffen sein, damit sie auch langfristig überleben kann und ihren Bürgern Nutzen stiftet. Wir können uns sehr gut vorstellen, dass neben Deutschland auch Finnland, Österreich, Luxemburg, die Niederlande, Estland, Slowenien und die Slowakei und mit Abstrichen auch Belgien diese Kriterien erfüllen. Unserer Ansicht hat auch Irland gute Chancen, da dort Reformvorhaben mit einer ganz anderen Vehemenz umgesetzt werden als beispielsweise in Griechenland, Portugal oder Italien. Auch könnte ich mir vorstellen, dass Polen und Tschechien unter solchen Bedingungen rasch dem Euro beitreten. Auch Frankreich wird dazu gehören, aber primär aus politischen Gründen, da die Achse Berlin-Paris wohl nicht zur Disposition steht. Bei allen weiteren Ländern ist es schwer vorstellbar, dass ein Verbleib in der Eurozone gelingt.
Lassen Sie mich noch etwas zu den Durchgriffsrechten auf nationale Haushalte sagen: Diese Rechte müssen natürlich alle demokratisch legitimiert sein. Wir brauchen endlich eine europäische Wirtschaftsregierung und ein europäisches Parlament, das etwas zu sagen hat. Diese Institutionen müssen aber durch das Prinzip von „one man one vote“ legitimiert werden - die Mehrheit der EU-Bürger muss entscheiden. Das führt logischerweise dazu, dass große Staaten stärker repräsentiert sind als kleine, wer diesem Prinzip nicht zustimmen will, muss leider außen vor bleiben.
Zusammenfassend müssen für einen erfolgreichen Währungsraum folgende Gegebenheiten vorherrschen: Wir brauchen eine homogene Struktur, eine Art Kerneuropa, die restlichen Staaten müssen in die EU entlassen werden und führen wieder ihre eigene Währung ein. Wenn sich dieses Kerneuropa herausgebildet hat, muss überlegt werden, welche Anforderungen es an die gemeinsame Budgetplanung gibt, um eine Situation wie wir sie heute haben künftig zu verhindern. Von den derzeit diskutierten Schuldenbremsen halte ich in der praktischen Umsetzung wenig. Die Erfahrung lehrt, dass die Politik solche Obergrenzen schnell ändert, sobald andere politische Ziele Oberhand gewinnen. Als Investor muss man immer mit großer Skepsis an alle politischen Versprechungen herangehen.
In welchem zeitlichen Rahmen soll Ihr Szenario ablaufen?
Wir gehen davon aus, dass man zunächst einmal weiter an den Krisen-Symptomen herum doktert. Es würde uns aber nicht überraschen wenn Griechenland innerhalb der nächsten 18 Monate freiwillig aus der Eurozone austritt, dieser Schritt mit einem Schuldenschnitt einhergeht und Griechenland dann eine Vorbildfunktion für andere Staaten einnimmt. Viele Bürger in Krisenstaaten werden staunen, wie positiv sich ein solcher Befreiungsschlag trotz kurzfristiger Verwerfungen, mittelfristig für die Binnenwirtschaft auswirken wird. Diese Erkenntnis könnte zu weiteren Austritten führen. Einer der offensichtlichen Kandidaten ist für uns Portugal. Nun aber zu Ihrer Frage: Bis es zu einer Kerneurozone wie ich sie oben beschrieben habe, kommen wird, dürften noch drei bis fünf Jahre ins Land ziehen. Während dieser Zeit wird es weitere extrem teure Rettungsaktionen geben.
Sie sprechen die Rettungsaktionen an. Was denken Sie? Werden die derzeit laufenden Rettungsfonds ihren Zweck erfüllen oder wird am Ende die Europäische Zentralbank mehr oder weniger verdeckt nach US-amerikanischem Vorbild am Markt eingreifen müssen?
Derzeit wird von der Politik in jeder Woche eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Erst spricht man über Elite-Bonds, dann über mehrere Krisenfonds, die parallel laufen sollen oder auch über Tilgungstrukturen. Das sind für uns Kopfgeburten, die vom Markt getestet und regelmäßig für zu schwach befunden werden. Das liegt daran, weil alle Vorschläge nur die Symptome bekämpfen und die Grundprobleme der Eurozone außen vor gelassen werden. Noch immer ist der Euro ein politisches und nicht ein ökonomisches Projekt. Wir als Investoren, die Kundengelder verwalten, dürfen uns nicht an kurzfristigen Spekulationen über das Ausmaß von Rettungspaketen beteiligen. Wir müssen sehen, dass wir langfristig erfolgreich sind.
Eine elementare Frage für Investoren ist die des Geldsystems. Glauben Sie daran, dass wir unser jetziges Geldsystem behalten oder könnte es im Rahmen eines Kerneuropas zu einem Systemwechsel kommen?
Eine Abschaffung des Fiat Money wird es in den kommenden drei bis fünf Jahren nicht geben. Ich gehe davon aus, dass man über finanziellen Druck und strenge Regeln die Schulden der Staaten im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt zurückführen wird. Das dürfte bei vielen Sparern zu einem massiven Kaufkraftverlust führen. Einen wirklichen Reset im Geldsystem wird es aber nicht geben. Wenn einzelne Länder aus dem Euro aussteigen und wieder eine eigene Währung bekommen, ist das für mich kein Reset. Ein wirklicher Reset wäre eine Währung mit einem Realwertstandard - das sehe ich nicht.
Wäre ein solcher Realwertstandard Ihrer Meinung nach besser als das bestehende System?
Ich halte eine Unterlegung des Geldes mit Realwerten für sehr sinnvoll, weil so den Notenbanken und den Staaten in gewissem Maße die Möglichkeit genommen wird, ihre Geldmengen von der Entwicklung der Realwirtschaft abzukoppeln. Ich glaube aber, dass ein solches System nicht lange Bestand hätte: Ähnlich wie bei Bretton Woods, dem Goldstandard in den USA, könnte das System ja von Politikern mit einem Federstrich wieder zunichte gemacht werden.
Es wird ja auch immer wieder über einen Goldstandard nachgedacht. Auch das ist für mich sehr unwahrscheinlich, nicht nur weil die Verteilung des Goldes rund um die Welt viel zu heterogen ist. Sie können keinen Goldstandard einführen, wenn Italien relativ zum BIP viel mehr Gold besitzt als Indien und China. Player wie Indien und China werden allerdings in zukünftigen Währungssystemen eine große Rolle spielen – ob sie es wollen oder nicht.
Sie haben dem Goldstandard soeben eine Absage erteilt. Ist Gold als Investment damit hinfällig geworden?
Das ist es sicher nicht! Für uns ist Gold eine Währung wie der Dollar und der Euro. Gold als Währung hat den großen Vorteil, dass es nicht beliebig vermehrt und nur vorübergehend von Notenbanken manipuliert werden kann. Je nachdem in welchem Währungsraum man sich als Investor aufhält, umso mehr Gold muss man im Portfolio haben. Schauen Sie sich die Schweiz an: Bis zur Bindung an den Euro brauche ich als Schweizer kaum Gold, da die eigene Währung bereits ein relativ sicherer Hafen war. Das hat man an der Aufwertung des Frankens gut gesehen. Seit es die Bindung des Frankens an den Euro gibt, hat sich die Situation dramatisch verändert. In Australien oder Kanada ist es dagegen nach wie vor nicht so relevant über Gold nachzudenken wie in den USA oder der Eurozone.
Wir haben Gold in unserem Portfolio, weil wir es für die einzige stabile und liquide Währung halten, um gegenüber den Hauptwährungen zu diversifizieren. Neben Gold ist uns auch ein gut diversifiziertes Währungsportfolio wichtig. Dabei sind der Kanadische Dollar, der Australische Dollar, der Singapur-Dollar, die Norwegische Krone, der Schweizer Franken, der Hongkong-Dollar oder der Chilenische Peso von Bedeutung. Allerdings nicht als Einzelwette, wie das sehr viele Investoren machen.
Das klingt interessant! Gibt es Investment-Produkte, welche genau diese Währungen abdecken?
Das ist genau die Frage, die wir uns bei Flossbach von Storch vor einem Jahr gestellt haben. Wir mussten feststellen, dass es ein solches Produkt zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab und haben den Fonds Bond Diversifikation aufgelegt. Der Fonds setzt auf Anleihen und Währungen von Staaten, die wir als rückzahlungsfähig und rückzahlungswillig einschätzen. Ursprünglich wurde der Fonds konzipiert, um unseren internen Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. Inzwischen verzeichnen wir allerdings auch von Au0erhalb eine stetig steigende Nachfrage.
Sie reisen als Kapitalmarktexperte von Flossbach von Storch häufig durch die Welt und recherchieren vor Ort. Kürzlich waren Sie in China. Kann China die Eurozone retten oder hat es genug eigene Aufgaben?
Genauso ist es! China hat zwar große Währungsreserven, es hat aber in seiner Wirtschaft genug eigene Herausforderungen. Beispielsweise am Immobilienmarkt oder im Bereich der Infrastruktur. Auch das Bankensystem und insbesondere das Schattenbankensystem dürfte an einigen Stellen Sanierungsbedarf haben. Was China aber während der Euro-Krise auf jeden Fall machen wird, sind Koppelgeschäfte. Man wird Anleihen kaufen - aber nur, wenn man auch reale Werte, wie Unternehmen, erwerben darf. Die Chinesen wissen ganz genau, wie viel die Anleihen Griechenlands oder Italiens wert sind. Und ihre Bevölkerung fragt durchaus zu Recht, warum den ihr Staat europäische Schuldtitel kaufen soll, solange das Durchschnittsvermögen der Europäer noch immer um Längen über ihrem eigenen liegt.
Was machen Sie als Investor aus diesen Erkenntnissen?
Wie gesagt, erwarten wir in den nächsten Jahren finanzielle Repression - also künstlich niedrige Zinsen bei gleichzeitig hoher Inflation plus Steuererhöhungen und Kapitalverkehrskontrollen, also Einschränkungen für Investments im Auslands und in Edelmetalle. Eine solche finanzielle Repression haben wir in den USA während der 1940er Jahre gesehen und sehen sie derzeit auch in China. Dagegen hilft nur ein gut diversifiziertes Portfolio aus Realwerten. Wichtigstes Instrument ist dabei die Qualitätsaktie. Aber auch Edelmetalle, Bonds und Währungen wie oben beschrieben sind bei diesem Anlagemix wichtig. Bis zu einem gewissen Maße halten wir auch die Immobilie für interessant, allerdings primär die selbst genutzte, da es unklar ist, welche Repressionen auf Vermieter zukommen werden. Immobilien sind für den Staat immer leicht als Quelle von Erträgen nutzbar. Das sehen wir gerade auch in Italien.
Zum Schluss noch eine Frage zu Aktien: Welche Branchen sind da für Sie interessant?
Bei Aktien setzen wir sehr stark auf die Qualität des Geschäftsmodells, auf einen niedrigen Verschuldungsgrad, einen hohen Free-Cash-Flow und die Dividende. Auf Basis dieser Kriterien halten wir nicht-zyklische Konsumwerte für interessant, aber auch die Medizin- und Pharma-Branche. Niedrig gepreist ist derzeit auch die IT oder der Energiesektor. Weitere interessante Nischen sind die Tabakindustrie und auch das ein oder andere REIT-Unternehmen aus Deutschland.
Philipp Vorndran, Jahrgang 1962, hat als unabhängiger Vermögensverwalter über viele Jahre hinweg Erfahrungen im Asset Management sammeln können. Vorndran wechselte 2009 von der Credit Suisse-Gruppe zum Kölner Vermögensverwalter Flossbach von Storch. Zuvor war Vorndran bei der CS mehr als zehn Jahre lang unter anderem als Chefstratege des Asset Managements in Zürich tätig gewesen. Neben seiner Verantwortung im Bereich Asset Allokation bei Flossbach von Storch bezieht der hochkarätige Anlageexperte immer wieder in der Öffentlichkeit zur Investmentstrategie des Hauses Stellung. Vorndran hat sich darüber hinaus als geschätzter Interviewpartner für die Medien einen Namen gemacht.
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