Erdgas: Reduziertes Angebot lässt Preis weiter steigen
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Der europäische Erdgaspreis setzte auch gestern seinen Höhenflug fort. Der Einmonatsforward am virtuellen Handelspunkt TTF in den Niederlanden verteuerte sich um weitere 13 Prozent auf 164 Euro je MWh. Das ist das höchste Preisniveau seit Anfang März, als der Preis kurz nach Beginn der russischen Invasion der Ukraine kurzzeitig auf ein Rekordniveau von mehr als 300 Euro sprang, wie Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch in der aktuellen Ausgabe von „Rohstoffe Aktuell“ schreibt.
„Seit Mitte Juni hat sich der Erdgaspreis nahezu verdoppelt. Dahinter stehen Befürchtungen einer Gasknappheit in den Wintermonaten, nachdem Russland seine Gaslieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream um 60 Prozent reduziert hat. Über andere Pipelines wie Jamal oder über die Ukraine fließt schon seit längerem kein oder deutlich weniger Gas aus Russland nach Europa. Die Gaslieferungen über diese drei Pipelines lagen zuletzt bei insgesamt knapp 1.100 GWh pro Tag. Im Durchschnitt des ersten Quartals waren es noch mehr als doppelt so viel, im entsprechenden Vorjahreszeitraum sogar rund dreimal so viel“, so Fritsch.
Anfang kommender Woche stehe dann noch die alljährliche Wartung der Nord Stream-Pipeline an. Während dieser Zeit werde der Gaszufluss für zehn Tage vollständig unterbrochen. Ob Russland stattdessen mehr Gas über die anderen Pipelines liefern werde, dürfe bezweifelt werden. Die Sorge sei vielmehr, dass die Gaslieferungen nach den Wartungsarbeiten noch weiter reduziert oder gar nicht wieder aufgenommen würden. Dies würde den Aufbau der europäischen Erdgasvorräte für den nächsten Winter nahezu unmöglich und weitergehende politische Maßnahmen sowie Einschnitte beim Gasverbrauch erforderlich machen, heißt es weiter.
„Die Gasvorräte in der EU waren zuletzt zu 59 Prozent gefüllt. Das sind zwar drei Prozentpunkte mehr als in der Woche zuvor, aber noch immer knapp drei Prozentpunkte weniger als zu dieser Jahreszeit üblich. Die seit Mitte Mai reduzierten russischen Gaslieferungen haben außerdem dazu geführt, dass der zuvor zu beobachtende Aufholprozess beim Lageraufbau zum Stillstand gekommen ist“, so Fritsch.
Es könnte also schwierig werden, die für Anfang November vorgesehenen 80 bis 90 Prozent beim Füllstand zu erreichen. Dies gelte erst recht für von russischem Gas stark abhängige Länder, die beim Lageraufbau deutlich unter dem EU-Durchschnitt lägen wie bspw. Ungarn und Österreich. In Deutschland sehe es mit einem Füllstand von 62 Prozent zwar etwas besser aus. Aber auch hier liege dieser noch etwas unter dem jahreszeitüblichen Niveau, heißt es weiter.
„Zu allem Überfluss droht kurzfristig auch noch ein Rückgang des Gasangebots aus Norwegen, dem nach Russland zweitwichtigsten Gaslieferanten der EU. Dort begann heute ein Streik in der Öl- und Gasindustrie. Dieser könnte nach Angaben der norwegischen Produzentenvereinigung rund 13 % der Gasförderung lahmlegen. Dauert der Streik länger an, würde das die bereits angespannte Versorgungslage am europäischen Gasmarkt nochmals verschärfen und den Gaspreis unseres Erachtens weiter steigen lassen“, so Fritsch.
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