Kommentar
13:00 Uhr, 03.06.2016

Eine Glaubensfrage

Die EZB kann ein klein wenig feiern. Sie kommt ihren Zielen näher. Dank gestiegener Rohstoffpreise ist am Horizont wieder Inflation zu erkennen.

2 % Inflation stehen ganz oben auf der Liste der EZB. Ihr Mandat gibt ihr vor Preisstabilität zu erzielen. Man kann darüber streiten, ob eine Geldentwertung von 2 % pro Jahr nun wirklich als Preisstabilität durchgehen sollte, doch per Definition der EZB ist es so. Sie hat mit ihrem Mandat eine Reihe unkonventioneller Maßnahmen begründet.

Die Marke von 2 % Inflation ist noch lange nicht erreicht. Dennoch dürfte jeglicher Inflationsanstieg die bisherige Argumentation der EZB unterwandern. Wenn die Inflation nicht mehr sinkt, sondern steigt, dann kann man kaum mit dem Inflationsargument neue geldpolitische Maßnahmen begründen.

Die Begründung richtet sich nicht nur nach außen, sondern auch nach innen an die Direktoriumsmitglieder der EZB. Je höher die Inflation steigt, desto schwieriger dürfte für die EZB werden intern Einigkeit herzustellen. Steigt die Inflation z.B. über 1 %, dann werden Jens Weidmann und andere nationale Notenbankchefs aus den Niederlanden und Finnland wohl noch weniger Unterstützung für eine Fortsetzung des aktuellen Kurses signalisieren.

Dadurch ergibt sich ein Dilemma. Die EZB hat erst im März ein neues Maßnahmenpaket beschlossen. Es ist noch nicht einmal umgesetzt. Die Käufe von Unternehmensanleihen beginnen in diesem Monat. Ebenso sollen die langfristigen Refinanzierungsgeschäfte für Banken, die bestenfalls einen negativen Zinssatz ausweisen können, in diesem Monat gestartet werden.

Die im März beschlossenen Maßnahmen werden erst Ende des Monats komplett umgesetzt sein. Das ist lediglich 9 Monate vor dem offiziellen Ende des Quantitative Easing Programms, welches für März 2017 angekündigt wurde. Das ist ein straffer Zeitplan.

Die EZB war auch vor Beginn der aktuellen Kaufprogramme nicht vollkommen untätig. Die EZB begann schon vor Jahren mit dem ersten QE Programm. Dabei handelte es sich um das erste Covered Bond (Pfandbrief) Kaufprogramm. Inzwischen sind wir bereits beim dritten Covered Bond Programm angelangt. Grafik 1 zeigt die bisherige Entwicklung der Kaufprogramme.

Die Covered Bond Programme laufen am längsten. Die erworbenen Anleihen aus dem ersten und zweiten Programm werden sehr, sehr langsam reduziert. Auch der Bestand an Staatsanleihen aus dem SMP (Securities Market Program) reduziert sich nur sehr gemächlich. Bei den unter dem SMP gekauften Anleihen handelt es sich um Staatsanleihen, die die EZB in einer Nacht und Nebel Aktion in den Hochzeiten der Finanzkrise erworben hatte.

Das seit knapp zwei Jahren laufende ABS Programm (Asset Backed Securities) ist vergleichsweise klein. Es läuft nach wie vor, doch da der ABS Markt in der Eurozone sehr überschaubar ist, kommen keine großen Volumina zustande. Im Vergleich zum aktuellen QE Programm für Staatsanleihen sind alle vorhergehenden Programme ohnehin überschaubar.

Die EZB hat im Sinne der Bilanzausweitung erst vor einem Jahr so richtig losgelegt. Das zeigt Grafik 2. Dargestellt sind die derzeit laufenden Programme und wie viel die EZB an entsprechenden Wertpapieren bisher erworben hat und noch erwerben wird. Durch die Ausweitung des Programms muss die EZB in den kommenden Monaten bis zum offiziellen Ende des Programms Gas geben, um ihre Quoten zu erfüllen.

Bis zum offiziellen Ende des Programms muss die EZB über 800 Mrd. an zusätzlichen Wertpapieren kaufen. Danach soll eigentlich Schluss sein, doch wer glaubt das schon? Grafik 3 zeigt die monatlichen Käufe, die ab Juni gelten und bis zum Ende des Programms umgesetzt werden sollen.
Wenn das Programm dann plötzlich endet, geht die Summe an monatlichen Wertpapieren von 80 Mrd. auf 0 Mrd. zurück. Glaubt tatsächlich irgendjemand ernsthaft daran, dass das gelingen wird?

Es gibt viele Gründe, weshalb der planmäßige Ausstieg wahrscheinlich nicht kommen wird. Fällt ein Kaufvolumen von 80 Mrd. von einem Monat auf den anderen weg, dann bleibt das nicht ohne Konsequenzen. Man stelle sich einmal vor, das gehandelte Volumen auf dem Aktienmarkt würde sich plötzlich radikal verkleinern. Das sorgt für wilde Ausschläge bei den Kursen.

Um nicht für Verwerfungen zu sorgen muss die EZB ihr Volumen vermutlich Schritt für Schritt zurückfahren. In den USA brauchte die Notenbank ein Jahr, um das Kaufprogramm abzuwickeln. Ein abrupter Ausstieg ist illusorisch. Doch was, wenn die Inflation dank Ölpreis und anderer Faktoren tatsächlich rasch ansteigt? Kann die EZB dann überhaupt entschlossen genug handeln, ohne den Markt aus der Bahn zu werfen? – Wahrscheinlich nicht.

Das endgültige Ende der QE Programme ist vermutlich nicht vor Ende 2017 realistisch. Während Wertpapierkäufe reduziert werden, wird die EZB die Niedrigzinsen fortführen müssen, um den Markt nicht aus der Bahn zu werfen. Sie begrenzt damit ihre eigenen Möglichkeiten, denn wenn die Inflation kommt, kann sie nicht entschlossen gegen diese vorgehen.

Die EZB selbst und auch Politiker dürfte das nicht stören. Wenn nach sieben Jahren endlich wieder Inflation kommt, löst das viele Probleme – unter anderem die überbordende Verschuldung vieler Staaten. Die EZB hat sich zwar in eine Sackgasse manövriert, doch das hat auch gute Seiten. Sie hat viele Argumente, weshalb sie eine Inflationsrate von 2 % und höher nicht entschlossen bekämpfen will. Sie kann höhere Inflationsraten eine Zeit lang zulassen bzw. muss sie sogar zulassen. Das wiederum sorgt für erhebliche Erleichterungen für hochverschuldete Staaten.

So oder so, das offizielle Ende des QE Programms, Inflation hin oder her, ist eine Glaubensfrage. Persönlich glaube ich nicht daran.

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  • dschungelgold
    dschungelgold

    Next candidate : USA. Ich wette auf ein weiteres QE in 2017. usw. usw. Das kind liegt laengst verwesend im brunnen.

    13:50 Uhr, 03.06.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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