Eine zähe Krise in den Schwellenländern wird die deutsche Wirtschaft hart treffen
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Washington (Godmode-Trader.de) - Die großen Schwellenländer China, Russland und Brasilien durchleben schwere Schwächephasen. Nur das vierte Land im BRIC-Verbund, Indien, kann sich noch einigermaßen über Wasser halten. Über zwei Jahrzehnte erfüllten oder übererfüllten die BRICS-Staaten die an sie geweckten Erwartungen und Hoffnungen. Ihre Volkswirtschaften wuchsen teilweise mit zweistelligen Raten. Jedes Jahr legten auch die deutschen Exporte in diese Länder zu - so etwa zwischen 2000 und 2010 um jährlich zehn Prozent.
Doch aus und vorbei, der Boom liegt hinter uns. Im Durchschnitt der Schwellenländer erwartet der Internationale Währungsfonds nur noch ein Wachstum von vier Prozent. Vor allem die Wachstumslokomotive China schwächelt, mit dem Crash an den Börsen und den Interventionen des Staates und der Zentralbank wurde zudem viel Vertrauen verspielt. Besorgniserregend sei weniger die scharfe Aktienmarktkorrektur als vielmehr die anhaltende Schwäche in der Industrie, sagt Christian Heger, Chief Investment Officer bei HSBC Global Asset Management (Deutschland), in seinem aktuellen Marktkommentar. Der Markit-Einkaufsmanagerindex zeigte für Chinas Industrie mit 47,8 Punkten im Juli 2015 ein neues Zweijahrestief an.
Die geringe Dynamik in China und die Einigung im Atomstreit mit dem Iran haben die Rohstoffpreise erneut unter Druck gesetzt. Eine schnelle Trendwende ist nicht in Sicht. Für Länder wie Brasilien und Russland wird der Weg aus der tiefen Rezession damit noch schwerer. Und auch Südafrikas Wachstum wird laut OECD-Prognose enttäuschend ausfallen. Mit Ausnahme Indiens drohen zahlreichen Emerging Markets weitere schmerzhafte Wachstumsrevisionen.
Eine ungute Kettenreaktion ist schon im Gange: Brasilien spürt die Schwäche des wichtigen Handelspartners China. Nun kommt dazu, dass durch die Abwertung des chinesischen Yuan in dieser Woche für China der Import von Produkten teurer wird, was die Nachfrage nochmals schmälern dürfte. In diesem Jahr wird das BIP Brasiliens voraussichtlich um 2 Prozent schrumpfen, die Inflationsrate wird auf 9 Prozent geschätzt. Darüber hinaus durchleidet das Land im Moment eine schwere politische Krise. Ähnlich angeschlagen (und politisch isoliert) zeigt sich Russland. „Die Probleme sind mit den brasilianischen vergleichbar: Sinkende Rohstoffpreise, Rezession und Verfall der Währung", meint Jan Vrbsky von der Baader Bank. Für 2015 rechnet der IWF mit einer Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um 3,4 Prozent.
Allgemein befürchtet wird eine Verschärfung der Krise durch die voraussichtlich schon bald steigenden Leitzinsen in den USA. Nach Ansicht des weltweit führenden Kreditversicherers Euler Hermes wird die US-Zinswende massive Folgen vor allem für Schwellenländer haben. „Die Zinsanhebung selbst ist lediglich das Epizentrum, die Nachbeben werden vor allem andernorts zu spüren sein", sagte Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Euler Hermes Gruppe. „Insbesondere Länder, die ein hohes Leistungsbilanzdefizit aufweisen und sich in finanzieller Schieflage befinden, sind gefährdet - vergleichbar mit den Erschütterungen im Jahr 1994, als schnelle Zinserhöhungen in den USA das globale Finanzsystem durchrüttelten“. Im Mai 2013 löste bereits die Ankündigung der Fed, Wertpapierkäufe möglicherweise einzustellen, eine erhebliche Schockwelle in den Schwellenländern aus. Heute ist die Situation stabiler, da die meisten gefährdeten Länder ihre Währungsreserven verdoppelt und ein solideres Finanzsystem geschaffen haben. „Allerdings könnten sich Anleger von bestimmten Ländern abwenden, die aufgrund geringer Verschuldung, interessanter Unternehmen oder Infrastrukturprojekten noch vor kurzem noch beliebte Anlageziele waren", sagt Subran. „Brasilien, Südafrika und Russland sind beispielsweise stark von ausländischem Kapital und insbesondere vom US-Dollar abhängig. Die Konjunkturindikatoren dieser Staaten deuten nach unten und sie verfügen möglicherweise nicht über die nötigen Mittel, um eine Kapitalflucht und die Abwertung ihrer Währung zu verhindern“.
Für Indien wird für dieses Jahr zwar ein Wirtschaftswachstum von rund 8 Prozent erwartet. Allerdings hat das Riesenland weiter viele, schwerwiegende Probleme: die korrupte und ineffiziente Verwaltung, die schlechte Ausbildung der Bevölkerung, fehlende Arbeitsplätze.
Die jetzige Krise haben laut Experten die betroffenen Länder selbst zum Großteil verschuldet. Es geht um verschleppte Reformen und mangelnde Perspektiven. Die Krise habe konjunkturelle, aber auch strukturelle Gründe, sagt Klaus-Jürgen Gern, Experte vom Prognosezentrum am Kieler Institut für Weltwirtschaft der Süddeutschen Zeitung. Eine anhaltende Schwächephase der BRICS-Länder würde auch die deutsche Wirtschaft hart treffen. China ist der viertgrößte Absatzmarkt für deutsche Produkte. Binnen eines Jahrzehnts hat sich der Anteil der China-Ausfuhren am Gesamtexport auf sieben Prozent verdreifacht. Und in Brasilien sind ca. 1.400 deutschen Firmen aktiv. Ein bis zwei Jahre fielen die Schwellenländer wohl als Zugpferd der Weltkonjunktur aus, glaubt das Kieler Institut für Weltwirtschaft.
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