Kommentar
12:00 Uhr, 27.05.2016

Ein Grund weniger die Zinsen anzuheben

Die US-Berichtssaison ist praktisch zu Ende. Das Resultat sollte nicht nur Anlegern, sondern auch der Notenbank zu denken geben.

Die US-Notenbank hadert noch mit sich, ob sie die Zinsen nun im Sommer anheben soll oder nicht. Ihr Mandat ist auf Beschäftigung und Inflation ausgerichtet. Insofern kann der Fed die Wall Street eigentlich egal sein, doch so einfach ist es nicht.

Im ersten Quartal des Jahres verdienten US-Unternehmen so wenig wie schon seit Jahren nicht mehr. Die Nettomargen fielen auf den tiefsten Stand seit drei Jahren. Für eine Zeit, in der die Wirtschaft wächst, ist eine langanhaltende und deutliche Verringerung der Marge ungewöhnlich. Sinkende Gewinne und eine kleiner werdende Ertragskraft sind nur ein Problem der US-Unternehmen, um das sich auch die Notenbank sorgen muss. Ein anderes Problem sind die Folgen der Niedrigzinspolitik. Unternehmen haben sich mit Schulden vollgesogen wie ein Schwamm mit Wasser.

Grafik 1 zeigt die Entwicklung der Schulden aller US-Unternehmen und die Entwicklung der Cash-Reserven. Auf den ersten Blick sieht man sofort, dass die Schulden seit Ende der Großen Rezession sehr viel schneller steigen als die Bargeldreserven.

Für Unternehmen hat es Sinn gemacht sich zu niedrigen Zinsen zu verschulden. Wenn man das Geld praktisch geschenkt bekommt, dann weist man dieses Geschenk nicht leichtfertig zurück. Die Schulden wurden genutzt, um Dividenden zu zahlen und Aktienrückkäufe durchzuführen. Per se ist ein kein Problem, wenn sich Unternehmen für diesen Zweck verschulden, wenn entsprechende Gegenwerte vorhanden sind.

Einige Unternehmen, wie z.B. Apple, verschulden sich, obwohl sie hohe Cash-Reserven haben. Noch vor wenigen Jahren war Apple de facto schuldenfrei. Heute ist das anders. Die Schulden belaufen sich auf 70 Mrd. Dollar. Demgegenüber stehen Bargeld-Reserven von über 200 Mrd. Dollar. Ein wirkliches Problem ist da der Schuldenexzess nicht.

Apple verschuldet sich in den USA, um Geld an die Aktionäre ausschütten zu können, denn ein Großteil der Cash-Reserven liegt im Ausland. Würde Apple dieses Bargeld in die USA holen, um es dann dort an Aktionäre auszuschütten, fielen Steuern von 35 % an. Das macht wenig Sinn. Schulden aufzunehmen und dafür 2 % zu zahlen ist auf viele Jahre gesehen immer noch billiger als das Geld aus dem Ausland zu repatriieren.

Nicht allen Unternehmen geht es zu gut wie Apple. Selbst unter den 20 Unternehmen mit den größten Cash-Reserven übersteigen die Schulden die Reserven in mehreren Fällen deutlich. Hier wird es nun für die Notenbank so langsam spannend, denn Unternehmen haben derzeit über 7 Billionen an Schulden und ca. 1,9 Billionen an Bargeldreserven. Von diesen 1,9 Billionen gehört die Hälfte den 20 größten Unternehmen aus Abbildung 2.

Diesen 20 Unternehmen halten die Hälfte des Bargeldes, aber weniger als 10 % der Gesamtschulden. Mit anderen Worten: alle anderen Unternehmen halten 90 % der Schulden, aber weniger als 50 % des Bargeldes.

Im Durchschnitt halten US-Unternehmen pro Dollar Schulden 0,26 Dollar Bargeld. Rechnet man die 20 größten Unternehmen heraus, dann sinkt dieser Betrag auf 0,15 Dollar. Grafik 3 zeigt die Entwicklung dieser Kenngröße über die vergangenen Jahre. Von der Finanzkrise einmal abgesehen halten Unternehmen nun so wenig Bargeld wie zuletzt 2003. Das war am Ende der Rezession Anfang des Jahrtausends. Generell sinken die Barbestände während einer Rezession, weil Unternehmen mit ihren Rücklagen Verluste auffangen.

Nun befinden wir uns quasi in der Hochkonjunktur. Im Aufschwung bzw. am Ende eines Aufschwungs sollten die Barbestände gewachsen sein und neue Höchststände erreichen. Unternehmen befinden sich nun aber in einer Situation wie nach einer Rezession.

Grafik 3 zeigt woher das kommt. Seit Ende der Finanzkrise wachsen die Schulden schneller als die Barreserven. Nur Ende 2013 bis Anfang 2014 verbesserte sich die Situation. Seitdem wachsen die Schulden um 7 % schneller als das Bargeld.

Grundsätzlich muss ein niedriger Bargeldbestand nicht viel aussagen. Solange Unternehmen Gewinne schreiben ist alles in Ordnung. Kommt es nun jedoch zu einem Wirtschaftsabschwung, dann sinkt die Ertragskraft. Unternehmen erwirtschaften kaum noch einen positiven Cash-Flow. Stattdessen müssen sie auf ihre Reserven zurückgreifen, um ggf. Verluste aufzufangen.

Während Unternehmen ihre Cashbestände nicht weiter aufbauen können oder diese während einer Rezession schrumpfen, bleiben die Schulden wie gehabt stehen. Zinsen müssen für diese Schulden weiterhin gezahlt werden. Die meisten Unternehmen zahlen nicht 2 % für ihre Schulden wie Apple, sondern 4-6 %. Liegt der Cashbestand bei 15 % der Schulden (0,15 Dollar Cash pro einen Dollar Schulden), dann reduziert sich dieser durch die Zinszahlungen erheblich, wenn während eines Abschwungs kaum noch Cash generiert wird.

Das allein ist schon problematisch genug. Noch schwieriger wird die Lage, wenn Schulden fällig werden. Die Anleihen, die Unternehmen begeben, werden immer größer. Früher nahmen Unternehmen in Einzelfällen mehr als 1 Mrd. mit einer Anleihe auf, heute sind diese Größenordnungen an der Tagesordnung. Wird eine Anleihe fällig, wird viel Cash auf einmal benötigt.

Viele Unternehmen können das durch ihre Reserven nicht abdecken. Sie müssen die Schulden refinanzieren, weil sie aus eigenen Finanzmitteln nicht in der Lage sind die Schulden zu begleichen. Sie haben ein Liquiditätsproblem. Unternehmen können durchaus noch hohe Vermögenswerte haben. Diese nutzen im Ernstfall wenig, wenn es an Cash fehlt. Durch Illiquidität muss Insolvenz angemeldet werden.

Hebt die Notenbank die Zinsen nun immer weiter an wird das Problem nur noch ausgeprägter. Zahlen Unternehmen nicht mehr 4 % an Zinsen, sondern 6 % für ihre Anleihen, dann sind die niedrigen Cash-Reserven noch schneller aufgebraucht. Die Folge: es kommt zu einer Welle an Insolvenzen, wenn sich die Wirtschaft abkühlt.

Die Schuldenberge der Unternehmen sind nun einmal da. Diese Blase hätte die Fed nur verhindern können, wenn sie die Zinsen deutlich früher angehoben hätte. Dafür ist es nun zu spät. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Notenbank die Zinsen nie wieder anheben darf. Sie muss nur extrem langsam vorgehen. Ansonsten implodiert die Schuldenblase. Das wiederum strahlt auf die Realwirtschaft aus und gefährdet die Zielerreichung der Notenbank (Inflation und Vollbeschäftigung).

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2 Kommentare

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  • k_traxler
    k_traxler

    Interessant ist aber, dass das Verhältnis Cash zu Schulden vor 2003 durchgehend viel schlechter war! Also jetzt doch nicht so schlimm?

    13:51 Uhr, 27.05. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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