Fundamentale Nachricht
12:27 Uhr, 28.05.2015

Ein berauschter Markt?

Die US-Bankenbranche hat mit massiver Hilfe der Federal Reserve den Weg von „back to business“ zu „business as usual“ gefunden und steht La-Financière-de-l’Echiquier-Experte Didier Le Menestrel heute sogar„better than usual“ da.

Erwähnte Instrumente

  • CAC 40
    ISIN: FR0003500008Kopiert
    Kursstand: 5.182,53 Punkte (Euronext Paris) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Paris (BoerseGo.de) – Viele Banker in den USA sind begeistert: JP Morgan gibt für 2014 einen Rekordgewinn in Höhe von 22 Milliarden Dollar bekannt. Die Zahl ist umso spektakulärer, als die Bank 2013 und 2014 verschiedene Geldstrafen in Höhe von insgesamt 25 Milliarden Dollar begleichen musste. Goldman Sachs befindet sich auf ähnlichem Wege: Mehrere Geldstrafen hindern die Investmentbank nicht an einem stattlichen Gewinn für das vergangene Jahr und an einem rekordartigen ersten Quartal 2015 mit 2,7 Milliarden Dollar Gewinn. Die Krise des Jahres 2008 ist nicht vergessen, aber die amerikanische Finanzwelt sitzt wieder äußerst fest im Sattel. In wenigen Jahren hat die Bankenbranche in den USA mit der massiven Hilfe der Federal Reserve den Weg von „back to business“ zu „business as usual“ gefunden und steht heute sogar „better than usual“ da, wie Didier Le Menestrel, Chairman bei La Financière de l’Echiquier, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

„Better than usual“ sei ungewöhnlich vor dem Hintergrund der Risiken einer übermäßigen Volatilität auf den Märkten. Doch sei diese Paranoia zu einem Zeitpunkt, an dem die Börsenindizes – trotz Korrekturen in den letzten Wochen – in langfristiger Perspektive behaglich schnurrend aufwärts streben, nicht übertrieben? Das sei gar nicht so sicher. Zwei Marktereignisse in jüngster Vergangenheit hätten uns in Erinnerung gerufen, dass die Volatilitätsspitzen äußerst brutal sein könnten. Am 15. Januar sei der Schweizer Franken in weniger als einer halben Stunde um 35 Prozent (infolge der Aufhebung der Kursbindung seitens der Schweizerischen Nationalbank) geschwankt. Am 15. Oktober 2014 sei die Rendite zehnjähriger amerikanischer Anleihen in wenigen Minuten von 2,21 Prozent auf 1,86 Prozent geschmolzen, bevor sie zwei Stunden später zum Normalwert zurückgekehrt sei, heißt es weiter.

„Insbesondere auf diesem Anleihenmarkt entsteht heute ein merkwürdiges Gleichgewicht. Die noch immer zunehmende, von den Zentralbanken bereitgestellte Liquidität geht mit einer Schwächung der Liquidität auf den Märkten einher, die sie aufnehmen. Mit dem Wort Liquidität werden zwei verschiedene Realitäten beschrieben: erstens die Geldmenge und zweitens die Fähigkeit der Akteure, Marktpreise zu bieten. Die Liquidität des Marktes lässt sich quantitativ ermitteln, indem man Angebot und Nachfrage zu einer bestimmten Anlage beobachtet. Um bei den zehnjährigen amerikanischen Staatsanleihen zu bleiben: Laut Schätzungen lagen die drei besten Angebote und Nachfragen 2007 zusammen genommen bei 500 Millionen Dollar. Auf den aktuellen Märkten ist diese Zahl auf 125 Millionen Dollar gefallen. Ein großer Käufer oder ein großer Verkäufer hätte daher heute mehr Schwierigkeiten, einen Geschäftspartner zu finden, als früher“, so Le Menestrel.

Auf dem Markt für Unternehmensanleihen bestehe derselbe Trend. Man gehe davon aus, dass die Positionen der Market Maker auf ein Viertel geschrumpft seien und dass die Liquidität weiter abnehme. Der Grund für diesen Rückgang sei im regulatorischen Umfeld zu suchen. Wenn wir von einer Rückkehr zum „business as usual“ im Bankensektor sprächen, sei das stark verkürzt. Die Realität sei komplexer und die nach 2008 eingeführten Regelungen hätten starke Vorgaben für die Risikoprofile der Banken zur Folge. Das neue Umfeld habe in hohem Maße ihre Fähigkeit verringert, Preise zu liefern und sich Akteuren auf dem Markt als Geschäftspartner anzubieten, heißt es.

„Angesichts der Politik der Europäischen Zentralbank (mit Ausnahme eines massiven griechischen Ausrutschers) bestehen wenig Chancen, dass die Akteure der Eurozone die Aufnahmefähigkeit der Märkte in den kommenden Monaten testen werden. Warum also nach einem Notausgang suchen, so lange das Orchester noch spielt? Das Risiko, dass sich kurzfristige, aber heftige Kursschwankungen wie am 15. Oktober letzten Jahres auch in mittlerer Zukunft wiederholen, ist hoch. Die Kapitalmassen schwellen an und Preisanbietern sind die Hände gebunden. Man wird sich dann an das Bonmot eines Traders erinnern: Der Markt ist extrem liquide, nur nicht, wenn man handeln will!“, so Le Menestrel.

Passende Produkte

WKN Long/Short KO Hebel Laufzeit Bid Ask
Keine Ergebnisse gefunden
Zur Produktsuche

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

Mehr Experten