Kommentar
14:59 Uhr, 08.10.2014

Ein ausgewogener Blick auf Aktien

Die globalen Aktienmärkte, allen voran in den USA, erholen sich weiter von den in der letzten Finanzkrise verzeichneten Tiefs. Wir halten den globalen Aufschwung, den die US- Wirtschaft offenbar anführt, aus mehreren Gründen für nachhaltig. In den USA ist unseres Erachtens der Konsum ein entscheidender Aspekt jeder Konjunkturerholung, denn darauf entfallen 70% des US-Bruttoinlandsprodukts. Diesbezüglich ist ein Schuldenabbau bei US- Verbrauchern festzustellen. Die Sparquoten sind seit der Finanzkrise spürbar gestiegen. Der seither erfolgte neuerliche Aufwärtstrend der US-Aktienmärkte hat im Zusammenspiel mit dem Häusermarkt auch die Vermögenssituation der Haushalte wieder verbessert. Für den Häusermarkt erkennen wir noch Spielraum nach oben. Währenddessen ist die Arbeitslosigkeit deutlich zurückgegangen, die Energiepreise sind niedrig und die Inflation in den USA ist weiter gering. Diese Trends sprechen für einen fortgesetzten US-Aufschwung.

Manche Beobachter würden einwenden, dass die Stärke der US-Wirtschaft den US-Markt im Verhältnis zur übrigen Welt verteuert hat. Nach den meisten Marktbarometern spiegeln steigende Kurse von US-Aktien den dortigen Konjunkturaufschwung wider, der weiter fortgeschritten ist als in den meisten anderen Industrieländern.

In Europa hinkt die Erholung hinter den USA her, was vor allem auch den Sparmaßnahmen zuzuschreiben ist, die in manchen der am schwersten in Mitleidenschaft gezogenen Ländern der Europäischen Union Voraussetzung für Hilfspakete waren. Doch unseres Erachtens könnte Europa bald über den Berg sein. Immerhin interessieren wir uns schon seit mehreren Jahren für europäische Aktien, weil diese nach unseren Beobachtungen generell mit so deutlichem Abschlag auf US-Aktien und ihre eigene Historie notieren.

Besonders spannend finden wir die Anlageaussichten in Europa deshalb, weil bei europäischen Aktien eine Erholung der Unternehmenserträge, wie sie in den USA zu beobachten war, noch aussteht. Anders als in den USA haben sich die operativen Margen (also der Anteil am Umsatz eines Unternehmens nach Abzug der verschiedenen Produktionskosten) in Europa noch nicht solide erholt. Viele Beobachter lasten das strukturellen Faktoren an wie starren Arbeitsmärkten, höheren Steuern oder diversen anderen spezifisch europäischen Umständen. Doch ein Blick auf die historischen Daten zeigt, dass diese Faktoren europäische Unternehmen in der Vergangenheit nicht bremsen konnten. Unseres Erachtens werden sich mit Europa auch die Erträge der europäischen Unternehmen erholen.

Die erhebliche Liquidität der Unternehmensbilanzen zählt zu den Aspekten, die uns Zuversicht vermitteln, dass es bei der Entwicklung globaler Aktien noch Luft nach oben gibt. Liquide Unternehmen haben die Wahl. Sie können in Expansion investieren, höhere Dividenden ausschütten oder Aktien zurückkaufen. All diese Optionen steigern potenziell Gewinne und Erträge.

Als langfristige Bottom-up-Investoren orientieren wir uns daran, wo Auslöser für Verbesserungen noch nicht klar ersichtlich sind. Wir arbeiten mit einem Zeithorizont von mindestens fünf Jahren und investieren in mitunter unpopuläre Titel, denn wir sind bereit, geduldig abzuwarten, bis sich der von unseren Analysen ermittelte potenzielle Wert realisiert. Bei der weltweiten Suche nach Wertpotenzial fallen uns vor allem auf Finanztitel auf. In den USA und Europa hat sich im Bankensektor seit der Finanzkrise viel getan. In den USA haben Banken Fremdkapital abgebaut und umstrukturiert.

Notleidende Kredite wurden abgeschrieben oder eingetrieben. Die Rückstellungen für Kreditausfälle sind entsprechend zurückgegangen, und die Gewinne ziehen an. Auch vergeben US-Banken allmählich wieder mehr Kredit. Europäische Banken sind noch nicht ganz so weit, zeigen aber offenbar ähnlich positive Tendenzen. Diese haben sich unseres Erachtens in den aktuellen Bewertungen nur teilweise niedergeschlagen, weil der Sektor bei Anlegern nach wie vor so unpopulär ist.

Ein anderer Bereich, der uns aus ähnlichen Gründen anspricht, sind Öldienstleister. Die Kurse von Energieunternehmen stehen unter gewissem Druck, weil künftig mit verstärktem Ölangebot gerechnet wird und die Investitionen großer integrierter Ölgesellschaften in Exploration und Erschließung weniger produktiv ausfallen könnten. Öldienstleister profitieren dagegen nach wie vor von in letzter Zeit entdeckten Öl- und Gasvorkommen, die zur Förderung komplexere Technik und Dienstleistungen erfordern. Geht auf den globalen Märkten Angst um die Ölpreise um, leiden darunter tendenziell auch die Öldienstleister. In den letzten Jahren haben wir solche Marktbedingungen nach Möglichkeit ausgenutzt.

Unsere aktive Aufteilung über die verschiedenen Vermögensklassen basiert auf fundamentalem Bottom-up-Research. Wir stützen unsere Entscheidungen zur Anlage in einzelne und alle Vermögensklassen nicht auf „bombensichere“ makroökonomische Einschätzungen. Vielmehr bewerten wir die realisierbaren Portfolios jeder Vermögensklasse danach, wo unsere Bewertungs- und Risikoanalysen auf solides langfristiges risikoadjustiertes Gesamtertragspotenzial hinweisen – einschließlich einer laufenden Ertragskomponente.

Autorin: Lisa Myers, Portfolio Manager und Research Analyst bei der Templeton Global Equity Group

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen