Kommentar
12:23 Uhr, 11.03.2011

E10: Die Abstimmung an der Zapfsäule

Wenn es schon praktisch keinerlei plebiszitären Elemente auf Bundesebene gibt, dann demonstrieren die Bürger ihr politisches Engagement eben an der Supermarktkasse und an der Zapfsäule. Das E10-Desaster zeigt mal wieder eindrucksvoll, dass die Menschen keine Lust mehr haben, für dumm verkauft zu werden. Es reiht sich ein in eine Kette von peinlichen Fehlentscheidungen in Brüssel, die bei uns dann noch mal eine Stufe verschlimmert umgesetzt werden. Stichworte z.B. Antidiskriminierungsgesetz und Glühbirnenverbot.

Das Debakel um E10 ist nur auf den ersten Blick im wesentlichen eine Kommunikationspanne. Selbstverständlich ist es wichtig, dass die Motoren einwandfrei laufen, es keine Langzeitschäden gibt und auch alle Kunden richtig informiert werden. Das ist aber sicherlich nicht so dramatisch - in Südamerika fahren die Autos schließlich schon Jahrzehnte mit bis zu 100% Ethanol.

Das eigentlich Skandalöse ist der Vorwand, unter dem Ethanol zwangsweise dem Benzin beigemischt wird (das gilt ebenso für den bereits geltenden bis zu 5%igen Anteil im Super Plus wie für das neue E10 mit bis zu 10% Ethanol). Es sei angeblich klimaschonend! Selten so herzhaft gelacht. Selbst wenn man die Ursächlichkeit von CO2-Anteil in der Atmosphäre und Temperaturanstieg grundsätzlich akzeptiert, muss man gegen E10 sein - denn kritische Studien, die nicht von der Agrarlobby finanziert sind, kommen zu dem Schluss, dass die CO2-Bilanz von Biosprit extrem mager wenn nicht sogar negativ ist. Sprich: Null Beimischung wäre aus diesem Blickwinkel sogar besser. Nicht umsonst distanziert sich die wirklich ökologische Bewegung denn auch deutlich, sogar CO2-Papst und Friedensnobelpreisträger Al Gore, der den ganzen CO2-Hype wesentlich in der Öffentlichkeit befeuert hat, will von Ethanol nichts mehr wissen.

Noch dramatischer ist aber die Tatsache, dass der Staat die Umwandlung von Nahrungsmitteln in Treibstoff finanziell fördert. Das muss man unter dem Aspekt sehen, dass die Konkurrenzsituation zwischen Nahrung und "Ökosprit" eine Realität ist, die man auch mit gefälschten Studien nicht widerlegen kann. Letztlich braucht man dazu für eine qualitative Aussage gar keine Untersuchung, weil jeder Mensch mit dem ihm eigenen gesunden Menschenverstand ergründen kann, dass dies gar nicht anders sein kann. Quantitative Untersuchungen kommen zu unterschiedlich ausgeprägten Einflüssen des "Agrarsprits"; es sind sich aber praktisch alle einig - bis auf die sehr überraschenden Ausnahmen derjenigen, die davon profitieren - dass es einen signifikanten Einfluss des weltweiten Trends zu Biosprit auf die Nahrungsmittelpreise gibt. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass Acker-Flächen nun mal limitiert sind und die Weltbevölkerung auf Jahrzehnte hin weiter wächst, braucht man nicht lange nachdenken um darauf zu kommen, was davon zu halten ist.

Der Gipfel der Frechheit ist aber, dass die Politik den "Spekulanten", die heute Sündenböcke für praktisch jedes Problem auf dem Planeten sind, die Schuld an explodierenden Nahrungsmittelpreisen gibt - während sie zeitgleich die Verarbeitung zu Treibstoff fördert!! Wie sagt man im jiddischen: Chuzpe!

Der einzig richtige Weg wäre, die Förderung für den Biosprit der aktuellen Generation radikal zu beenden. Dass die Bürger gezwungen werden mitzumachen und gar keine Alternative mehr völlig ohne Ethanol tanken können muss man schon fast als Nötigung bezeichnen.

Aussichtsreich sind dagegen Biokraftstoffe der nächsten Generation - sie nutzen z.B. konsequent alle nicht zu Nahrung und Futter verarbeitbaren Abfälle und Beiprodukte der Agrarwirtschaft. Dagegen kann nun wirklich niemand etwas haben. Das "Benzinproblem" lösen können wir damit zwar auch nicht, brauchen wir aber auch nicht. Selbst wenn das Öl wirklich nur noch 40 bis 50 Jahre hält, bis dahin sind schon so viele neue Möglichkeiten der Energieerzeugung erforscht, dass man über Energieknappheit nur noch lächeln wird. Und wer glaubt ernsthaft, dass Autos in 50 Jahren noch mit Benzin fahren?

Ihr

Daniel Kühn

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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