Kommentar
08:09 Uhr, 04.06.2015

Draghis Rat: Finden Sie sich mit der hohen Volatilität ab!

Es ist eine seltene Mischung an Daten, Entscheidungen und Sentiment, die wir sehen. Draghi zeigte sich in der gestrigen Pressekonferenz recht zufrieden und wehrte alles ab, was nur ansatzweise darauf hindeuten könnte, dass das Anleihenkaufprogramm früher endet.

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Einerseits hält die EZB ganz klar Kurs und wischt jeglichen Zweifel beiseite, dass das europäische QE früher beendet werden könnte. Anderseits ist die EZB natürlich trotzdem flexibel. Das betonte Draghi, indem er etwas ironisch bemerkte, die EZB könne jederzeit mehr tun, sollte es notwendig werden.

Draghi wirkt häufig trocken. Dahinter steckt oft ein subtiler Humor. Ohne diesen gibt es keine Pressekonferenz. Gestern aber schien die Laune besonders gut zu sein. Vielleicht lag es auch einfach nur daran, dass dieses Mal eine Konfettiattacke ausblieb. Bei der letzten Pressekonferenz hatte es eine solche gegeben.

Die EZB bleibt ohne Zweifel auf Kurs. Die leicht anziehende Inflation würde das 2% Ziel nicht einmal annähernd in Reichweite bringen. Vor September 2016 wird das Kaufprogramm also nicht gedrosselt - vorerst zumindest. Der Euro gewinnt seit vorgestern in großen Prozentschritten an Wert gegenüber dem Dollar. Man könnte fast meinen, der Markt glaubt Draghi nicht.

Der Markt sollte es aber tun. Die Inflation zog im Mai ganz leicht an. Ein Grund das Mandat der EZB als erfüllt zu erklären ist das noch lange nicht. Der Ölpreis ist über die vergangenen Monate wieder gestiegen. Im Jahresvergleich, der für die Inflation gerne herangezogen wird, ist der Ölpreis allerdings noch deutlich im Minus. Gleichzeitig ist aber auch der Euro im Jahresvergleich stark gefallen. Beide Faktoren dürften sich im Großen und Ganzen die Waage halten.

Sofern der Euro nun mittelfristig dabei bleibt einen Boden auszubilden und wieder zu steigen, dann kann der Ölpreis zulegen, ohne die Inflation ansteigen zu lassen. Durchaus wahrscheinlich ist sogar ein Szenario, indem der Ölpreis seitwärts läuft oder noch einmal fällt während der Euro aufwertet. Dann ist die leicht positive Inflation auch schnell wieder bei 0%. Einen signifikanten Anstieg der Inflation auf Sicht einiger Monate zu erwarten ist fast schon abwegig. Inflation wird das Anleihenkaufprogramm nicht beenden.

Der Markt nimmt das vermutlich nicht so wahr. Der Euro wertet auf und die Renditen für Staatsanleihen der Euroländer steigen rasant an. Bei deutschen Anleihen ist der Anstieg stark ausgeprägt. Wer allerdings wirklich "Action" sehen will, der geht nach Irland oder Portugal. Die US Renditen halten sich hingegen überraschend gut, obwohl auch diese ansteigen. Generell sieht die Tendenz für die USA ungewohnt aus. In den vergangenen Monaten hat sich jeder daran gewöhnt, dass der Dollar steigt und die Renditen für Staatsanleihen seitwärts laufen. Jetzt fällt der Dollar und die Renditen für Anleihen steigen. Das passt eigentlich nicht zusammen.

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Steigende Renditen würden eigentlich eine Zinswende andeuten. Gleichzeitig müsste dann aber auch der Dollar steigen. Das tut er nicht. Die Bewegungen sind derzeit widersprüchlich, dabei waren die US Daten heute ganz gut. Die ADP Arbeitsmarktdaten beziffern den Stellenaufbau im Mai auf 201.000. Der Markt honoriert das mit leicht steigenden Kursen. Weltbewegend ist das jedoch alles nicht und schon gar nichts, was Anleihen und Dollarkurse stark bewegen sollte.

Die Grafik zeigt die von ADP ausgewiesenen neu geschaffenen Stellen auf Monatsbasis und stellt sie den offiziellen Daten gegenüber. Die Abweichungen das ADP Daten zu den offiziellen Angaben können teil um hunderttausende abweichen. Insofern sind die heutigen Zahlen auch nur eine ganz grobe Indikation.

So oder so, es gibt keinen offensichtlichen Grund für die Bewegungen, die wir momentan sehen. Die widersprüchliche Richtung von Dollar und Anleihenrendite gibt Rätsel auf. Vielleicht haben Anleger endlich bemerkt, dass sich Anleihen in einer Blase befinden und verlassen das sinkende Schiff, solange es noch zu guten Preisen geht. Die Liquidität auf den Anleihenmarkt ist zuletzt stark rückläufig gewesen. Wenn da erst einmal ein Trend in Gang kommt, dann kann er sich schnell beschleunigen und es zu großen Ausschlägen kommen. Das weiß auch Draghi. Er rät: Finden Sie sich damit ab. Na dann.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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