Kommentar
06:17 Uhr, 15.08.2016

Draghis neue Wunderwaffe

Zentralbanken habe eine neue Liebe entdeckt: Unternehmensanleihen. Die Zuneigung dürfte sich jedoch als ziemlich einseitig herausstellen.

QE-Bilanz: EZB ist zufrieden

Vergangene Woche zog die EZB zum ersten Mal eine offizielle Bilanz in Bezug auf ihr erweitertes Quantitative Easing Programm. Dabei zeigt sie sich durchaus zufrieden. Das Kaufprogramm von Unternehmensanleihen läuft gut und zeigt die gewünschten Effekte. Allein schon die Ankündigung des Programms im März zeigte große Wirkung.

Die EZB führte eine Event-Studie durch. Durch eine solche Studie wird festgestellt, welchen Effekt die Ankündigung des Corporate Sector Purchase Program (CSPP) hatte. Das Ergebnis dieser Studie ist in Grafik 1 dargestellt.

Die EZB kauft Anleihen von Nicht-Banken im Investment Grade Bereich. Allein durch die Ankündigung der Käufe sanken die Zinsspreads um 20 Basispunkte bzw. 0,2 %. Der Effekt ist jedoch nicht nur auf das Zielsegment begrenzt. Auch die Zinsen von Bankanleihen und Hochzinsanleihen (Ramschanleihen) sanken. Der Effekt auf die Zinsen für Ramschanleihen war sogar am höchsten, obwohl die EZB hier gar keine Anleihen kauft.

Seit der Ankündigung hat sich viel getan und die Spreads sind weiter gesunken. Für das Zielsegment sind die Zinsen inzwischen um durchschnittlich 0,8 Prozentpunkte gesunken. Das bedeutet, dass eine Anleihe, die noch vor der Ankündigung 4 % zahlte, inzwischen nur noch eine Rendite von 3,2 % ausweist.

Die Zinsen sinken in atemberaubenden Tempo

Das ist angesichts des Kaufvolumens bemerkenswert. Betrachtet man die monatlichen Käufe unter den verschiedenen Wertpapierkaufprogrammen (Grafik 2), dann zeigt sich, dass die Unternehmensanleihekäufe im Vergleich recht bescheiden sind. Im Juni kaufte die EZB Unternehmensanleihen im Volumen von 6,4 Mrd. Euro und im Juli im Umfang von 6,8 Mrd. Euro.

Für das vergleichsweise geringe Ausmaß des Kaufvolumens ist der Effekt enorm hoch. Das erklärt auch, weshalb Zentralbanken Käufe von Unternehmensanleihen als neue Wunderwaffe entdeckt haben. Für vergleichsweise geringe Volumina, die die Notenbank in ihre Bilanz aufnimmt, sinken die Zinsen massiv.
Der Effekt in der Eurozone dürfte auch die Bank of England überzeugt haben. Sie zog vergangene Woche nach und kündigte ebenfalls den Kauf von Unternehmensanleihen an. Die Zinsen sanken prompt auf neue Tiefs.

Lesen Sie dazu auch: Bank of England: Aufgabe des Ziels der Preisstabilität!


In der Eurozone sind die Zinsen inzwischen soweit gesunken, dass 20 % der gekauften Unternehmensanleihen eine negative Rendite ausweisen

Die EZB kauft Anleihen entsprechend der Verteilung der Kreditratings. Sind z.B. 20 % der Anleihen im AA-Ratingbereich, beträgt der Anteil der von der EZB gekauften Anleihen in diesem Ratingbereich ebenfalls ca. 20 %.

Die Käufe von Unternehmensanleihen sind für die Notenbank im Vergleich zu Staatsanleihenkäufen aufwendig. Allein in den zurückliegenden zwei Monaten kaufte die EZB 458 verschiedene Unternehmensanleihen von 175 Unternehmen. Die jeweiligen Investitionssummen sind klein, da Unternehmensanleihen oftmals ein sehr viel kleineres Volumen haben als Staatsanleihen. Staaten geben Anleihen mit Volumen von mehreren Milliarden aus. Unternehmen befinden sich eher im Millionenbereich.

Bisher machen Käufe von weniger als 10 Mio. knapp 60 % aller Käufe aus. Nur in 8 % aller Fälle investierte die EZB mehr als 50 Mio. in eine einzelne Unternehmensanleihe. Bei einer solchen Verteilung muss die Notenbank einen großen Aufwand betreiben, um das Portfolio zu steuern und zu überwachen. Der Aufwand scheint sich jedoch zu lohnen.

Die Ausgabe von Euroanleihen war im zweiten Quartal 2016 so hoch wie seit Q2 2009 nicht mehr. Damals finanzierten sich Unternehmen vor allem über den Anleihemarkt, da Banken kaum noch Kredite vergaben. Das Ausgabevolumen lag bei knapp 60 Mrd. Euro. Das ist rekordverdächtig.
Unterm Strich können Unternehmen derzeit mehr Schulden aufnehmen und müssen dafür weniger zahlen. Die Hoffnung der Notenbank ist nun, dass Unternehmen die günstigen Bedingungen nutzen, um mehr zu investieren. Durch die extrem niedrigen Zinsen müssen Investitionen nun nur noch geringe Renditen abwerfen, um profitabel zu sein.

Gewinnschwelle für Unternehmensinvestitionen sinkt

Lag die Renditeschwelle, ab der sich eine Investition für Unternehmen lohnt, Ende 2015 z.B. noch bei 5 %, ist sie inzwischen für Unternehmen mit sehr gutem Rating auf die Hälfte gesunken. Kommt es zu diesem Impuls, den sich die Notenbank erhofft, kann es zu einem Investitionsboom kommen. Das kann erheblichen Druck von der staatlichen Seite nehmen.

Niedrige Zinsen helfen Staaten in der Eurozone derzeit vor allem die Defizite in den Griff zu bekommen. Investieren können sie jedoch kaum. Die Schulden sind dafür einfach zu hoch. Wenn der Staat nicht investiert, dann müssen es andere tun. In diesem Fall bleiben nur Unternehmen. Die niedrigen Zinsen sollen das schmackhaft machen.

Ob das wirklich gelingt, ist derzeit noch fraglich. Die Zinsen waren auch vor dem erweiterten QE Programm niedrig. Für Investitionsentscheidungen dürfte nicht so sehr das absolute Zinsniveau ausschlaggebend sein, sondern vielmehr die zu erzielenden Renditen der Investitionen. Diese wird, solange die Arbeitslosigkeit in vielen Ländern hoch ist und die Unsicherheit groß bleibt (z.B. Brexit), vermutlich zu gering eingeschätzt werden, um einen Investitionsboom auszulösen.

Notenbanken haben in Käufen von Unternehmensanleihen ein neues Instrument gefunden. Theoretisch kann der Einfluss auf die Wirtschaft sehr viel größer sein als der Kauf von Staatsanleihen. Damit es zu dem erhofften Effekt kommt, müssen jedoch viele Faktoren erfüllt sein, die derzeit nicht erfüllt sind. Die Liebe der Notenbanken zu dem neuen Instrument wird daher erst einmal einseitig bleiben.

Clemens Schmale

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4 Kommentare

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  • moneymaker22
    moneymaker22

    Investieren werden sie das billige Geld schon, was sollen sie auch sonst damit machen, die Frage ist eher ob in der Realwirtschaft oder in Aktien-Rückkauf-Programme :-)))

    10:50 Uhr, 15.08.2016
  • netzadler
    netzadler

    durch die sinkenden Zinsen sind aber leider leider die pensionslasten durch die decke gegangen. so ein Pech aber auch.

    der mann kann nicht bis drei zählen, meine meinung

    10:45 Uhr, 15.08.2016
  • tourguide
    tourguide

    Bamit macht die EZB mittlerweile das Gleiche wie die FED und andere Zentralbanken. Der Verschuldungsgrad der Nationalstaaten wird exorbitant in die Höhe schnellen. So kann der politische Druck der EZB auf die Nationalstaate in Ihrem Sinne zu agieren, weiter erhöht werden. Ob das gut gehen kann???

    06:22 Uhr, 15.08.2016

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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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