Kommentar
07:47 Uhr, 05.08.2016

Bank of England: Aufgabe des Ziels der Preisstabilität!

Die Erwartungen an die britische Notenbank waren hoch, doch letztendlich gelang es ihr überraschend einfach, den Markt zu überzeugen.

Im Vorfeld des gestrigen geldpolitischen Entscheids waren sich viele Analysten sicher, dass zumindest eine Zinssenkung um 25 Basispunkte zu 100 % eingepreist sei. Die Zinssenkung kam wie erwartet, doch der Markt reagierte trotzdem kräftig. Das Pfund verlor gegenüber dem Dollar binnen Minuten 1,5 %. Da war also ganz und gar nicht alles zu 100 % eingepreist.

Die Überraschung des Marktes ist fast selbst ein wenig überraschend

Viel wurde über die Wiederaufnahme der Staatsanleihenkäufe spekuliert worden. Ganz offensichtlich unterschätzten Marktteilnehmer aber das Ausmaß dieser Maßnahme.

Die BoE wird ihren bestehenden Bestand an Staatsanleihen in ihrer Bilanz um 60 Mrd. Pfund erweitern. Seit Ende des britischen QE stagnierte der Bestand bei 375 Mrd. und soll nun auf 435 Mrd. ansteigen. Im Vergleich zu den Summen, die die japanische Notenbank oder die EZB jeden Monat in den Markt pumpen, wirkt das Volumen vielleicht klein, doch Großbritannien ist wesentlich kleiner und die BoE hält bereits einen sehr hohen Anteil der Staatsschulden.

Lesen Sie dazu auch: Japan - Konjunkturprogramm enttäuscht die Märkte

Die Grafik zeigt die Entwicklung des Staatsanleihenbestandes der BoE seit Beginn des ersten QE Programms. Gemessen an den Staatsschulden hielt die BoE einmal 28 % aller ausstehenden Anleihen. Durch die stagnierende Summe an gehaltenen Anleihen, aber weiter steigenden Staatsschulden, sank dieser Prozentsatz auf 23 %. Unter der Annahme, dass die Regierung bis Jahresende ihre Schulden um 60 Mrd. erhöht, steigt der Anteil wieder auf 26 %. Das ist nicht weit unterhalb des bisherigen Rekordwertes.

Bank of England gibt Preisstabilität auf!

Die Notenbank begründet ihr Maßnahmenpaket ausführlich und auch ziemlich ehrlich. Das Ziel der Preisstabilität gibt sie kurzfristig auf. Wegen der Pfundabwertung wird die Inflation aller Erwartungen nach über 2 % steigen und dort auch eine Weile verharren. Die Notenbanker mussten sich allerdings für eine von zwei Möglichkeiten entscheiden: entweder behalten sie das Inflationsziel im Blick oder das Wirtschaftswachstum. Eine Unterstützung des Wachstums bei einer Begrenzung der Inflation auf 2 % ist nicht machbar. Letztlich entschieden sich die Notenbanker für Wachstum und nicht für Preisstabilität.

Da die Maßnahmen ganz und gar nicht einstimmig beschlossen wurden, erkennt man, dass das Dilemma für heiße Diskussionen gesorgt hat. Insbesondere die Wiederaufnahme der Staatsanleihenkäufe erhielt 3 Gegenstimmen. 6 Notenbanker stimmten für die Maßnahme. Die Zinssenkung wurde einstimmig beschlossen. Die Erweiterung von QE um den Kauf von Unternehmensanleihen wurde mit einer Gegenstimme genehmigt.

QE wäre eigentlich gar nicht mehr nötig

Dass die Entscheidung für eine Ausweitung der Staatsanleihenkäufe nicht einstimmig fiel, ist nachvollziehbar. Die Renditen für Staatsanleihen sind auch ohne Zutun der Notenbank im Sinkflug. QE braucht es eigentlich nicht mehr. Dennoch wird es durchgeführt, mit der Begründung, dass einige Zinssätze von den Renditen von Staatsanleihen (z.B. langfristige Hypothekenzinsen) abhängig sind. Werden die Renditen noch zusätzlich gedrückt, dann sinken auch diese Zinsen.

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Der Kauf von Unternehmensanleihen soll mehrere Effekte haben. Während Halter von Staatsanleihen nach größtmöglicher Stabilität suchen, sind Halter von Unternehmensanleihen etwas risikofreudiger. Unternehmensanleihen haben ein höheres Risiko als Staatsanleihen. Die entsprechenden Investoren sind also bereit mehr Risiko auf sich zu nehmen. Werden sie durch QE aus dem Markt gedrängt, ist es wahrscheinlicher, dass diese Investoren in andere Risikoassets gehen, wie z.B. Hochzinsanleihen. Im Idealfall investieren sie in der Realwirtschaft.
Werden Investoren aus dem Markt für Staatsanleihen gedrängt, landet das Geld mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit in der Realwirtschaft, da die entsprechenden Investoren eine hohe Risikoabneigung haben.

Spezielles Programm mit extraniedrigen Zinsen

Um zu garantieren, dass die Maßnahmen, vor allem die Zinssenkung, auch an die Wirtschaft weitergegen werden, legt die BoE ein Term Funding Scheme (TFS) auf. Dieses ist in etwa vergleichbar mit den TLTROs (Targeted Long Term Refinancing Operations) der EZB. Hierbei können sich Banken für vier Jahre zu besonders niedrigen Zinsen bei der Zentralbank Geld besorgen.

Normalerweise zahlen Banken einen höheren Satz für Ausleihungen bei der Zentralbank als sie erhalten, wenn sie Geld dort parken. Das TFS schließt die Lücke zwischen den beiden Sätzen fast vollkommen. Das ermöglicht eine höhere Wirksamkeit der Zinssenkung, weil die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass sie auch weitergereicht wird.

Alles in allem hat sich die BoE nicht lumpen lassen. Sie deutete sogar jetzt schon einmal vorsichtshalber an, dass die Zinsen auch noch tiefer sinken können. Dabei gilt für die BoE jedoch eine untere Grenze von knapp über 0 %. Das unterscheidet sie von anderen Notenbanken.

Das Maßnahmenpaket ist umfassender als gedacht. Das ist ein absoluter Rundumschlag. Meiner persönlichen Meinung nach wäre dieser in diesem Umfang absolut nicht notwendig gewesen. Die BoE sieht das anders. Entweder weiß sie mehr (dass die Wirtschaft tatsächlich abstürzt) oder sie hat sich nach den exzessiven Maßnahmenpaketen der anderen Notenbanken unter Druck gefühlt. Letzteres halte ich für wahrscheinlicher.

Clemens Schmale

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4 Kommentare

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  • bembes
    bembes

    Hallo Herr Schmale,

    guter Bericht bzw. Analyse.

    Jetzt wäre auch mal Zeit wieder den Bund Future zu analysieren.

    Danke

    08:39 Uhr, 05.08. 2016
  • Weißer Ritter
    Weißer Ritter

    Für Aktien muß man auf Sicht von Jahren bullisch sein, weil sie als Anlage alternativlos sind, nicht weil der S&P 500 ausgebrochen ist. Das ist zwar ein gutes Zeichen, entscheidend ist aber der Dow. Der ist nicht ausgebrochen, und sollte er zu einer schärferen Korrektur ansätzen, würde er den S&P unweigerlich mit sich ziehen. Also abwarten.

    08:34 Uhr, 05.08. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • tourguide
    tourguide

    Hallo Herr Schmall, erst einmal Danke für die sehr gut ausgearbeitete Berichte. Sie geben einem Nicht-Betriebswirt doch einige Hintergrundinformationen. Ich habe dazu eine Frage: Ich lese immer wieder in den Berichten der FED oder anderer Notenbanken, dass Sie sich Sorgen um die Preisstabilität machen. Ich allerdings habe das Gefühl die meinen die Anleihenpreise und nicht die Preise in den Supermärkten. Ist das so? Oder was definiert den Begriff?

    08:24 Uhr, 05.08. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

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