Kommentar
08:17 Uhr, 26.08.2015

Dow Jones erst unter 13.000 Punkten wieder fair bewertet?

Wer die Korrektur nun schon für beendet erklärt ist vermutlich zu früh dran. Zumindest gibt es aus fundamentaler Sicht ein klares Kursziel für die US Indizes und dieses wurde noch nicht erreicht.

Die Wochenendschlagzeilen hatten es in sich. Es wurden wilde Kursziele für die US Indizes aus dem Hut gezaubert. Da verlieren Indizes zwischen 6 und 10% ausgehend von ihren Allzeithochs und schon ist von Kurszielen die Rede, die noch einmal 30 oder sogar 70% tiefer stehen.

Es handelt sich bei einigen Überlegungen um interessante Gedankenexperimente, aber nicht mehr. Kursziele von 5.000 für den Dow Jones halte ich persönlich derzeit für unrealistisch. Emotional kann man die Panik vielleicht nachvollziehen, doch rein rational gesehen ist sie Unsinn.

Um den Unsinn zu entlarven, muss man wissen, woher die möglichen Kursziele stammen. Eines der möglichen Worst-Case Szenarien wurde aus Tobin’s Q hergeleitet.

Tobin’s Q zeigt den Substanzwert eines Unternehmens im Verhältnis zur Börsenbewertung

Der Substanzwert ist dabei als Wiederbeschaffungswert zu verstehen. Der Wiederbeschaffungswert drückt aus, wie viel es kosten würde, ein Unternehmen heute von Grund auf neu aufzubauen. Dazu zählen vor allem „handfeste“ Werte wie Gebäude und Maschinen. Es zählen keine immateriellen Vermögenswerte dazu. Rein theoretisch könnte man Apple mit einem Kapital von 180 Mrd. ein zweites Mal aus dem Boden stampfen. Ob dieses zweite Apple dann aber auch den Umsatz und Gewinn generiert wie das Original, sei dahingestellt.

Der Vergleich von Substanz- und Börsenwert macht Sinn. Viele Unternehmen haben zwar wichtige immaterielle Vermögenswerte, doch sie sind im Vergleich zu den greifbaren Assets immer noch gering.

Der US Markt wird momentan mit einem Q von 1 bewertet. In der Gesamtheit kann man derzeit alle notierten Unternehmen zu ihrem Substanzwert aufkaufen. Eigentlich scheint das ein fairer Deal zu sein. Man zahlt weder einen Aufpreis auf die Substanzwerte noch bekommt man sie zu einem Abschlag. Nach einem Grund für eine ausgedehnte Korrektur oder einem Crash von 70% klingt das nicht.

Grafik 1 zeigt den Q-Wert und den Dow Jones im Vergleich. Es ist sofort ersichtlich, dass ein hohes Q von deutlich über 1 eine Überbewertung andeutet. Das ist nachvollziehbar. Wieso sollte man auch am Markt für ein Unternehmen mehr zahlen, wenn es billiger wäre, es von Grund auf neu aufzubauen?

Intuitiv würde man Q-Werte um 1 herum erwarten. Das erscheint fair. Die Historie zeigt jedoch, dass Werte um 1 herum selten sind. Im langjährigen Durchschnitt liegt Q bei 0,65. Das heißt, dass man Unternehmen im Mittel an der Börse zu 65% ihres Substanzwertes kaufen kann. Würde der Q-Wert nun in der aktuellen Abwärtsbewegung zu diesem Mittelwert zurückkehren, dann müssten die US Indizes insgesamt um 35% fallen.

Selbst bei einem Rückgang von 35% kommt man nicht auf Kursziele von 5.000. Dazu muss man vom absoluten Worst-Case ausgehen. Diesen erlebten die Märkte bisher 3 Mal. 1933, 1951 und 1982 erreichte der Q-Wert jeweils ein Tief bei ungefähr 0,3. Würde dieses Niveau wieder erreicht werden, dann müsste der Dow Jones tatsächlich um 70% fallen. Aber ist das auch nur ansatzweise realistisch?

Der Einfluss der Inflation

Die Antwortet lautet ganz klar Nein. Um das nachvollziehen zu können muss man sich damit beschäftigen, wieso der Q-Wert überhaupt einen durchschnittlichen Wert von unter 1 hat. Die Erklärung dafür gibt Grafik 2. Dargestellt ist Tobin’s Q, der Dow Jones und die Inflationsrate der USA. Auf den ersten Blick sieht man, dass sich Q und Inflation konträr zueinander bewegen.

Inflation hat einen bestimmenden Einfluss auf den Substanzwert. Ist die Inflation hoch, dann ist die Wiederbeschaffung in einem Jahr teurer als heute. Ist die Inflation sehr niedrig oder negativ, dann bleibt der Wiederbeschaffungswert konstant oder sinkt sogar.

Generell wird davon ausgegangen, dass das Anlagevermögen alle 13 Jahre erneuert werden muss. Einige Anlagen wie Maschinen für die Produktion oder Computer für Back Office Funktionen müssen häufiger erneuert werden. Andere Anlagen wie Gebäude haben eine längere Lebenszeit, müssen jedoch regelmäßig instand gehalten und teilweise komplett ersetzt werden.

Die Inflationsrate lag in den USA von 1913 bis 2015 im Durchschnitt bei 3,3%. Diskontiert man nun den Substanzwert eines Unternehmens heute über 13 Jahre mit einer Teuerungsrate von 3,3%, dann erhält man einen Wert von 0,65. Das ist genau das durchschnittliche Q von 1913 bis 2015.

In den 70er Jahren lag die Inflation bei durchschnittlich 7,1%. Diskontiert man damit den Substanzwert von 1, dann ergibt sich ein Q von 0,41. Der Q-Mittelwert lag in den 70ern bei 0,5. Die Formel stimmt also nicht unbedingt in jedem einzelnen Fall. Grafik 3 zeigt jedoch wie gut die Inflation Tobin’s Q erklärt.


Grafik 3 zeigt das tatsächliche gemessene Q, die Inflation und ein berechnetes Q. Das berechnete Q ergibt sich aus der Abzinsung des Substanzwertes mit der Inflation der jeweils letzten 13 Jahre. Da das reale Q stark von den Ausschlägen auf den Aktienmärkten abhängig ist und daher selbst stark schwankt, laufen beide Qs nur selten in absolutem Gleichschritt.

Das berechnete Q ist, wenn man so will, das faire Q. Für die kommenden Jahre ist das faire Q natürlich nicht bekannt, aber man kann es abschätzen. Dazu gehe ich von einem Anstieg der Inflation auf 2% bis 2018 aus und unterstelle, dass die Inflation bei 2% verharrt. Der faire Q Wert läge dann ab 2020 bei ungefähr 0,8. Geht man davon aus, dass sich die Inflation auf viele Jahre hinaus nicht mehr über 1% bewegt, dann steigt das faire Q sogar Richtung 0,9.

Das Markt-Q, wie es auf den Aktienmärkten bestimmt wird, kann vom fairen Q signifikant abweichen. Wenn man nach einem Worst-Case sucht, dann sollte man sich auf die Abweichung vom fairen Q konzentrieren. Sofern die Welt nicht untergeht, sollte der Markt lediglich zum fairen Wert zurückgehren oder diesen in einer kurzfristigen Übertreibung temporär unterschreiten. Das faire Q liegt derzeit bei 0,75. Der Markt könnte vom jetzigen Niveau also noch 20% nachgeben und wäre dann „exakt“ fair bewertet.

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  • dschungelgold
    dschungelgold

    Pixelnerd! NIEMAND ist unpolitusch. Niemand.

    13:04 Uhr, 26.08. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • 4 Antworten anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Eine Tonne Gold und der Dax will und will nicht steigen. Mensch Draghi was machste denn da? Ach die Inder freuen sich.

    11:37 Uhr, 26.08. 2015
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Deutsche Bank Interviw auf SPON lesen und ablachen. Zu WENIG Liquiditaet.ROFL mindestens 5 Min. ....und dann noch die BANKENREGULIERUNG IST SCHULD. Ich kann nicht mehr. D Bank , you made my day.

    11:03 Uhr, 26.08. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Ich habe den Eindruck, Onkel Draghi hat 10 000 als Parole ausgegeben. Nun werden Schritt fuer Schritt die Milliarden der EZB durch die Aktienspielereien der Grossanleger abgesaugt und Privatisiert. Natuerlich auch Opa Meiers Erspartes gleich mit. Es wird grad, danke Geldpriester Draghi so richtig Kasse gemacht.Nur welchen Wert hat dieses aus Luft gezogene Geld eigentlich noch? Das ist nicht mehr Markt, sondern Religion.

    10:10 Uhr, 26.08. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • shark
    shark

    Bis vor kurzem wurde hier von den "Experten" 20 000 als Ziel für den Dow ausgerufen,obwohl schon erkennbar war,dass bei 18100-18300 der "Deckel"

    drauf war. .Jetzt stehen wir bei ca 16 000 und es wird eine faire Bewertung von 13 000 ausgegeben .Bei aller Wertschätzung Hr.Schmale ,die Erkenntnis kommt reichlich spät,hätten sie dies mal vor 3 Monaten hr.Tiedje und Co gesagt.-)

    09:00 Uhr, 26.08. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • moneymaker22
    moneymaker22

    da staunt man aber wie schnell sich das fundamentale Umfeld geändert hat, vor drei Wochen noch alles Super-Billig und nun 3000 Punkte tiefer alles viel zu teuer

    08:50 Uhr, 26.08. 2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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