Kommentar
06:31 Uhr, 07.09.2016

Digitale Währung: Sieht so die Zukunft der Geldpolitik aus?

Wem der Einfluss der Notenbanken schon jetzt zu groß ist, der hat die Zukunft noch nicht gesehen.

Notenbanken sind omnipräsent. Sie kontrollieren nicht nur die kurzfristigen Zinsen, sondern inzwischen auch die langfristigen Zinsen auf dem Anleihemarkt, sowohl bei Staats- auch als bei Unternehmensanleihen. Sie managen die Wechselkurse der Währungen. Ihre Politik hat großen Einfluss auf Immobilienpreise und die Entwicklung des Aktienmarktes.

Wem das nicht geheuer ist, dem muss die Zukunft ein Graus sein, denn Notenbanken haben noch sehr viel mehr Möglichkeiten, das Finanzsystem zu kontrollieren. Bisher scheitert eine noch umfänglichere Kontrolle, insbesondere bei den Zinsen, an der sogenannten Zero Lower Bound (Nullzinsgrenze). Die Nullzinsgrenze wird ihrem Namen nicht mehr ganz gerecht. Es hat sich inzwischen gezeigt, dass sich auch negative Zinsen durchsetzen lassen.

Obwohl negative Zinsen möglich sind, so sind ihnen doch klare Grenzen gesetzt. Sinken die Zinsen zu tief, dann kommt es zu einer Flucht ins Bargeld. Wenn Unternehmen und Bürger jährlich z.B. 2 % ihres Vermögens verlieren, wenn sie es auf dem Konto belassen, dann ist der Anreiz groß, das Vermögen in Bargeld zu horten. Solange Bargeld existiert, gibt es einen natürlichen Boden für Zinsen.

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Bargeld verhindert, dass Zinsen immer tiefer fallen können. Aus diesem Grund gibt es die Befürchtung, dass Bargeld abgeschafft werden könnte. Gibt es nur noch elektronisches Geld, dann können Zentralbanken die Zinsen sehr viel effektiver senken. Derzeit sind die Zinsen zwar niedrig, doch sie kommen nur teilweise in der Wirtschaft an.

Negative Zinsen und die Anleihekaufprogramme sorgen für rekordtiefe Kreditzinsen. Negative Zinsen werden jedoch noch nicht bei Krediten oder Bankeinlagen weitergegeben. Das begrenzt die Effektivität der Zinspolitik. Aktuell geben Banken weiter fallende Zinsen einfach nicht an ihre Kunden weiter. Das hat sowohl positive als auch negative Auswirkungen. Kredite könnten noch günstiger werden. Dass die Weitergabe stockt, ist für Kreditnehmer ärgerlich. Für Sparer ist es positiv. Banken scheuen sich bisher auf Bankeinlagen negative Zinsen zu erheben.

Die stockende Übertragung der Zinspolitik der Zentralbanken hat viele Ursachen. Die zwei wichtigsten sind die Geschäftsbanken und die Existenz von Bargeld. Banken können mehr oder minder frei entscheiden, inwieweit sie die von der Zentralbank vorgegebenen Zinsen weitergeben. Würden sie die negativen Zinsen an Sparer weitergeben, würden diese wahrscheinlich massenweise in Bargeld flüchten.

Bisher ist es Zentralbanken nicht möglich, ihre Politik schnell und zu 100 % umzusetzen. Dazu sind Geschäftsbanken ein zu großen „Filter“ der Geldpolitik. Das kann sich in der Zukunft ändern. Die britische Notenbank, die Bank of England (BoE), hat dazu den ersten Schritt gemacht. Sie hat untersucht, welche Effekte eine reine Digitalwährung auf die Wirtschaft haben könnte.

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Die BoE hat die theoretischen Möglichkeiten einer Digitalwährung wie Bitcoin ausgelotet. In ihrem Gedankenexperiment ersetzt sie dabei nicht jegliches herkömmliche Geld durch eine Digitalwährung, sondern begrenzt die Ausgabe auf ca. 30 % der Wirtschaftsleistung. Langfristig gibt es jedoch kaum einen Grund, weshalb nicht sämtliches Geld durch eine Digitalwährung ersetzt werden sollte.

Die Einführung einer solchen Digitalwährung hat viele Vorteile für die Notenbank, aber auch für Verbraucher. Da Digitalwährungen keine Intermediäre wie Banken benötigen, wäre es allen Wirtschaftsakteuren grundsätzlich möglich, direkt Zugriff auf die Bilanz der Notenbank und damit Zentralbankgeld zu haben.

Der größte Vorteil des direkten Zugriffs auf Zentralbankgeld: es ist keinem Kreditrisiko ausgesetzt. Durch Intermediäre wie Banken kann Geld einfach verschwinden. Solange Geld auf einem Konto liegt, besteht ein Kreditrisiko. Geht eine Bank aus irgendeinem Grund bankrott, dann ist das Geld auf dem Konto weg. Ein solches Risiko besteht bei der Digitalwährung, die direkt Zentralbankgeld repräsentiert, nicht.

Praktisch kann eine Digitalwährung die Kosten des Geldumlaufs dramatisch senken. Kontogebühren etc. sind hinfällig. Eine Digitalwährung kann klassische Bankdienstleistungen ersetzen und kostenfrei machen. Der Nachteil: Notenbanken erhalten die komplette Kontrolle. Sie können Zinsen beliebig festlegen und durchsetzen. Das ist ein großer Unterschied zum aktuellen System.

Da in einer Welt mit einer von der Notenbank ausgegebenen Digitalwährung nur noch Zentralbankgeld existiert, kann eine Notenbank beliebig tiefe Zinsen durchsetzen. Sie kann praktisch über Nacht durch negative Zinsen das Geld entwerten. Sparer haben keine Möglichkeit, einem solchen Schritt zu entkommen.

Die Notenbank kann negative Zinsen direkt durchsetzen ohne auf Intermediäre angewiesen zu sein. Das gilt natürlich nicht nur für negative Zinsen, sondern auch für positive Zinsen. Die Notenbank würde in diesem Fall jedem Halter der Digitalwährung direkt Zinsen gutschreiben.

Keiner weiß, ob oder wann Notenbanken Digitalwährungen einführen. Es wird zweifelsohne nicht in naher Zukunft geschehen. Die praktischen Probleme sind zu groß. Es ist jedoch eine durchaus realistische, langfristige Vision, die Notenbanken wohl verfolgen werden. Sie können in einer Welt, in der sie eine Digitalwährung ausgeben, die Geldmenge, die Zinsen, Kreditvergabe usw. vollumfassend kontrollieren. Sie können Änderungen zudem innerhalb von Sekunden umsetzen. Über eine stockende Übertragung der Geldpolitik muss man sich dann keine Gedanken mehr machen.

Clemens Schmale

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13 Kommentare

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  • Huckleberry
    Huckleberry

    würde eine Abschaffung des Bargeldes z. B. nur die EZB betreiben und durchsetzen können oder müsse dies auf allen Kontinenten durchgesetzt werden müssen?

    10:20 Uhr, 07.09.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Unbedingt
    Unbedingt

    Interessant wäre einmal zu erfahren, ob die Mehrheit der Finanzfachwelt das ähnlich sieht. Es gäbe darüber hinaus auch noch die Möglichkeit, dass sich alle Zentralbanken (oder die wichtigsten) der Welt zu einem Organ zusammen schließen. Eine einheitliche Weltwärung würde auch einige Probleme und Unwägbarkeiten beseitigen. Aber man darf nie vergessen, dass sich die reinen natürlichen Marktprozesse nicht durch Verbote zum Verschwinden bringen lassen. Das heißt, wenn die Leute mit klassischem Geld verkehren wollen, dann wird es schwarze Märkte und Quellen für solches Geld und schwarzen Warenhandel geben. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Das könnte man nur durch Orwellsche Strukturen und Gesetze verhindern.

    09:54 Uhr, 07.09.2016
  • anweb
    anweb

    Also ich möchte auf keinen Fall gläsern sein was meine Kauf- bzw. Fahrgewohnheiten anbelangt (wenn ich an der Tankstelle bezahle), deshalb habe ich bei der Petition unterzeichnet

    http://www.godmode-trader.de/nachricht/finger-weg-...

    Die EZB hat die Zinsen bereits ins Negative gedrückt, zu Lasten der Sparer. Die EZB kann dies aber nicht beliebig ausreizen, da sie sonst befürchten muss, dass Kunden anfangen ihre Gelder von den Banken abzuheben und dies würde die Banken schnell in arge Schwierigkeiten bringen. Wenn diese Daumenschraube der beliebigen Zinssenkung durch den Wegfall von Bargeld entfällt, dann sind die Bürger noch mehr Spielball, als sie es eh schon sind!

    08:41 Uhr, 07.09.2016
  • Gone Fishing
    Gone Fishing

    Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not auch nichts. Vielleicht wird in naher Zukunft doch ein Punkt erreicht, an dem die Bevölkerung zurückfindet zu einer Gesellschaft mit mehr Gerechtigkeit, mehr Selbstverantwortung, mehr Kontrolle über das eigene Leben, mit weniger Steuern und weniger Staat. Zu einer Gesellschaft in der der gesunde Menschenverstand und das gemeinsame Miteinander das ganze Regelwerk aus Normen, Auflagen, Verordnungen und dreifacher Kontrolle des Ganzen ersetzen können. Das hätte den Vorteil, das so ein System wesentlich flexibler und kostengünstiger funktionieren könnte.

    Die Enteignung über Negativzinsen erfolgt genau einmal erfolgreich - bei der jetzigen Generation, die zuvor auch gespart hatte. Für die nächsten 3 Folgegenarationen wird kein Mensch auch nur einen Digital-Euro sparen - ausser er wird per Gesetz dazu gezwungen.

    Gold- und Bargeldreserven unter der Matratze? In Griechenland sind diese Bestände ab 15.000 Euro seit 01. Januar angabepflichtig und was nicht angegeben wurde und bei Hauskontrollen gefunden wird, wird beschlagnahmt. Solange es nur beim Nachbarn passiert findet man es ja gut, einen europäischen Aufschrei gab es nicht und wer ein Vermögen von 15.000 Euro angesammelt hat, der hat ja auch schon ausgesorgt sozusagen, heutzutage.

    Schweden hat zwar nicht den Euro, dafür sehr erfolgreich die bargeldlose Zahlung in allen Bereichen, sogar per Mobilfunk im Café und per Karte in der Kirche. Auf in die (noch) wohlgemeinte Diktatur.

    08:38 Uhr, 07.09.2016
  • Marco Soda
    Marco Soda

    und was kommt dann ?, hatten wir schon einmal 1 Packung Lucky Strike für een Pfund Kaffee !!! 20 g Gold für een Schwein !! Tausche Kiste Fliesen gegen Vorderachse für een BMW

    07:41 Uhr, 07.09.2016
  • 1000Bagger
    1000Bagger

    Jeder muss seine eigene ZB werden und Silber und Gold horten. Goldaktien könnten als Hebel zum Kauf von 10 mal mehr Gold dienen. http://gebert-trade.weebly.com/goldaktien---der-ko...

    07:40 Uhr, 07.09.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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