Dieser Bullenmarkt ist anders
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„Diesmal ist alles anders“ ist nicht nur einfach ein Satz. Es ist die Essenz dessen, was viele Anleger falsch machen. Vor allem Börsenneulinge sind gefährdet. Wer seit vielen Jahren oder Jahrzehnten an der Börse ist, lernt mit der Zeit, dass sich die Dinge wiederholen. Wer etwas noch nicht erlebt hat, kann sich das schwer vorstellen und begeht daher Anlagefehler.
Das jüngste Beispiel ist noch frisch. Anleger katapultierten die Aktie von Gamestop von 20 Dollar auf fast 500 Dollar nach oben. Als der Kurs dann 90 % verlor, war das Geschrei groß. In den Foren war plötzlich von vernichtenden Verlusten bei Kleinanlegern zu lesen. Sie hatten eigentlich auf große Gewinne gehofft und im Kopf schon die Millionen an Gewinnen verteilt.
Was machen diese Anleger falsch? Sie glauben, dass diesmal alles anders ist. Sie glauben an die Story, dass sich Kurse permanent von jeglicher Realität lösen können. Bei Gamestop war es die Story, dass Kleinanleger nun das Heft in die Hand nehmen und wie bei David gegen Goliath für den Beginn einer neuen Zeitrechnung sorgen.
Der Beginn einer neuen Zeitrechnung ist das, mit dem Anleger vollkommen von der Realität losgelöste Entwicklungen rechtfertigen. Das war bei Gamestop so und kommt regelmäßig bei Einzelwerten oder ganzen Sektoren vor. Man denke an die Internetblase vor 20 Jahren, Investmentbanken vor der Finanzkrise oder die Bewertung von Cannabis-Unternehmen vor wenigen Jahren. Einige Firmen waren so hoch bewertet, dass sie einen Marktanteil von mehr als 100 % im Jahr 2025 gebraucht hätten, um die Bewertung zu rechtfertigen.
Wie es nun einmal so ist, beginnt eben keine neue Zeitrechnung und die Kurse der Aktien kommen wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Man tut gut daran nicht an die klingenden Storys zu glauben, die eine neue Realität versprechen. Wer daran glaubt, fällt auf seine Gier herein.
Für Anleger ist wichtig zwischen diesen Versprechen (neue Zeitrechnung, diesmal ist alles anders) und gewissen Regelmäßigkeiten oder Börsenweisheiten zu unterscheiden. Das Kursgeschehen tendiert dazu sich zu wiederholen, wenn bestimmte Umstände eintreten. Der Aktienmarkt folgt etwa der Zinskurve (10-jährige Anleihenrendite minus 2-jähriger Anleihenrendite).
Wenn die Zinskurve einen negativen Wert ausweist, ist ein Bärenmarkt nicht mehr fern. Steigt die Zinskurve nach der Inversion wieder an, verliert der Aktienmarkt. Erst am Ende der Aufwärtsbewegung der Zinskurve beginnt auch der Markt wieder zu steigen (siehe Grafik).
Diese Gesetzmäßigkeit macht Sinn. Die Zinskurve fällt, weil Anleger schlechte Zeiten bzw. eine Rezession erwarten. Der Zinsmarkt zeigt eine solche Entwicklung weit im Voraus aus. Aktien steigen weiterhin, bis die Rezession sehr nah ist. Ist man in der Rezession, kann es nur besser werden. Die Zinskurve steigt. Der Markt folgt einige Monate oder Quartale später.
Diesmal ist es aber anders. Die Zinskurve invertierte im Sommer 2019. Seither steigt sie an. Es kam aber nie zu einem langwierigen Abwärtstrend. Wer sich an die Regel, dass der Markt langfristig fällt, gehalten hat, hat verloren. Die Wahrscheinlichkeit für eine Wiederholung der Geschichte wie 2008 oder 2000 war hoch. Sie ist aber nicht 100 %. Eine Trefferquote von 100 % gibt es an der Börse nicht. Manchmal kommt es anders als von der Wahrscheinlichkeit prognostiziert.
Erfolgreiche Anleger lernen mit der Zeit zwischen „diesmal ist alles anders“ (der Glaube, dass sich Kurse permanent von der Realität lösen können – können sie nicht) und der Wahrscheinlichkeit von Kursmustern zu unterscheiden.
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